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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Redebeitrag von Rainer Roth (Rhein-Main-Bündnis gegen Sozialabbau und Billiglöhne) zur Plattformdebatte auf dem Kongress der Gewerkschaftslinken am 2. Oktober 2005 in Frankfurt Kolleginnen und Kollegen, der Entwurf einer Plattform ist ein bescheidenes, aber nützliches Dokument. Er kann nicht zu sehr ins Detail gehen und Analysen abgeben. Er kann in einigen Punkten ergänzt werden, sollte aber nicht überfrachtet werden. Die Plattform erleichtert es vor allem, dass sich die Kräfte, die gegen die Interessen des Kapitals antreten, gemeinsame Ziele stecken und auf dieser Basis auch bundesweit gemeinsam in dieselbe Richtung handeln könnten. Vor allem deshalb ist sie wichtig. Besonders positiv an dem Entwurf ist die deutliche Kritik an der Haltung der Gewerkschaftsspitzen, die sich den Interessen des Kapitals unterordnen. Diese Haltung nicht zu beschönigen ist der Ausgangspunkt für die Notwendigkeit, sich eigenständig zu treffen und sich so zu organisieren, dass entgegengesetzte Meinungen hörbarer werden. Im Entwurf findet sich allerdings noch eine Beschönigung, wenn es heißt." Die Führung der DGB-Gewerkschaften ... unterstützt durch ihre Untätigkeit die Privatisierung der Rentenversicherung ". Die Riester-Rente ist nicht umsonst nach einem ehemaligen IG Metallvorsitzenden benannt. Die IG Metall und andere Gewerkschaften betreiben aktiv den Aufbau privater Rentenversicherungen auf betrieblicher Basis. Die Metall-Rente wird von der IG Metall und der Allianzversicherung verwaltet. Von Untätigkeit kann keine Rede sein. Die Gewerkschaftsführungen sind nicht nur hier, sondern im allgemeinen nicht nur passiv, verschlafen, zögerlich usw., sondern arbeiten in erster Linie an der Stärkung des Kapitals (Senkung der Lohnnebenkosten), damit danach hoffentlich irgendwas für die LohnarbeiterInnen abfallen kann. Das ist nicht unser Standpunkt. "Durch ihre Untätigkeit" muss ersatzlos gestrichen werden. Ich stimme damit überein, dass der Begriff garantiertes Grundeinkommen durch "garantiertes Mindesteinkommen" ersetzt werden sollte. Das entspricht der Formulierung im Frankfurter Appell. So steht es auch im weiteren Text. Begriffliche Anleihen beim "bedingungslosen Grundeinkommen" sollten wir vermeiden. Denn diese Forderung ist keine Basis für ein Bündnis zwischen beschäftigten und arbeitslosen LohnarbeiterInnen. Es gibt den Antrag, für einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens zehn Euro pro Stunde bzw. 1.500 Euro im Monat einzutreten. Bei einer 38,5 Stundenwoche bedeuten 1.500 Euro brutto 8,82 Euro die Stunde. Wir können nicht 10 Euro bzw. 8,82 Euro fordern. Hier wird ein unzulässiges Zugeständnis an alte Forderung des ver.di-Bundesvorstandes gemacht, die dieser allerdings schon wieder verlassen hat. Im übrigen muss ein Stundenlohn gefordert werden, Denn Monatslöhne ergeben je nach der Zahl der monatlichen Arbeitsstunden verschiedene Stundenlöhne. Drr Mindestlohn bliebe dann z.B. bei einer Arbeitszeitverlängerung gleich. Auch zehn Euro haben allerdings nichts mit Menschenwürde zu tun. Solche Formulierungen gehören nicht in die Plattform. Es sei denn, man hält es für menschenwürdig, seine Arbeitskraft als Ware zu verkaufen und dafür dann einen Preis zu erzielen, der nicht einmal den vollen Reproduktionskosten entspricht. Von zehn Euro brutto kann man nicht einmal ein einziges Kind auf dem heutigen offiziellen Niveau des Existenzminimums ernähren. Ich bin entschieden dagegen, den Änderungsanträgen zu folgen, die als Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur "Vernetzung der Gewerkschaftslinken" die Anerkennung des Sozialismus in irgendeiner Form vorschlagen. Das würde die Möglichkeiten erheblich einengen, unsere Basis in Betrieben zu verbreitern. Die Plattform beschränkt sich deshalb richtigerweise auf Forderungen an das Kapital, die den Interessen der LohnarbeiterInnen entsprechen. Die Vorschläge sind umso verwunderlicher, als sich Redner zwar gegen eine Revolutionäre Gewerkschaftsopposition aussprechen, wohl aber für die Anerkennung des Sozialismus in einer gewerkschaftlichen Plattform. Oder sind sie der Meinung, dass Sozialismus nichts mit Revolution zu tun hat? Ganz abgesehen davon sind die Vorstellungen über die Veränderung der Eigentumsverhältnisse eigenartig. " Unternehmer, die entlassen und Belegschaften erpressen müssen enteignet werden ," heißt ein Vorschlag für die Ergänzung zur Plattform. Überkapazitäten und Krisen führen zu Entlassungen. Würden die Betriebe enteignet und nach wie vor für den Weltmarkt produzieren, müssten die Entlassungen letztlich von den neuen Eigentümern ausgesprochen werden. "Letztlich gilt es, den Gegensatz zwischen Lohnarbeit und Kapital zu überwinden ..." soll in die Plattform aufgenommen werden. Auch das Kapital möchte den Gegensatz zwischen Lohnarbeit und Kapital überwinden, obwohl Lohnarbeit und Kapital weiterbestehen. Es träumt von der "Volksgemeinschaft" trotz entgegengesetzter Interessen. So war es vielleicht nicht gemeint, aber so kann es verstanden werden. Alle diese Vorschläge werden dadurch begünstigt, dass sich die Initiative Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken nennt. Das verführt dazu, auch eine Art Programm für Linke zu entwickeln. Notwendig sind aber Strukturen, die nicht nur "Linke" umfassen und auch nicht nur Gewerkschaftslinke (d.h. Linke in der Gewerkschaft), sondern möglichst viele Kolleginnen und Kollegen, die ohne politisch linke Bekenntnisse ablegen und auch ohne in einer Gewerkschaft sein zu müssen, einfach nur konsequent und in einer organisierten Form für die Forderungen (z.B. der Plattform) gegen das Kapital und seine Vertreter eintreten wollen. Der Name steht dieser Verbreiterung im Wege. Wir richten unsere Forderungen im übrigen nicht an die Gewerkschaftsspitzen, damit sie uns erhören mögen, wie der Kollege Krauß meint. Wir wollen möglichst viele KollegInnen dafür gewinnen, damit der Druck in Richtung Kapital stärker wird. Für die Gewerkschaftsspitzen hat es Vorrang, das Kapital zu stärken. Da ist tatsächlich Hopfen und Malz verloren. Ihre Haltung hat nicht nur ideologische Ursachen ("neoliberales Gedankengut") oder politische (Mitgliedschaft in der SPD oder CDU), die man durch einen Ideologie- oder Politikwechsel austauschen könnte. Sie hat vor allem materielle Ursachen. Sie gehören als Aufsichtsräte und Co-Manager mit zum Führungspersonal und dürfen deshalb den entsprechenden Lebensstil genießen. VW ist kein Einzelfall. Ein Redner sprach von der "Gefahr einer innergerkschaftlichen Opposition". Wenn man Angst davor hat, in Opposition zu Sommer, Peters und Schmoldt zu stehen, dann verstehe ich nicht, wieso man sich überhaupt außerhalb gewerkschaftlicher Gremien trifft. Ein Bruch mit dem DGB, wie ihn einige vorschlagen, kann z.Zt. nicht darin bestehen, eigene Gewerkschaften neben dem DGB zu gründen. Wir sind nicht in Venezuela, wo dem Gewerkschaftsverband aufgrund seiner Kapitalstreue die meisten Mitglieder weggelaufen sind. Ein Bruch muss innerhalb der Gewerkschaften vollzogen werden, indem man nicht mehr unsinnige Erwartungen und Hoffnungen in die mit dem Kapital eng verbundenen Gewerkschaftsführungen setzt, sondern Organisationsformen, die heute möglich sind, aufbaut, in denen man eigenständig handeln kann. Und das, ohne die Möglichkeiten auszuschlagen, innerhalb der gewerkschaftlichen Strukturen zu wirken. Aber auch nicht Organisationsformen, die sich nur auf Gewerkschaftsmitglieder beschränken. |