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Updated: 18.12.2012 15:51
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Entwurf für eine Plattform der Gewerkschaftslinken

vorgelegt vom Arbeitsausschuss der Gewerkschaftslinken (Stand: 15.7. 2005) für die Beratungen zum Kongress der Gewerkschaftslinken am 1. Oktober in Frankfurt

Der nachfolgende Entwurf ist kein "konsensuales" Ergebnis der Diskussionen im Arbeitsausschuss, sondern bildet die größtmögliche Gemeinsamkeit von Positionen einer Mehrheit der bisher an der Diskussion Beteiligten. Verschiedene KollegInnen im Arbeitsausschuss haben Kritikpunkte an diversen Passagen dieses Textes. Der Arbeitsausschuss bittet alle lokalen Gruppen der Gewerkschaftslinken, den nachfolgenden Text am Ort zu diskutieren und die Ergebnisse auf dem Kongress am 1. Oktober einzubringen.

Seit Jahrzehnten bestimmt die Massenarbeitslosigkeit die politischen und sozialen Kräfteverhältnisse in diesem Land mit all ihren Folgen. In Deutschland entwickeln sich Verhältnisse, von denen viele glaubten, sie gehörten der Vergangenheit an. Die Herrschenden in Wirtschaft und Politik sind auf dem Weg dazu bzw. streben langfristig an,

  • die Flächentarifverträge abzuschaffen und oder sie wenigstens möglichst weitgehend durch betriebliche Lohnfestsetzung zu ersetzen, um die Löhne auf breiter Front zu senken,
  • die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung zu beseitigen oder sie wenigstens möglichst weitgehend zu beschneiden und durch Privatversicherungen zu ersetzen,
  • die Arbeitslosenversicherung abzuschaffen, ebenfalls das Arbeitslosengeld II oder wenigstens die Arbeitslosenversicherung auf ein Minimum zu beschränken und Arbeitslosengeld II mindestens zu halbieren,
  • die allgemeine Arbeitszeit auf weit über 40 Stunden auszudehnen oder wenigstens in diese Richtung zu flexibilisieren,
  • alle staatlichen Leistungen möglichst weitgehend über Gebühren zu finanzieren und
  • die Gewinnsteuern entweder ganz abzuschaffen oder wenigstens auf ein Niveau abzusenken, das weit unterhalb des heutigen ohnehin schon massiv gesenkten Niveaus liegt.

Die Agenda 2010 und in diesem Zusammenhang die Hartz-Gesetze dienen der Umsetzung dieses langfristigen Programms.
Wir lehnen sie ab.

Unter diesen Bedingungen fällt den DGB-Gewerkschaften eine besondere Verantwortung zu. Noch erreichen sie Millionen abhängig Beschäftigter. Noch verfügen sie über ein gewisses Ansehen und die Masse der KollegInnen betrachten sie noch als das Stärkste, was die Schwachen heute haben. Aber die Anziehungskraft, die Glaubwürdigkeit und die Bindekraft sind in den letzten Jahren dramatisch gesunken. Der Mitgliederverlust hat beängstigende Ausmaße angenommen. Als wesentliche Gründe für diese kritische Situation stellen wir fest:

Die Führung der DGB-Gewerkschaften

  • akzeptiert Lohnsenkungen auf allgemeiner und betrieblicher Ebene,
  • unterstützt durch ihre Untätigkeit die Privatisierung der Rentenversicherung,
  • hat die Hartz-Gesetze in weiten Teilen begrüßt und ihre schädlichen Wirkungen vertuscht,
  • hat den Kampf für Arbeitszeitverkürzung aufgegeben und
  • setzt sich für die Senkung von Lohnnebenkosten ein, obwohl diese als Teil des Lohns zu begreifen sind
  • und appelliert an eine angebliche soziale Verantwortung des Kapitals, die es nicht hat.

Wir akzeptieren das nicht.

Wir setzen der pausenlosen Propaganda der Medien, der politischen und wissenschaftlichen Fürsprecher des Kapitals entgegen: Nicht die angebliche Anspruchshaltung der Erwerbslosen, der Rentner oder das "Besitzstandsdenken" der Beschäftigten ist das Problem, sondern das Profitstreben des Kapitals und der Reichen. Wir sind auch nicht bereit, uns gegen unsere Kolleg/innen und Mitbürger/innen in anderen Ländern in einen internationalen Dumpingwettbewerb um die geringsten Arbeitskosten und billigsten Sozialsysteme treiben zu lassen. Die Regierungschefs der EU aber wollen genau das. Sie wollen mit Hilfe von Sozial- und Lohnabbau und dadurch steigenden Renditen die USA bis 2010 als stärkste Wirtschaftsmacht ablösen. Das ist nicht unser Ziel.

Was wir wollen und wofür wir aktiv sind

Unsere wichtigsten Forderungen sind Arbeitszeitverkürzung und Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Die Durchsetzung beider Forderungen sind die einzigen wirksamen Mittel für eine spürbare Verringerung der Massenerwerbslosigkeit und für die Verhinderung von Billiglöhnen.

Kapital und Kabinett betreiben seit Jahren eine Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich. Die schon einmal in weiten Bereichen erkämpfte 35-Stundenwoche ist weitgehend zu Makulatur geworden. Dies verringert nicht nur die Lebensqualität der Beschäftigten und untergräbt das Familienleben. Es vergrößert auch das Heer der Erwerbslosen und senkt die Stundenlöhne. Deswegen:

Arbeitszeitverkürzung - Sofortige gesetzliche Festschreibung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich und gewerkschaftlicher Kurs auf die 30-Stunden-Woche

  • Der Kampf für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich muss in allen Gewerkschaften wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden. Nur wenn die Arbeitszeit in großen Schritten verkürzt wird, kann verhindert werden, dass ihre positiven Folgen durch Arbeitsintensivierung aufgefangen werden und keine Einstellungen erfolgen.
  • Keine Zugeständnisse in Sachen Arbeitszeit oder Flexibilisierung. Jede Arbeitszeitverlängerung in einem Bereich ist ein Angriff auf uns alle.
  • Gegen die Einrichtung oder Ausdehnung von Langzeitarbeitskonten.

Gesetzlicher Mindestlohn von 10 Euro

Für Millionen arbeitender Menschen ist seit Jahren das Einkommen gesunken. Viele leben am Rande oder unter dem Existenzminimum. Hartz IV fördert das mit seinen Zumutbarkeitsbestimmungen und mit Ein-Euro-Jobs. Dem muss der Kampf für einen gesetzlichen Mindestlohn entgegengesetzt werden. Die untersten Tariflöhne für allgemein verbindlich zu erklären ist vollkommen ungenügend, weil auch viele Tariflöhne unterhalb des Existenzminimums liegen. Wir brauchen einen allgemeinen, für alle Branchen gleichen Mindestlohn. Heute müssen dies wenigstens 10 Euro in der Stunde sein.

Garantiertes Grundeinkommen

Wachsende Erwerbslosigkeit ist kein Ergebnis wachsender Faulheit der Erwerbslosen, sondern eine notwendige Folge dieses Wirtschaftssystems. Deshalb treten wir für ein ausreichendes Mindesteinkommen für alle Erwerbslosen ein - ohne Bedürftigkeitsprüfung. Es müsste sich für Alleinstehende aus einer Regelleistung von 500 Euro (statt jetzt 345 Euro) plus Unterkunftskosten und Heizung zusammensetzen.

Kräftige Reallohnsteigerungen bei Tarifkämpfen

Bei tariflichen Kämpfen treten wir ein

  • für Festgeldforderungen, auch und gerade, um das Einkommen von Frauen anzuheben. Der Festbetrag muss jedoch so hoch ausfallen, dass auch die oberen Tarifgruppen mindestens einen Inflationsausgleich erhalten.
  • gegen Lohnabschlüsse, die teilweise oder ganz von der "Ertragslage" der Betriebe abhängig gemacht werden.
  • gegen Lohnabschlüsse mit einer Laufzeit von mehr als 12 Monaten und
  • gegen die Einführung von "leistungs"bezogenen Entgeltbestandteilen im Öffentlichen Dienst, weil damit nur das allgemeine Gehaltsniveau gesenkt und die Konkurrenz angeheizt wird.

Klares Nein zu allen ungeschützten Beschäftigungsverhältnissen

Mit der Ausdehnung von Leiharbeit, Minijobs, Ein-Euro-Jobs und befristeten Arbeitsverhältnissen hebelt das Kapital zunehmend Tarifverträge aus, senkt das Lohnniveau und untergräbt die Arbeitsbedingungen der "Stammbelegschaften".

Rente mit 60 Jahren, ohne Abschläge

Die Senkung des Renteneintrittsalters auf 60 Jahre ist ein untrennbarer Bestandteil der Arbeitszeitverkürzung, die mit wachsender Produktivität möglich ist. Wir wenden uns gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalters. Wir halten die steigende Lebenserwartung nicht für eine Last, sondern für einen Fortschritt, der aus dem wachsenden gesellschaftlichen Reichtum finanziert werden kann.

Einheitliche, bedarfsdeckende Krankenversicherung

Wir wehren uns dagegen, dass durch Zuzahlungen, Gebühren und Ausgliederung von Leistungen aus der Krankenversicherung das Lohnniveau gesenkt wird. Das Kapital und insbesondere die Versicherungskonzerne streben an, die gesetzliche Krankenversicherung auszuschlachten, um ihre Profitinteressen zu fördern. Wir streben eine einheitliche Krankenversicherung für alle an. Wir wollen nicht, dass die Gesundheitsversorgung vom Geldbeutel abhängt.
Weg mit der Beitragsbemessungsgrenze.

Keine Privatisierung der Sozialversicherungen

Wir lehnen die Formel "Senkung der Lohnnebenkosten" ab, mit der der Abbau der Sozialversicherung zugunsten der Privatversicherung betrieben wird.

Keine Privatisierung öffentlicher Einrichtungen

Krankenhäuser, Verkehrsbetriebe, Wasserversorgung, kommunale Wohnungen usw. werden mehr und mehr an private Investoren verkauft. Wir wollen eine ausreichende öffentliche Infrastruktur für alle, die allen zu niedrigen Preisen zugänglich ist.

Uneingeschränkter Zugang zu und den Ausbau von Bildungs-, Erziehungs- und Kultureinrichtungen (keine Studiengebühren und andere Gebührenerhöhungen, keine Eliteuniversitäten)

Wir streben die Abschaffung des Dreiklassenschulsystems an. Eine Schule für alle, damit unsere Kinder besser gefördert werden können! Das Schulwesen muss so eingerichtet werden, dass die Kinder der unteren Schichten nicht ausgesiebt werden, sondern alle SchülerInnen sich bestmöglich nach ihren Fähigkeiten entwickeln können. Statt das Studium mehr und mehr den Schmalspurinteressen der zukünftigen Arbeitgeber unterzuordnen, fordern wir auch für die Hochschulen eine allseitige, gebührenfreie Ausbildung!

Qualifizierte Ausbildungsplätze für alle Jugendlichen

Wir treten dafür ein, dass alle Jugendlichen eine qualifizierte Ausbildung erhalten und dass sie Anspruch darauf haben, in ihrem erlernten Beruf übernommen zu werden. Finanziert werden muss es von den Unternehmen.

Wer soll das bezahlen?

Gewinnsteuersenkungen dienen ausschließlich der privaten Profitmacherei. Wir fordern, dass die Verwendung der Milliarden Steuergeschenke offen gelegt werden muss.

Die Senkungen der Körperschaftssteuer und des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer müssen ebenso rückgängig gemacht werden wie die Abschaffung der Vermögenssteuer.

Die Löcher, die durch Senkung der Steuern für das Kapital gerissen werden, werden durch den Verkauf öffentlicher Einrichtungen, die Erhebung von Gebühren für die Nutzung öffentlicher Einrichtungen sowie Sozial- und Personalabbau notdürftig gestopft.

Unsere Perspektiven und wer wir sind

  • Um mehr Druck für unsere Forderungen und Ziele aufzubauen, setzen wir uns dafür ein, dass in den DGB-Gewerkschaften die demokratischen Rechte der Mitglieder vollständig zur Geltung kommen. Insbesondere bei Tarifkämpfen kann es nicht um eine Minimalisierung der Kampfmittel und des Kampfeinsatzes gehen, sondern im Gegenteil um die Einbeziehung möglichst vieler Kolleginnen und Kollegen in den tatsächlichen Kampf. Nur wenn sie die Erfahrung machen, dass es auf sie selbst ankommt, auf ihre Eigenaktivität, werden Engagement und Selbstvertrauen wachsen. Nur auf diesem Wege ist eine politische und gewerkschaftliche Emanzipation der arbeitenden Menschen möglich. Weicht ein Tarifabschluss von der aufgestellten Forderung ab, muss die Zustimmung der gewerkschaftlich organisierten KollegInnen eingeholt werden.
  • Belegschaften werden durch international operierende Konzerne grenzüberschreitend erpresst. Deshalb ist es eine vordringliche Aufgabe, eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Belegschaften unbürokratisch aufzubauen, um Schließungspläne von Konzernen abzuwehren. Dazu müssen Netze gewerkschaftlicher Querverbindungen ausgebaut werden bzw. erst aufgebaut werden.
  • Wir brauchen Organisationsformen, die geeignet sind, alle Kräfte zusammenzuschließen, die diese Ziele teilen - innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften.
  • Wir wollen Solidaritätsaktionen mit kämpfenden Belegschaften organisieren,
  • Wir rufen auf, Foren innerhalb der Gewerkschaften zu fördern, die allen offen stehen,
  • Wir setzen uns ein für Bündnisse zwischen Beschäftigten, Arbeitslosen, Studierenden und Schülern, Rentnern usw., die auch über den gewerkschaftlichen Rahmen hinausgehen.

Wir sind ein Zusammenschluss von GewerkschafterInnen. Wir wenden uns aktiv gegen alle Bestrebungen, gewerkschaftliche Aktivitäten den Interessen und Zielen des Kapitals unterzuordnen. Wir wollen nicht zusehen, wie die Gewerkschaften als die größten Organisationen der Lohnabhängigen von außen und von innen kampfunfähig gemacht werden.

Wir haben uns an vielen betrieblichen und gewerkschaftlichen Kämpfen beteiligt. Die Kräfte, die sich uneingeschränkt für die Interessen der Lohnabhängigen gegen das Kapital engaieren, müssen ihre Handlungsfähigkeit bewahren und ausbauen.


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