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Hintergrundinformationen zur fristlosen Entlassung des Kollegen Metin Serefoglu

Stand 28.10.2001

Inhalt:

  1. Solidarität ist weiter notwendig ! Aktueller Stand vom 27.10.01 mit Spendenkonto, Protest- und Soli-Adressen
  2. Aufruf zu Spenden von Andreas Buderus – Ehrenamtlicher im AK gegen Rassismus und Rechtsextremismus des ver.di-Bezirks NRW-Süd
  3. Brief des BRV von der Fa. Kostal und 2. Bevollmächtigter der IGM Lüdenscheid Rainer Schmolke an Andreas Buderus vom 25.10.01
  4. Antwort von Andreas Buderus an den BR von Fa. Kostal vom 27.10.01
  5. Brief des 1. Bevollmächtigen der IGM Lüdenscheid, Günter Schlüchting an den RA Theissen vom 16.10.01
  6. Stellungnahme des Verdi-Bezirksvorsitzenden NRW-Süd vom 30.10.01 an den Betriebsrat der Firma KOSTALnew

1. Solidarität ist weiter notwendig ! Aktueller Stand vom 27.10.01 mit Spendenkonto, Protest- und Soli-Adressen

Solidarität ist weiter notwendig !


Am 13.9. wurden die Beschäftigten der Fa. Kostal über die Meister aufgefordert, die Arbeit wegen der Gedenkminute einzustellen. Metin Serefuglo weigerte sich, weil sonst niemals für große Menschenopfer in der Welt Gedenkminuten veranstaltet wurde. Einige Kollegen von ihm waren der gleichen Meinung, trauten sich aber nicht, das offen zu zeigen. Von anderen wurde er aber beim Meister denunziert. In einem Gespräch mit Vertretern der Geschäftsleitung wurde er verdächtigt, radikaler Moslem zu sein. Er und seine Familie sind türkische Alewiten und waren noch nie in einer Moschee.  Er wurde nach dem Gespräch aufgefordert, seinen Arbeitsplatz zu verlassen. Mittags überbrachten Boten der Firma die fristlose Kündigung. Die Annahme wurde von der 15-jährigen Tochter quittiert (rechtlich, glaub ich, nicht zulässig).
Ein Hintergrund der Kündigung könnte sein, dass die Firma Kostal Metin Serefuglo immer schon loswerden wollte und nun einen Anlaß gesucht hat. Metin Serefuglo leidet an einer nicht wieder rehabilitierbaren Wirbelsäulenerkrankung, die er sich während der Arbeit bei der Firma zugezogen hat. Da er in der Vergangenheit häufig wegen dieser Krankheit Fehlzeiten hatte, wurde ihm sogar eine lächerliche Abfindung von DM 15 000 angeboten, wenn er freiwillig kündigen würde. Die hat er selbstverständlich abgelehnt, da er die Firma nicht aus ihrer Verantwortung entlassen und seine Arbeit weiterhin nachgehen wollte.
An den Rechtschutz der IG Metall, deren Mitglied er auch ist, hat er sich nicht gewendet, weil er befürchtet, dass sie ihn nicht vorbehaltlos unterstützen. Besonders deshalb, weil der Betriebsratsvorsitzende, der die Kündigung mitunterschrieben hat, gleichzeitig auch 2. Bevollmächtigter der IGM Verwaltungsstelle ist.
Türkische Kollegen aus dem Betrieb halten Kontakt zu ihm. Die Solidarität von außen läuft nur spärlich. Bislang sind erst DM 400,- an Spendengeldern eingegangen!
Den Kindern geht es in der Schule- nachdem die Lehrer in den Klassen darüber gesprochen hatten - wieder etwas besser. 

Deshalb ist Solidarität weiter notwendig !
 
Deshalb spendet bitte oder organisiert Spendensammlungen - Überweisungen an:
                                            Solidaritätskonto Serefoglu
                                            Kto-Nr:    50 40 20 91 01
                                            BLZ:        450 600 09     Volksbank Hagen eG
 
oder schreibt Protestadressen an die Geschäftsleitung und den Betriebsrat:
                                            Firma Kostal GmbH & Co
                                            Belmerei
                                            58057    Lüdenscheid
 
oder schreibt Solidaritätsschreiben an:
                                            Mertin Serefoglu
                                            Dammstr.15
                                            58507 Lüdenscheid
 
oder wendet Euch mit weiteren Anfragen an die IGM Verwaltungsstelle Lüdenscheid!
 
Danke auch im Namen von Mertin Serefoglu für Eure Unterstützung!


2. Spendenaufruf von Andreas Buderus:

Solidarität mit Metin Serefoglu
Türkischer Kollege fristlos entlassen, weil er sich nicht an einer Schweigeminute beteiligen wollte...

Dem türkischen Kollegen Metin Serefoglu wurde fristlos gekündigt, weil er nicht an der Schweigeminute für die Terroropfer in den USA teilnehmen wollte.
Metin Serefoglu ist nicht wütend. Er ist fassungslos. Am 13. September wurde dem 41-Jährigen beim Elektrohersteller Kostal in Lüdenscheid fristlos gekündigt, weil er nicht an einer Schweigeminute für die Opfer des Terroranschlages in den USA teilnehmen wollte.
"Ich möchte um alle Menschen in der Welt gleich trauern", begründet er. Schließlich habe es auch keine Trauerfeiern, Gedenkminuten und Halbmasten gegeben, als in der Türkei 30.000 durch ein Erdbeben starben, in Bosnien 300.000 Menschen dem Krieg zum Opfer fielen und unzählige Kurden im Osten der Türkei ermordet wurden. Diese Überzeugung hat ihn den Job gekostet. Drei Stunden nach der Schweigeminute wurde ihm per Boten "aus personal- und verhaltensbedingten Gründen" fristlos gekündigt. Der Betriebsrat hatte ausdrücklich zugestimmt - ohne Metin Serefoglu vorher in der Sache und zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu hören!

"Ich werde behandelt wie ein Terrorist." Besondere Brisanz erhält dieser Fall, weil Metin Serefoglu Mitglied der Industriegewerkschaft Metall (IGM) ist, genau so, wie die Mitglieder des Betriebsrates... Der Betriebsratsvorsitzende ist gar der zweite Bevollmächtigte der IGM Verwaltungsstelle Lüdenscheid! Die IGM-Verwaltung Lüdenscheid sieht keinerlei Handlungsbedarf, da der Kollege Serefoglu - aus verständlichen Gründen -  (zunächst) keinen
Rechtsschutzantrag bei der IGM gestellt hat.
Der Hagener Rechtsanwalt Ingo Theissen-Graf Schweinitz hat inzwischen für Serefoglu am Iserlohner Arbeitsgericht Klage eingereicht. Da der zuständige Richter augenblicklich im Urlaub ist, findet die Güteverhandlung erst am 31.10. um 11.30 im Rathaus Lüdenscheid statt.
Mit dreitausend Mitarbeitern ist die Firma Kostal der größte Arbeitgeber in Lüdenscheid. Weltweit arbeiten 9.000 Menschen für den Elektronikproduzenten. Seit elf Jahren bediente Serefoglu dort eine Kunststoffspritze.
Die Familie Serefoglu hat fünf Kinder, die älteste Tochter ist 16 Jahre alt, der jüngste Sohn zwei. Seit die Nachricht von der Kündigung des Vaters die Runde macht, wollen die Kinder nicht mehr zur Schule gehen. Sie werden von ihren Mitschülern als Verbrecher beschimpft, keiner möchte in der Klasse neben ihnen sitzen.
Die siebenköpfige Familie Serefoglu muss wegen der fristlosen Kündigung die nächsten drei Monate ohne einen Pfennig vom Arbeitsamt überstehen.
Und danach erhält Metin Serefoglu wegen der fristlosen Kündigung nur ein gekürztes Arbeitslosengeld. Deswegen wird er es auch schwer haben, einen neuen Job zu finden.
Rassismus hat viele Gesichter...
Metin Serefoglu und seine Familie brauchen unsere Solidarität. Sein Anwalt hat mittlerweile ein Spendenkonto eingerichtet:

Solidaritätskonto Serefoglu
Kto.Nr.: 50 40 20 91 01 - bei: Volksbank Hagen eG BLZ: 450 600 09

Beweist Eure gewerkschaftliche und menschliche Solidarität, indem ihr spendet.

Wir dürfen es bei aller emotionalen Empörung über die Anschläge von New York und Washington nicht hinnehmen, dass Hysterie und Gesinnungsjustiz wieder handlungsleitend für Denken und Handeln in Deutschland werden!

Arbeitskreis gegen Rassismus und Rechtsextremismus im ver.di Bezirk
NRW-Süd;  HYPERLINK "mailto:iskra@gmx.de"
V.i.S.d.P.: M.Bornholdt; ver.di NRW-Süd; Endenicher Str. 127; 53115 Bonn


3. Brief des BRV an Andreas Buderus

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Schmolke, Rainer [mailto:R.Schmolke@KOSTAL.COM]
Gesendet: Donnerstag, 25. Oktober 2001 15:33
An: 'andreas.buderus@iskra-consult.de'; Betreff: AW: keine Schweigeminute - Fristlos gekündigt!! Solidaritäts- und Spendenaufruf

Stellungnahme des Betriebsrates der Firma Leopold Kostal GmbH & Co. KG zur Kündigung Metin Serefoglu

Mit Erstaunen hat der BR der Firma Kostal die inhaltliche Begründung zum Solidaritätsaufruf für Metin Serefoglu zur Kenntnis genommen. Wir fragen uns, was den Kollegen Andreas Buderus wohl veranlaßt hat, wider besseren Wissens (ausführliches Telefonat über die Kündigungsgründe) den Sachverhalt nicht wahrheitsgetreu darzustellen, um einen Spendenaufruf zu unterstützen.
Andreas Buderus als hauptamtlicher Mitarbeiter von ver.di weiß doch ganz genau, daß eine fristlose / außerordentliche Kündigung immer nur unter der Voraussetzung des § 626, Abs. 1 BGB erfolgen kann, d.h. wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Einzelumstände und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist. Hier müssen besonders schwerwiegende Vertragsverletzungen vorliegen. Das war im Fall Serefoglu so.

Es glaubt doch kein Mensch, daß ein IG Metall-Betriebsrat einer fristlosen Kündigung zustimmt, nur weil ein Mitarbeiter nicht an Schweigeminuten für die Opfer des Terroranschlags in den USA teilgenommen hat.

Wir, die Betriebsräte und Metaller von Kostal, verbitten uns die Unterstellung des Rassismusses durch Andreas Buderus. Das ist eine dreiste, unverschämte Verleumdung ! Wir werden sie zum Anlaß nehmen, uns bei der Bezirksleitung über Andreas Buderus zu beschweren.

Nicht nur Rassismus hat viele Gesichter .....

Lüdenscheid, den 22.10.2001

Der Betriebsrat
der Firma Leopold KOSTAL GmbH & Co.KG
An der Bellmerei 10
58513 Lüdenscheid
Tel. 02351 / 16 - 2699
Fax 02351 / 16 - 2760
E-Mail betriebsrat@kostal.com


4. Antwort von Andreas Buderus an den BR von Fa. Kostal

liebe br-kollegInnen,

zunächst eine sachliche richtigstellung: ich bin kein hauptamtlicher sekretär, sondern ehrenamtlich im arbeitskreis gegen rassismus und rechtsextremismus des ver.di-bezirks-nrw.süd aktiver kollege.
ansonsten folgendes:
natürlich hat der kollege schmolke mir die selben allgemeinplätze am telephon erzählt, wie sie jetzt wieder in eurer stellungnahme auftauchen. allerdings wird hierdurch das grundproblem ja nicht gelöst. denn dass nicht sein kann, was nicht sein darf, war noch nie ein argument. eure
stellungnahme bestätigt vielmehr den eindruck, dass euch offensichtlich nicht ausreichend bewusst ist, was ihr da angerichtet habt, gegenüber dem kollegen serefoglu und seiner familie aber auch gewerkschaftspolitisch.
warum wollt oder könnt ihr euch nicht eingestehen, dass ihr in einer situation, in der bei vielen kollegInnen die nerven blank lagen eventuell das werkzeug eines arbeitgebers geworden seid, dass den kollegen sowieso schon länger los werden wollte und jetzt einen probaten vorwand witterte?!
oder stimmt es etwa nicht, dass der kollege bereits vor dem 11. september ein lächerliches abfindungsangebot für die seinerseitige kündigung erhalten hatte - begründung: häufige fehlzeiten wegen arbeitsunfähigkeit infolge eines wirbelsäulenschadens, den er sich im werk zugezogen hatte...?!
stimmt es nicht, dass, wie mir der kollege schmolke bestätigte, ihr der kündigung zugestimmt habt, ohne den kollegen serefoglu zu den gegen ihn erhobenen vorwürfen gehört zu haben?!
stimmt es auch nicht, dass ihr es unterlassen habt, die igm-verwaltungsstelle zu kontaktieren, um eventuell das gespräch unter kollegInnen zu suchen. genug zeit hättet ihr gehabt, denn der § 102 betrvg lässt euch für eure stellungnahme zu einer außerordentlichen kündigung
bekanntlich drei tage zeit. ihr erledigtet euren "job" aber in weniger als drei stunden... anerkennung!!
jeder kann fehler machen - sogar aus dummheit. das ist verzeihlich... nicht aus seinen fehlern zu lernen spricht aber für ignorranz. und das ist nicht verzeihlich!

mit kollegialen grüßen
andreas buderus


5. Brief des 1. Bevollmächtigen der IGM Lüdenscheid, Günter Schlüchting an den RA Theissen vom 16.10.2001:


----- Original Message -----
From: "Guenter Schlüchting" <guenter@schluechting.de> To: <metten@metten-theissen.de>
Sent: Tuesday, October 16, 2001 11:09 AM


Sehr geehrter Herr Theissen,

als Bevollmächtigter und Geschäftsführer der IG Metall Lüdenscheid melde ich mich heute bei Ihnen, weil mir ein Schreiben von Ihnen an Herrn Serefoglu mit den Aussagen eines Herrn Buderus zugeleitet wurden.
Gegen die Formulierung und unterschwellige Stimmungsmache gegen die IG Metall und der Firma Kostal in den beigelegten Aufruf verwahre ich mich auf das Entschiedenste. Auch die "Recherchen" des Herrn Buderus innerhalb der IG Metall sind total schlammpig ermittelt und falsch wiedergegeben. Es gibt keine Forderung des Vorstandes um Aufklärung an die IG Metall Lüdenscheid, es gibt auch keinen IG Metall Bezirk Lüdenscheid, geschweige denn einen Hauptbevollmächtigten in Frankfurt. Wer solche klaren Strukturen nicht versteht und begreift, kann sicher nicht damit rechnen, in den anderen Aussagen sehr ernst genommen zu
werden. Auch das wird ja in der ganzen Anlage des "Falles" deutlich. Herr Serefoglu wird schon wissen, warum er keinen Rechtsschutzantrag an die IG Metall Lüdenscheid gestellt hat. Ihnen wird dies sicher spätestens dann verständlich, wenn sie im Laufe des Verfahrens Zeugenaussagen zur Kenntnis bekommen.
Was wir sicher nicht machen werden, ist die Umsetzung Ihres Vorschlages, eine gemeinsame Vertretung vorzunehmen.
Eib bißchen verwundert bin ich über die Vorgenhensweise in diesem Fall, Sie müßten doch wissen, dass die tatsächlichen Gegebenheiten spätestens in dem Verfahren bekannt werden. Und wenn Herr Serefoglu Sie richtig informiert hat, wird er doch am Ende Recht bekommen, oder wollen Sie Stimmung machen und haben so wenig Vertrauen in die Rechtsfindung.


Mit den besten Grüßen.
Günter Schlüchting
guenter@schluechting.de


6) Stellungnahme des Verdi-Bezirksvorsitzenden NRW-Süd vom 30.10.01 an den Betriebsrat der Firma KOSTAL

Liebe BR-KollegInnen, lieber Kollege Schmolke,

wie mein Kollege Andreas Buderus Euch mitgeteilt hat, ist der AK Gegen Rassismus und Rechtsextremismus ein AK des ver.di Bezirks NRW-Süd (Verwaltungssitz: Bonn). Ihr könnt also davon ausgehen, dass

1) die Stellungnahme in Form des des Soliaufrufs Metin Serefoglu von meinem Bezirk getragen wird,
2) gründlich recherchiert ist
und
3) davon keine Abstriche zu machen sind.

Eure Stellungnahme sowie den "arbeitsrechtlichen" Hinweis halte auch ich für absolut nichtssagend. Die Antwort von Andreas Buderus unterstütze ich ausdrücklich.

Nun könnte man sagen, unsere Einmischung sei unseriös. Dazu: Wenn über betriebliche Interna hinaus ein Fall grundsätzliche und in der Konsequenz eine (gewerkschafts)politische Dimension hat, dann gibt es das Recht oder auch die Notwendigkeit der öffentlichen Kritik und Aktion. Das entspricht jedenfalls auch meinem politischen Selbstverständnis. Darüber haben wir uns u.a. mit der ver.di in Eurer Region ausgetauscht. Solidarität kennt keine Grenzen.

Mit herzlichem Gruß
Wolfgang Gröf
Vorsitzender ver.di Bezirk NRW-Süd
Gesamtbetriebsratsvorsitzender Friedrich-Ebert-Stiftung



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