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10 Sa 642/00
5 (3) Ca 1533/99
ArbG Bochum
Verkündet am: 25.08.2000
gez. Kaczmarek
Regierungsangestellte
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

Landesarbeitsgericht Hamm
Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

der Firma Johnson Controls Objekt Bochum GmbH & Co. KG, vertreten durch die Johnson Controls Objekt Bochum Verwaltungsgesellschaft mbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer J. Roters und W. Merkel, Hüttenstraße 40, 44795 Bochum,

- Beklagte und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigte:

Assessoren Schukai, Norres, Niehaus und Dr. Schipprowski, Verband der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e.V., Moltkestraße 19, 48151 Münster,

gegen

den Herrn Dietmar Kupfer, Franziskusstraße 13, 44795 Bochum,

- Kläger und Berufungsbeklagter -

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Bode, Riedel, Kassing, Dornieden, Gerson, Abbrent und Heidrich, Alleestraße 24, 44793 Bochum,

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm
auf die mündliche Verhandlung vom 25.08.2000
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schierbaum
sowie den ehrenamtlichen Richter Seppelfricke und die ehrenamtliche Richterin Seuster

für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 03.11.1999 - 5 (3) Ca 1533/99 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie seine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten geltend.

Der am 15.05.1957 geborene Kläger ist geschieden und zwei Kindern unterhaltsverpflichtet.
Seit dem 01.11.1992 ist er als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten, die ca. 615 Mitarbeiter beschäftigt, zu einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoverdienst von 3.708,02 DM tätig.
Die Beklagte stellt in ihrem Werk in Bochum im sog. just-in-time-Verfahren Autositzgruppen für Ford und Opel her.
Der Kläger ist Mitglied des aus neun Personen bestehenden, im April 1998 neu gewählten Betriebsrates. Der Kläger war auch Mitglied des Vorgängerbetriebsrates.

Mit Schreiben vom 18.09.1997 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Zustimmung des Betriebsrates fristlos wegen angeblicher vorsätzlicher Deformierung einer Vordersitz-Sportlehne. Durch Urteil vom 09.12.1997 - 2 Ca 2493/97 Arbeitsgericht Bochum - wurde die Kündigung vom 18.09.1997 für unwirksam erklärt. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil war erfolglos (LAG Hamm, Urteil vom 02.07.1998 - 3 Sa 290/98 -). Die vom Kläger beantragte Weiterbeschäftigung wurde mit zwei Zwangsgeldbeschlüssen über 2.000,00 DM bzw. 15.000,00 DM durchgesetzt.

Mit Schreiben vom 12.12.1997 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger erneut mit Zustimmung des Betriebsrates fristlos, weil der Kläger angeblich im ersten Kündigungsschutzverfahren beleidigende Prozessbehauptungen aufgestellt habe. Durch Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 13.01.1998 - 2 Ca 3323/97 - wurde auch diese Kündigung für unwirksam erklärt. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil wies das erkennende Gericht durch Urteil vom 22.07.1998 - 3 Sa 766/98 LAG Hamm - im Wesentlichen mit der Begründung zurück, die Beklagte habe die fristlose Kündigung ohne beigefügte schriftliche Zustimmungserklärung des Betriebsrates ausgesprochen, der Kläger habe diesen Mangel unverzüglich gerügt, §§ 182 Abs. 3, 111 Satz 2 BGB.

Auch eine weitere, mit erneuter Zustimmung des Betriebsrates ausgesprochene fristlose Kündigung vom 26.06.1998 wegen angeblicher vorsätzlicher Beschädigung bei der Produktion eines Autositzes und Missachtung von Arbeitsanweisungen war erfolglos. Der Kündigungsschutzklage wurde durch Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 17.09.1998 - 4 Ca 1489/98 - stattgegeben. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil wurde durch das erkennende Gericht mit Urteil vom 08.09.1999 - 3 Sa 333/99 LAG Hamm - zurückgewiesen. Da die Beklagte sich ferner dem ausgeurteilten Weiterbeschäftigungsbegehren widersetzte, wurde gegen die Beklagte mit Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 18.12.1998 ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 50.000,00 DM festgesetzt.

Auch mit Anträgen im Beschlussverfahren auf Ausschließung des Klägers aus dem Betriebsrat bzw. auf Auflösung des gesamten Betriebsrates blieb die Beklagte erfolglos.

Aufgrund des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 17.09.1998 und der gerichtlichen Zwangsgeldbeschlüsse wurde der Kläger, der zuletzt im Opel-Bereich im Betrieb der Beklagten gearbeitet hatte, seit dem 26.03.1999 von der Beklagten weiterbeschäftigt, allerdings im Ford-Bereich eingesetzt. Mit Schreiben vom 26.03.1999 (Bl. 44 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit:

"Durch das Urteil des Arbeitsgerichtes zwingen Sie uns, Sie gegen unseren Willen weiterzubeschäftigen.

Nur um der Zwangsvollstreckung aus dem nicht rechtskräftigen Urteil zu entgehen, erklären wir uns zur Annahme Ihrer Arbeitsleistung bereit."

Zunächst wurde dem Kläger eine Tätigkeit am Arbeitsplatz "Torsionsfedern und Entriegelungsdraht montieren" zugewiesen. Ob der Kläger gleich zu Beginn seiner Tätigkeit von der für Qualitätsfragen zuständigen Mitarbeiterin Sommer der Beklagten in übelster Weise beschimpft wurde, ist zwischen den Parteien streitig.

Seit dem 31.03.1999 wurde der Kläger in der Handradmontage im Ford-Bereich eingesetzt. Hier oblag ihm die Aufgabe, die Handräder der Sitzlehnenverstellung an der Sitzlehne zu montieren, das Handrad mit einer Plastikkappe zu versehen sowie Schienenabdeckungen anzubringen. Sein Arbeitsplatz befand sich in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes der Mitarbeiterin Sommer.

Am 04.05.1999 erhielt der Kläger von der Beklagten eine Abmahnung (Bl. 15 f. d. A.) mit der Begründung, in den Zeiträumen vom 07.04. bis 09.04.1999 sowie vom 27.04. bis 30.04.1999 die in der Abmahnung näher bezeichneten Schäden verursacht zu haben. Auf den Inhalt der Abmahnung vom 04.05.1999 (Bl. 15 f. d. A.) wird Bezug genommen. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass der Kläger am 07.04.1999 vereinbarungsgemäß sich in Urlaub befand und die in der Abmahnung vom 04.05.1999 für den 07.04.1999 angegebenen Schäden nicht verursacht hat.

Mit Schreiben vom 25.05.1999 (Bl. 17 ff. d. A.) machte der Kläger die Entfernung der Abmahnung vom 04.05.1999 aus seiner Personalakte geltend. Zur Begründung führte er u. a. aus, dass der Vorwurf der ständigen und wiederholten Schlechtleistung unbegründet sei. Auf den Inhalt der Gegendarstellung vom 25.05.1999 wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 07.06.1999 (Bl. 22 f. d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass an der Abmahnung vom 04.05.1999 festgehalten werde.

Mit Schreiben vom 31.05.1999 (Bl. 20 f. d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger eine "letztmalige Abmahnung wegen schlechter Arbeitsleistung" und warf dem Kläger vor, in der Zeit vom 03.05. bis 05.05.1999 sowie vom 10.05. bis zum 12.05.1999 weitere in der Abmahnung näher bezeichnete Schäden verursacht zu haben. Auf den weiteren Inhalt dieser Abmahnung vom 31.05.1999 (Bl. 20 f. d. A.) wird Bezug genommen.
Das Abmahnungsschreiben vom 31.05.1999 wurde dem Kläger am 01.06.1999 ausgehändigt. Dabei wurde dem Kläger von Mitarbeitern der Beklagten auch mündlich sein angebliches vertragswidriges Verhalten vorgeworfen. Ob der Kläger anlässlich dieses Gespräches gegenüber der Personalleiterin Frau Sonst geäußert hat: "Sie glauben doch wohl nicht, dass sich durch diese Gespräche etwas verbessern wird", ist zwischen den Parteien streitig.

Die Parteien streiten ferner im vorliegenden Verfahren insbesondere darum, ob der Kläger die in den Abmahnungen vom 04.05.1999 und 31.05.1999 festgehaltenen Schlechtleistungen sowie weitere Schlechtleistungen aus dem Zeitraum vom 31.05.1999 bis zum 11.06.1999 vorsätzlich verursacht hat.

Am 10.06.1999 wurde der Kläger zu einer außerordentlichen Betriebsratssitzung für Montag, den 14.06.1999, 12.00 Uhr, eingeladen. Die Tagesordnung sah unter Ziff. 7. vor: "Fristlose Kündigung" (Bl. 25 d. A.). Zu dieser außerordentlichen Betriebsratssitzung vom 14.06.1999 waren neben dem Kläger sieben weitere ordentliche Betriebsratsmitglieder sowie zwei Ersatzmitglieder geladen, die sämtlich an der Betriebsratssitzung vom 14.06.1999 teilnahmen.

Nachdem auf der Betriebsratssitzung vom Montag, dem 14.06.1999 die Tagesordnungspunkte 1. bis 6. ordnungsgemäß abgehandelt waren, erschien - nach einer geraumen Wartezeit - auf der Betriebsratssitzung die Personalleiterin der Beklagten, Frau Sonst, und übergab dem Betriebsrat ein Anhörungsschreiben vom 13.06.1999 über die beabsichtigte fristlose Kündigung des Klägers (Bl. 26 d. A.) sowie eine "Kündigungsabsichtserklärung" vom 14.06.1999 (Bl. 27 d. A.). Die "Kündigungsabsichtserklärung" vom 14.06.1999 (Bl. 27 d. A.) hat folgenden Wortlaut:

Kündigungsabsichtserklärung des Herrn Dietmar Kupfer

Herr Dietmar Kupfer trat am 26.03.1999 erneut im Zuge des Weiterbeschäftigungsanspruches in unser Unternehmen ein. Nach den uns vorliegenden Unterlagen ist Herr Kupfer nicht verheiratet und hat keine Kinderfreibeträge.

Seit seinem Wiedereintritt am 26.03.1999 arbeitet er in der B-Schicht der Fordproduktion. Sein Aufgabengebiet umfasste die Montage der Torsionsfedern (2 Stck.) mit Spezialwerkzeug sowie das Montieren des Entriegelungsdrahtes und das Verschließen mit 2 Scheiben. Er montierte eine Feder nicht ordnungsgemäß. Sollte eine Feder herausspringen, ist es für die MA lebensgefährlich. Aus diesem Grund wurde Herr Kupfer in die Handradmontage umgesetzt. Er erhielt sowohl für den ersten als auch für den zweiten und jetzigen Arbeitsplatz eine ordnungsgemäße Unterweisung und seine Arbeitsanweisung und wurde ordnungsgemäß angelernt. Dennoch unterliefen ihm immer wieder gravierende Fehler, die in Aufzeichnungen dokumentiert sind. Die Arbeitsunterweisung war am 22.04.1999. Für die Zeit vom 23.04.1999 bis zum 30.04.1999 erhielt Herr Kupfer eine Abmahnung wegen den bei ihm dauernd vorkommenden Fehlern. Diese Abmahnung erhielt der BR ebenfalls in Kopie. In dieser Abmahnung wiesen wir Herrn Kupfer darauf hin, dass er im Wiederholungsfall mit einer fristlosen Kündigung rechnen müsse, und fügten noch einmal in Kopie seine Arbeitsanweisung und Unterweisung bei.

Sein Arbeitsverhalten besserte sich allerdings in keinster Weise. Nachweislich dokumentiert traten bei ihm weiterhin gravierende Fehler auf. In einem Gespräch zwischen Herrn Kupfer, dem Operationsmanager für Ford Herrn Dirk Moritz und der Personalleiterin Frau Petra Sonst wurden von Herrn Moritz die Arbeitsgänge genau erklärt. Dabei zeigte er Herrn Kupfer auf, dass ein Handrad sehr schwer zu lösen ist, wenn es richtig montiert ist. Außer dass er nicht wisse, wie diese Fehler entstanden sind, äußerte Herr Kupfer nichts weiter. Somit erhielt er für die Zeit vom 03.05.1999 - 05.05.1999 und vom 10.05.1999 - 12.05.1999 eine zweite und letztmalige Abmahnung, die ebenfalls in Kopie an den Betriebsrat ging. Sie wurde ihm persönlich am 01.06.1999 um 11.30 Uhr von Frau Sonst übergeben.

Frau Sonst nahm telefonisch Kontakt mit dem Gewerkschaftssekretär der IG Metall Herrn Willi Gräber, da er in die Problematik involviert ist, auf, mit der Bitte, auf Herrn Kupfer bezüglich seiner Arbeitseinstellung einzuwirken. Dieses Gespräch fand erst am Donnerstag, den 10.06.1999 statt, da Herr Kupfer nicht wollte, dass Herr Gräber am 07.06.1999 ins Unternehmen kam. Auch nach diesem Gespräch zeigte sich in keinster Weise irgendeine Besserung in seiner Arbeitsweise.

Ab dem 17.05.1999 ist seine Fehlerquote nach wie vor enorm hoch und es gibt bis einschließlich 11.06.1999 keine Verhaltensänderung seinerseits. Am 08.06.1999 wurde in der Zeit von 14.20 Uhr bis 17.00 Uhr ein anderer Mitarbeiter aus der Gegenschicht an seinem Arbeitsplatz eingesetzt. In diesem Zeitraum gab es nachweislich keine losen Handräder. Ab 17.00 Uhr trat Herr Kupfer seine Arbeit an dem gleichen Arbeitsplatz an und es gab laufend lose Handräder. Wie bereits in der letztmaligen Abmahnung erwähnt, sind in den Zeiten seiner Abwesenheiten wegen Krankheit oder Urlaubs sowie in der Gegenschicht kaum nennenswerte bzw. keinerlei Fehler aufgetreten.

Sein Verhalten lässt den Schluss zu, dass Herr Kupfer in keinster Weise gewillt ist, seine Arbeitseinstellung zu ändern. Wir sehen uns daher veranlasst, im Interesse des Unternehmens und in Wahrung der Verantwortlichkeit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber, die durch ein solches Verhalten auch in Zukunft belastet werden, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen.

Wir bitten um Zustimmung."

Während der Beratung des Betriebsrates über den Tagesordnungspunkt 7. verließ der Kläger die Betriebsratssitzung. Ob der Betriebsrat auf der Sitzung vom 14.06.1999 auch über die Gegendarstellung des Klägers vom 25.05.1999 zu der ihm erteilten Abmahnung vom 04.05.1999 unterrichtet worden ist, ist zwischen den Parteien streitig.

Nach der Betriebsratssitzung gab der Betriebsrat folgende Stellungnahme (Bl. 26 d. A.) ab:

Stellungnahme des Betriebsrates:

Gegen diese Kündigung bestehen

X stimmen wir zu
O wird Widerspruch eingelegt mit folgender Begründung:
 
Bochum, 14/06/99 i. A. A. Schmidt
Ort, Datum Unterschrift Betriebsrat

Nach der Sitzung des Betriebsrates vom 14.06.1999 wurde der Kläger durch den Betriebsratsvorsitzenden Herrn Schmidt darüber mündlich informiert, dass der Betriebsrat den Beschluss gefaßt habe, der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zuzustimmen. Daraufhin verließ der Kläger den Betrieb der Beklagten.

Mit Schreiben vom 14.06.1999 (Bl. 28 d. A.) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos. Dem Kündigungsschreiben vom 14.06.1999 waren das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 13.06.1999, die Kündigungsabsichtserklärung vom 14.06.1999 sowie die Stellungnahme des Betriebsrates vom 14.06.1999 in Fotokopie beigefügt. Das Kündigungsschreiben vom 14.06.1999 wurde dem Kläger noch am selben Tag gegen 17.00 Uhr durch eine Privatdetektei zustellt (Bl. 91 d. A.).

Mit Schreiben vom 16.06.1999 (Bl. 29 d. A.) wiesen die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Kündigung vom 14.06.1999 gemäß § 182 Abs. 3 BGB i. V. m. § 111 Satz 2 BGB zurück mit der Begründung, dem Kündigungsschreiben sei die Zustimmung des Betriebsrates in schriftlicher Form nicht beigefügt gewesen.

Mit der am 25.06.1999 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage machte der Kläger sodann die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 14.06.1999 sowie seine vorläufige Weiterbeschäftigung bei der Beklagten geltend.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung sei bereits wegen Fehlens eines wichtigen Grundes unwirksam. Die von der Beklagten behaupteten Schlechtleistungen könnten allenfalls nach wirksamer Abmahnung eine ordentliche Kündigung rechtfertigen.
Indes träfen die erhobenen Vorwürfe nicht zu. Dem Kläger könne keine Schlechtleistung vorgeworfen werden, und schon gar keine vorsätzliche Schlechtleistung.
Die Abmahnung vom 04.05.1999 sei schon deshalb unwirksam, weil der Kläger unstreitig am 07.04.1999 Urlaub gehabt habe und demnach die behaupteten Schlechtleistungen nicht erbracht haben könne. Darüber hinaus hat der Kläger behauptet, er habe die Handräder stets korrekt montiert. Selbst der eigens zur Überwachung des Klägers abgestellte Zeuge Brodowski habe keinerlei Mängel bei der Arbeitsausführung des Klägers feststellen können. Die Achse des Sitzes, auf die das Handrad aufgesetzt werden müsse, weise keine Vertiefung aus, so dass es keinen vorbestimmten Anschlagpunkt gebe. Hierauf habe der Kläger in der Gegendarstellung vom 25.05.1999 bereits hingewiesen. Die Beklagte habe in ihrem Schreiben vom 07.06.1999 selbst bestätigt, dass der Klemmring manuell wieder gelockert werden könne. Insoweit handele es sich um eine rein spekulative Unterstellung, wenn die Beklagte dem Kläger vorwerfe, die Handräder nicht korrekt montiert zu haben. Eine objektiven Befund dazu, wann ein Handrad zu locker sei, gebe es nicht; dies unterliege der rein subjektiven Beurteilung des Endkontrolleurs. Die für die Qualitätskontrolle zuständige Mitarbeiterin Sommer habe den Kläger jedoch, wie er behauptet hat, gleich zu Beginn seiner Weiterbeschäftigung in übelster Weise beschimpft, u. a. als "Wichser, Saboteur und Schwuchtel".
Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, der Kläger habe die Endkontrolleurin Sommer der Lüge bezichtigt. In den Gesprächen mit den Mitarbeitern der Beklagten, in denen er auf angebliche Mängel angesprochen worden sei, habe er wahrheitsgemäß erklärt, er verrichte seine Arbeit korrekt, die Vorwürfe seien unzutreffend. Auf die Frage der Personalleiterin, wie er sich dann die Beanstandungen durch die Endkontrolleurin Sommer erkläre, habe der Kläger lediglich erwidert, dazu könne er nichts sagen. Die Personalleiterin sei es sodann gewesen, die versucht habe, dem Kläger die Behauptung in den Mund zu legen, Frau Sommer lüge, indem sie den Kläger nämlich gefragt habe: "Dann lügt Frau Sommer also?!". Dazu habe der Kläger wiederum erklärt, das könne er nicht beurteilen, jedenfalls montiere er die Handräder korrekt.

Auch die von der Beklagten behauptete Äußerung des Klägers: Sie glauben doch wohl nicht, dass sich durch diese Gespräche etwas verbessern wird", treffe in dieser Form nicht zu. Eine solche Äußerung habe der Kläger allenfalls in bezug auf die allgemeine Situation, wie sie seit langem zwischen der Beklagten und ihm bestehe, gemacht, nicht aber in bezug auf seine Arbeitsleistung.

Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 14.06.1999 sei auch wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung unwirksam.
Schon der Zustimmungsbeschluss des Betriebsrates vom 14.06.1999 sei nicht wirksam zustande gekommen. Eine ordnungsgemäße Einladung des Betriebsrates habe, was die Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung angehe, nicht vorgelegen. Der Tagesordnungspunkt 7. sei nicht genügend konkretisiert, der Betriebsrat habe sich ordnungsgemäß auf die Behandlung dieses Tagesordnungspunktes nicht vorbereiten können. Konkretisiert worden sei dieses erst durch das Erscheinen der Personalleiterin in der Betriebsratssitzung und das Überreichen der Kündigungsvoranzeige durch die Personalleiterin. In der Tagesordnung sei nicht kenntlich gemacht worden, dass es um die Zustimmung zur fristlosen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds, des Klägers, gegangen sei. Dass am 14.06.1999 insoweit ein unwirksamer Zustimmungsbeschluss vorliege, sei auch der Beklagten bekannt gewesen. Immerhin datiere die Kündigungsabsichtserklärung selbst erst vom 14.06.1999, das Anhörungsschreiben vom Sonntag, dem 13.06.1999.

Darüber hinaus seien die persönlichen Daten des Klägers im Anhörungsschreiben vom 13.06.1999 unzutreffend wiedergegeben. Unter Familienstand s i in diesem Anhörungsschreiben "n. v." angegeben; ein Hinweis auf die Unterhaltspflichten des Klägers finde sich nicht.

Die Anhörung sei auch deshalb grob fehlerhaft und unzutreffend bzw. unvollständig, weil die Beklagte dem Betriebsrat die Gegendarstellung des Klägers vom 25.05.1999 verschwiegen habe. Soweit die Beklagte behaupte, dem Betriebsrat sei die komplette Personalakte des Klägers übergeben worden, was mit Nichtwissen bestritten werde, reiche dies zur ordnungsgemäßen Information des Betriebsrates nicht aus.

Auch der Zustimmungsbeschluss des Betriebsrates vom 14.06.1999 selbst sei unwirksam. Die Stellungnahme des Betriebsrates laute: "Gegen diese Kündigung bestehen stimmen wir zu." In einer solchen Formulierung könne die vom Gesetz geforderte ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrates nicht gesehen werden.

Schließlich kranke die streitbefangene Kündigung daran, dass ihr die schriftliche Zustimmung des Betriebsrates nicht im Original beigefügt gewesen sei. Die Beifügung in Fotokopie reiche nicht aus. Ebenso wie bei der Vornahme eines einseitigen Rechtsgeschäfts durch einen Bevollmächtigten die Beifügung einer Kündigungsvollmacht im Original erforderlich sei, müsse auch die Zustimmungserklärung nach den §§ 182 Abs. 3, 111 Satz 2 BGB im Original der Kündigung beigefügt werden.

Schließlich habe der Kläger auch einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, die Weiterbeschäftigung des Klägers in ihrem Betrieb sei unzumutbar. Der Vortrag des Klägers in der Klageschrift sei von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Selbst die unstreitigen Tatsachen vermittelten einem unbefangenen Betrachter den Eindruck des Zusammenwirkens zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat. Der Tagesordnungspunkt 7. "Fristlose Kündigung" sei bereits zu einem Zeitpunkt auf die Tagesordnung gesetzt worden, als offiziell gar kein Zustimmungsantrag der Beklagten vorgelegen und auch kein anderweitiges Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG angestanden habe. In einem Beschlussverfahren auf Untersagung der Betriebsratstätigkeit - 2 BVGa 10/97 ArbG Bochum = 3 TaBV 70/97 LAG Hamm - hätten sich die Beklagte und der Betriebsrat desselben Prozessbevollmächtigten bei der Antragstellung bedient, was bereits deshalb unzulässig gewesen sei, weil der Arbeitgeberverband schon satzungsgemäß den Betriebsrat einer Mitgliedsfirma nicht vertreten könne. Bereits diese Umstände belegten den Eindruck bzw. den Verdacht, dass zwischen der Beklagten und Teilen des Betriebsrates vorab Informationen ausgetauscht worden seien.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ihm am 14.06.1999 zugegangene fristlose Kündigung der Beklagten vom 14.06.1999 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht,

2. im Übrigen die Beklagte zu verurteilen, ihn vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit und darüber hinaus im fortbestehenden Arbeitsverhältnis vertragsgemäß als Arbeiter tatsächlich weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Sie hat die außerordentliche Kündigung vom 14.06.1999 für wirksam gehalten und die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen absichtlicher, vorsätzlicher Schlechtleistung durch den Kläger begründet.

Der Kläger sei zunächst beim Einbau der Torsionsfedern in die Autositze eingesetzt worden. Hierbei habe er, so hat die Beklagte behauptet, die Torsionsfedern trotz Demonstration durch den Produktionskoordinator fehlerhaft eingebaut. Aus diesem Grunde sei er ab dem 31.03.1999 in der Handradmontage ei gesetzt worden. Auch hier sei der Kläger durch den Team-Leader Herrn Brodowski in sein Aufgabengebiet ordnungsgemäß eingewiesen worden. Dies habe der Kläger selbst am 22.04.1999 bescheinigt. Zudem seien entsprechende Arbeitsanweisungen am Arbeitsplatz ausgelegt.
Der Kläger habe in der Handradmontage in großem Umfange Fehlleistungen erbracht, die im Einzelnen in den Abmahnungen vom 04.05.1999 und 31.05.1999 enthalten seien. Bereits zuvor hätten mit dem Kläger wegen seiner Fehlleistungen mehrere Gespräche mit dem Team-Leader Herrn Brodowski sowie Herrn Decker und Frau Sommer stattgefunden. Der Kläger habe in den Gesprächen abgestritten, Schlechtleistungen erbracht zu haben. Zudem habe er Frau Sommer der Lüge bezichtigt. Herr Brodowski habe sich mehrfach an den Arbeitsplatz des Klägers begeben und die Arbeitsausführungen des Klägers angeschaut. Während der Anwesenheit von Herrn Brodowski am Band habe der Kläger entsprechend den Arbeitsanweisungen gearbeitet. Sobald sich aber Herr Brodowski vom Band entfernt habe, seien wieder fehlerhafte Arbeitsleistungen aufgetreten.
Ausweislich der Reparaturberichte seien fehlende Schienenabdeckungen, fehlende, lose, schwergängige und gebrochene Handräder festgestellt worden.

Anlässlich der Übergabe der zweiten Abmahnung vom 31.05.1999 sei mit dem Kläger durch die Personalleiterin Frau Sonst, dem Operationsmanager Herrn Moritz sowie dem Betriebsratsvorsitzenden Herrn Schmidt ein Gespräch geführt worden. In diesem Gespräch sei dem Kläger nochmals die Funktion des ihm zur Verfügung gestellten Werkzeugs überprüft und in Ordnung befunden worden. Dennoch habe man wiederum gleichartige Fehlleistungen festgestellt. Gegen Ende des Gespräches habe der Kläger sinngemäß zu Frau Sonst erklärt: "Sie glauben doch wohl nicht, dass sich durch diese Gespräche etwas verbessern wird."
Auch die Einschaltung eines Gewerkschaftssekretärs der IG Metall, Herrn Gröber, habe zu keinen Besserungen geführt. Gegenüber Herrn Gröber habe der Kläger angegeben, er erledige seine Arbeit ordnungsgemäß und habe keine Fehler zu verantworten; vielmehr werde er von seinen Arbeitskollegen gemobbt, er sehe keine Veranlassung, an seiner Arbeitsweise etwas zu ändern.

Auch nach Erhalt der zweiten Abmahnung vom 31.05.1999 habe der Kläger sein Arbeitsverhalten nicht geändert. Auch in der Zeit vom 31.05.1999 bis zum 11.06.1999 seien zahlreiche Fehlleistungen aufgetreten, die im Einzelnen in den Reparaturberichten festgehalten seien. Auch an diesen Tagen seien zahlreiche lose Handräder, viele fehlende Handräder und fehlende Schienenabdeckungen sowie am 10.06.1999 auch zwei verkratzte Handräder festgestellt worden. Damit stehe fest, dass der Kläger sein Fehlverhalten auch nach Ausspruch der beiden Abmahnungen sowie im Anschluss an die zahlreichen Gespräche fortgesetzt habe. Das Verhalten des Klägers führe dazu, dass der Reparaturbereich überlastet und es zu Produktionszustillständen gekommen sei, da der Reparaturbereich keine weiteren Sitze mehr, habe aufnehmen können. Dadurch habe die Gefahr bestanden, dass die Sitzgruppen nicht rechtzeitig an den Kunden Ford ausgeliefert werden konnten.
Aus der Tatsache, dass in der Arbeitsausführung des Klägers bei Beobachtung durch seine Vorgesetzten keine Fehler aufgetreten seien, der Kläger jedoch wiederum fehlerhafte Arbeitsleistungen erbracht habe, wenn er nicht beobachtet worden sei, sowie aus den verschiedenen Äußerungen des Klägers könne nur geschlossen werden, dass der Kläger absichtliche Fehlleistungen verursacht habe. Auffällig sei in diesem Zusammenhang auch, dass keine erhöhte Fehlerquote aufgetreten sei, als der Kläger bei Herrn Decker Urlaub für die Zeit nach Ostern beantragt habe. All diese Umstände ließen nur den Schluss zu, dass der Kläger ganz bewusst schlechte Arbeitsleistungen erbracht habe.

Das fortgesetzte vertragswidrige Verhalten nach den Gesprächen und den Abmahnungen mache die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger für die Beklagte unzumutbar.

Die Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, der Betriebsrat sei am 14.06.1999 vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß über den kündigungsrelevanten Sachverhalt unterrichtet worden und habe der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung ordnungsgemäß zugestimmt. Hierzu hat sie behauptet, die Personalleiterin, Frau Sonst, habe dem -Betriebsratsvorsitzenden eine schriftliche Kündigungsanzeige, mit der Kündigungsabsichtserklärung vom 14.06.1999, die komplette Personalakte des Klägers einschließlich der schriftlichen Abmahnungen und der Gegendarstellung des Klägers überreicht. Darüber hinaus habe Frau Sonst dem Betriebsrat den Sachverhalt geschildert und anhand der Reparaturberichte auf die mangelhafte Arbeitsleistung des Klägers hingewiesen. Danach habe Frau Sonst die Betriebsratssitzung verlassen. Nach Ende der Sitzung habe der Betriebsratsvorsitzende Frau Sonst mitgeteilt, dass der Betriebsrat der außerordentlichen Kündigung des Klägers zustimme und die schriftliche Stellungnahme des Betriebsrates überreicht.

An der Wirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses vom 14.06.1999 bestünden keine Bedenken. Dass zwei Ersatzmitglieder an dem Beschluss mitgewirkt hätten, führe nicht zur Unwirksamkeit des gefassten Beschlusses. Auch wenn die Tagesordnung mangelhaft gewesen sei, sei dieser Fehler geheilt, weil der gesamte Betriebsrat an der Betriebsratssitzung teilgenommen habe und, wie die Beklagte behauptet hat, keines der vollzählig versammelten Betriebsratsmitglieder der Behandlung des Tagesordnungspunktes 7. widersprochen habe. Der Betriebsrat habe über die außerordentliche Kündigung des Klägers verhandelt. Kein Betriebsratsmitglied habe hiergegen Widerspruch erhoben. Im Übrigen sei dem Betriebsrat auch aufgrund der vorangegangenen Anhörungs- und Kündigungsverfahren bekannt gewesen, dass der Kläger geschieden sei und zwei unterhaltsberechtigte Kinder habe.

Schließlich hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass dem Kläger mindestens kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zustehe. Es lägen gewichtige Gründe seitens der Beklagten vor, die gegen eine Weiterbeschäftigung des Klägers sprächen. Der Kläger habe zunächst in der Klageschrift die Beklagte pauschal bezichtigt, sie würde mit der Mehrheit des Betriebsrates gegen ihn vorgehen. Dahinter stecke auch der Vorwurf, die Beklagte würde die Tätigkeit des Betriebsrates behindern bzw. stören oder zu beeinflussen versuchen. Der Vorwurf gehe damit in die Richtung, dass die Beklagte den Straftatbestand des § 119 BetrVG verwirklicht habe. Diese durch keinerlei Tatsachen belegte Verleumdung begründe das Interesse der Beklagten, den Kläger während der Dauer des Kündigungsschutzverfahrens nicht weiterzubeschäftigen.

Durch Urteil vom 03.11.1999 hat das Arbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB, 15 Abs. 1 KSchG liege nicht vor. Quantitativ ungenügende und qualitativ schlechte Arbeitsleistungen seien kein Grund für eine außerordentliche Kündigung. Dem Kläger könne auch nicht vorgeworfen werden, bewusst vorsätzliche, absichtliche Fehlleistungen erbracht zu haben. Eine Feststellung, ob der Kläger bewusst und absichtlich Handräder zu lose angebracht habe, lasse sich nicht treffen, weil zwischen den Parteien unstreitig sei, dass die Handräder mit einem Werkzeug ohne Anschlagpunkt befestigt würden. Hieraus ergebe sich, dass diese Befestigung sowie die Kontrolle des Sitzes der Handräder "nach Gefühl", nach subjektivem Empfinden und nicht nach objektiven Messdaten erfolge. Auch die von der Beklagten vorgetragenen weiteren Umstände könnten eine bewusste Schlechtleistung des Klägers nicht belegen. Konkrete Fehlleistungen, die der Kläger bewusst und absichtlich erbracht habe, seien nicht beobachtet worden und auch nicht vorgetragen. Die Annahme der Beklagten, der Kläger halte bewusst seine Arbeitsleistung zurück, werde auch nicht dadurch gestützt, dass es sich um eine leichte Arbeit handelt, für die der Kläger eingewiesen worden sei. Auch die von der Beklagten behaupteten Äußerungen des Klägers ließen einen zwingenden Rückschluss auf die absichtliche Erbringung von Fehlleistungen nicht zu.
Darüber hinaus scheitere die Wirksamkeit der Kündigung auch an einer nicht ordnungsgemäßen Information des Betriebsrates vor Ausspruch der Kündigung des Klägers nach § 103 Abs. 1 BetrVG. Dem Betriebsrat seien zunächst unstreitig falsche Sozialdaten hinsichtlich der Unterhaltspflichten des Klägers mitgeteilt worden. Im Übrigen habe die Beklagte mit der Kündigungsabsichtserklärung vom 14.06.1999 nicht auf die Gegendarstellung des Klägers vom 25.05.1999 zur Abmahnung vom 04.05.1999 hingewiesen. Die Tatsache, dass dem Betriebsrat die Personalakte des Klägers zur Verfügung gestellt worden sei, genüge nicht den Anforderungen an eine umfassende Information des Betriebsrates über die Kündigungsgründe. Darüber hinaus lasse die Kündigungsabsichtserklärung nicht den Schluss zu, dass dem Kläger vorgeworfen werden solle, seine Arbeitsleistung bewusst zurückgehalten zu haben. Schließlich gehe aus der Kündigungsabsichtserklärung vom 14.06.1999 nicht hervor, dass die Beklagte überhaupt eine Interessenabwägung vorgenommen habe.
Auch dem Weiterbeschäftigungsbegehren müsse stattgegeben werden. Überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers habe die Beklagte nicht vorgetragen.

Gegen das der Beklagten am 15.03.2000 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 12.04.2000 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 12.05.2000 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe den Kündigungssachverhalt unzutreffend gewürdigt. Es seien nämlich auch nach Ausspruch der Abmahnungen vom 04.05.1999 und 31.05.1999 zahlreiche weitere Fehlleistungen des Klägers vorgetragen, die zwar in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils erwähnt, jedoch keiner rechtlichen Würdigung unterzogen worden seien. Der Umstand, dass der Kläger beispielsweise am 02.06.1999 gleich 42 Schienenabdeckungen "vergessen" habe, deute darauf hin, dass er bewusst die Schienenabdeckungen nicht montiert habe. Trotz der dem Kläger erteilten Abmahnungen und der mit ihm geführten Gespräche habe der Kläger seine Schlechtleistungen fortgesetzt. In diesem Zusammenhang müsse die Äußerung des Klägers gesehen werden, in der er ausführt, die Beklagte erwarte doch wohl nicht eine Besserung seiner Arbeitsleistung. Auch diese Äußerung sei ein gewichtiges Indiz dafür, dass der Kläger es darauf angelegt habe, den Produktionsablauf zu behindern. Der Kläger habe eindeutig zu erkennen gegeben, dass er nicht gewillt sei, seine Einstellung zur Arbeit zu überdenken und sich künftig zumindest zu bemühen, fehlerfrei zu arbeiten.
Dem Arbeitsgericht könne auch nicht darin gefolgt werden, zwischen den Parteien sei unstreitig, dass die Handräder mit einem Werkzeug ohne Anschlagpunkt befestigt und demnach nach Gefühl montiert würde . Erstinstanzlich sei bereits ausgeführt worden, dass ein Klemmring in eine entsprechende Vertiefung einzulegen sei, wodurch der Anschlagpunkt vorbestimmt sei. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass das ihm zur Verfügung gestellte Werkzeug abgenutzt sei. Aufgrund der zahllosen Fehlleistungen würde dies bedeuten, dass der Kläger nahezu ständig mit fehlerhaftem Arbeitsmaterial gearbeitet habe. Dies sei jedoch unzutreffend. In technischer Hinsicht sei das Werkzeug voll einsetzbar gewesen.

Es könne sich auch nicht um bloße Zufälle gehandelt haben, wenn der Kläger immer dann, wenn er beobachtet worden sei, keine Fehlleistungen erbracht habe. Die Arbeitsleistung des Klägers sei auch Anfang April 1999, als er Urlaub beantragt habe, nicht zu beanstanden gewesen. Unzutreffend sei auch der vom Kläger geäußerte Verdacht, die in der Endkontrolle beschäftigte Frau Sommer würde dem Kläger Fehler unterschieben. Schließlich sei auch dargelegt und unter Beweis gestellt worden, dass ein Arbeitskollege des Klägers, Herr Gauer, den Kläger dabei beobachtet habe, wie dieser es des Öfteren unterlassen habe, Schienenabdeckungen zu befestigen und die von ihm montierten Handräder nach der Montage darauf zu überprüfen, ob diese richtig sitzen. Insgesamt sei festzuhalten, dass das Arbeitsgericht die vorgetragenen Indizien, die für eine vorsätzliche Fehlleistung des Klägers sprächen, nicht hinreichend gewürdigt habe.

Die Kündigung sei auch nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrates unwirksam. Zunächst seien dem Betriebsrat falsche Sozialdaten hinsichtlich der Unterhaltspflichten des Klägers mitgeteilt worden. Es sei anerkannt, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat nur die ihm bekannten Daten zur Person des zu kündigenden Mitarbeiters mitteilen müsse. Im Übrigen seien dem Betriebsratsvorsitzenden, u.a. aus den vorhergehenden Anhörungs- und Kündigungsschutzverfahren, die persönlichen Verhältnisse des Klägers bekannt gewesen.

Unzutreffend sei auch, dass die Beklagte den Betriebsrat nicht auf die Gegendarstellung des Klägers zur Abmahnung vom 04 5.1999 hingewiesen. Dem Betriebsrat seien anlässlich der Unterrichtung durch F au Sonst sowohl sämtliche Abmahnungen wie auch die besagte Gegendarstellung ausgehändigt worden. Darüber hinaus sei es bei der Beklagten übliche Praxis, Durchschriften von Abmahnungen und Gegendarstellungen direkt an den Betriebsrat weiterzugeben. Dem Betriebsrat seien bereits im Vorfeld beide Abmahnungen sowie die Gegendarstellung des Klägers ausgehändigt worden. Dies bedeute, dass der Betriebsrat ohne weiteres in der Lage gewesen sei, diese Gesichtspunkte in seine Entscheidungsfindung mit einzubeziehen.
Der Betriebsrat sei auch über den Kündigungsgrund ordnungsgemäß unterrichtet worden. Soweit das Arbeitsgericht davon ausgehe, die Beklagte habe den Betriebsrat nicht über den wahren Kündigungsgrund, vorsätzliche Zurückhaltung mit seiner Arbeitsleistung, unterrichtet, sei dies unzutreffend. Der Arbeitgeber sei insoweit lediglich verpflichtet, dem Betriebsrat die Vorfälle genau zu bezeichnen, die die Kündigung rechtfertigen sollten. Der Arbeitgeber sei jedoch nicht gehalten, dem Betriebsrat eine vorgefertigte Meinung bzw. Wertung zukommen zu lassen. Bereits die schriftliche Kündigungsabsichtserklärung vom 14.06.1999 lasse die Schlussfolgerung zu, der Kläger habe vorsätzlich eine fehlerhafte Arbeitsleistung erbracht. Hierauf sei im Übrigen auch während der mündlichen Unterrichtung hingewiesen worden. Dies gelte auch für die vom Arbeitsgericht monierte Interessenabwägung. Auch insoweit habe Frau Sonst während der Unterrichtung des Betriebsrates im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen die Beklagte davon ausgehe, dass die Interessen der Beklagten an einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses denen des Klägers an, einer Weiterbeschäftigung überwiegen würden.

Schließlich könne auch die Argumentation des Arbeitsgerichts im Hinblick auf den geltend gemachten Weiterbeschäftigungsanspruch nicht überzeugen.

 

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 03.11.1999 - 5 (3) Ca 1533/99 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Der Kläger, der aufgrund des erstinstanzlichen Urteils seit dem 29.11.1999 unstreitig wieder weiterbeschäftigt worden ist und seit dem 11.01.2000 ohne Beanstandungen an einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt wird, verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist insbesondere der Auffassung, die Beklagte könne ihm keine absichtliche, vorsätzliche Schlechtleistung vorwerfen. Schuldhaftes Verhalten könne die Beklagte dem Kläger nicht nachweisen. Erstinstanzlich sei bereits dargelegt, dass es an dem Arbeitsplatz des Klägers in der Handradmontage keine objektiven Möglichkeit gebe, etwaige Montagefehler festzustellen, weil es für die Befestigung des Handrades nach eigener Darstellung der Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 07.06.1999 in der Tat so sei, dass der das Handrad sichernde Klemmring manuell wieder gelockert werden könne. Jedenfalls hänge es von der subjektiven Beurteilung des Prüfers ab, ob er die Montage als ordnungsgemäß oder nicht ordnungsgemäß ansehe und beanstande. Erstinstanzlich sei auch dargelegt worden, dass eine der Prüferinnen, Frau Sommer, dem Kläger nicht freundlich gesonnen gewesen sei. Hierzu behauptet der Kläger erneut, Frau Sommer habe ihn gleich bei seiner Arbeitsaufnahme am 26.03.1999 als "Wichser" und am 29.03.1999 als "Schwuchtel" und "Saboteur" beschimpft. Anderen Prüfern, beispielsweise Herrn Brodowski, seien trotz mehrfacher Beobachtungen des Klägers keine Montagefehler aufgefallen. Fehler des Klägers seien immer nur dann moniert worden, wenn der Kläger sich nicht habe entlasten können. Die Beklagte könne sich in der Berufungsinstanz auch nicht auf fehlende oder gar "zerkratzte" Handräder berufen. Wer die Handräder zerkratzt habe, werde nicht vorgetragen. Im Übrigen habe die Beklagte selbst am 07.06.1999 eingeräumt, dass der zur Befestigung des Handrades vorgesehene Klemmring keineswegs so fest sitze, dass er nur mit Gewalt oder mit einem Werkzeug entfernt werden könne. Vielmehr sei es richtig, dass der Klemmring manuell wieder gelockert werden könne. Ähnliches gelte für die Schienenabdeckungen. Bei deren Montage handele es sich um eine sehr leichte Tätigkeit, die Schienenabdeckungen würden mit einem Fingerdruck angebracht. Genauso leicht könnten sie aber auch wieder entfernt werden.
Im Übrigen bezieht sich der Kläger weitergehend auf seinen erstinstanzlichen Sachvortrag.

Der Kläger ist ferner der Auffassung, die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 14.06.1999 scheitere auch an der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates. Die erstinstanzlich vorgebrachten formellen Rügen würden aufrechterhalten.

Es liege schon keine wirksame Zustimmung des Betriebsrates nach § 103 BetrVG vor. Der Zustimmungsbeschluss vom 14.06.1999 sei schon deshalb unwirksam, weil zu der Betriebsratssitzung vom 14.06.1999 nicht ordnungsgemäß eingeladen worden sei. Ein Tagesordnungspunkt "Zustimmungsverfahren zur außerordentlichen Kündigung des Klägers" liege nicht vor. Der Tagesordnungspunkt 7. enthalte keinen Hinweis darauf, dass es sich nicht nur um ein Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG zur fristlosen Kündigung eines Belegschaftsangehörigen handeln sollte, sondern um ein Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG zur fristlosen Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes. Damit sei § 29 Abs. 2 Satz 2 BetrVG als wesentliche und unverzichtbare Verfahrensvorschrift verletzt. Dies sei auch der Personalleiterin Frau Sonst erkennbar gewesen, als ihr noch am gleichen Tage die Stellungnahme des Betriebsrates übermittelt worden sei. Frau Sonst habe gewusst, dass der Betriebsratsvorsitzende gar nicht die Betriebsratsmitglieder ordnungsgemäß unter Mitteilung der Tagesordnungspunkte zu der fristlosen Kündigung des Klägers habe einladen können.

Darüber hinaus sei der Betriebsrat auch unzutreffend über den Familienstand und über den Kündigungsgrund unterrichtet worden. Unter Familienstand sei dem Betriebsrat "n. v." mitgeteilt worden. Ein Hinweis auf die Unterhaltspflichten des Klägers gegenüber seinen beiden Kindern finde sich nicht. Aus den vorangegangenen Kündigungsschreiben sei die Beklagte hingegen über den wahren Familienstand des Klägers unterrichtet worden. Dies ergäbe sich mindestens aus dem unstreitigen Tatbestand des Urteils des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22.07.1998 - 3 Sa 766/98 -. Mit dem Betriebsratsvorsitzenden habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt über seine Unterhaltspflichten gesprochen.

Darüber hinaus habe die Beklagte in der Kündigungsabsichtserklärung zwar auf die dem Kläger erteilten Abmahnung vom 04.05.1999 und 31.05.1999 Bezug genommen, die ebenso ausführliche Gegendarstellung des Klägers vom 25.05.1999 habe die Beklagte aber bewusst verschwiegen. In diesem Zusammenhang könne die Beklagte sich auch nicht darauf berufen, dem Betriebsrat die komplette Personalakte des Klägers übergeben zu haben, in der sich auch seine Gegendarstellung vom 25.05.1999 befunden habe. Dies bestreite der Kläger mit Nichtwissen. Im Übrigen sei ein solches Vorgehen zur ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung unzureichend. Unzureichend sei es auch, wenn bereits im Vorfeld - was ebenfalls mit Nichtwissen bestritten werde - grundsätzlich Abmahnungen und Gegendarstellungen an den Betriebsrat weitergeleitet würden. Eine derartige Praxis sei dem Kläger als Betriebsratsmitglied jedenfalls nicht bekannt. Im Übrigen sei in der Kündigungsabsichtserklärung auf die Gegendarstellung des Klägers vom 25.05.1999 gerade nicht Bezug genommen worden.

Erstinstanzlich sei auch bereits darauf hingewiesen worden, dass der angebliche Zustimmungsbeschluss des Betriebsrates vom 14.06.1999 selbst unzureichend sei. Der Erklärungsinhalt der Stellungnahme des Betriebsrates bleibe dunkel, stelle jedenfalls keine ausdrückliche Zustimmung, die nach § 103 BetrVG vorliegen müsse, dar.

Schließlich habe das Arbeitsgericht auch dem Weiterbeschäftigungsantrag zu Recht stattgegeben. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang gemachten Äußerungen seien von seinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt und könnten keine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im Betrieb der Beklagten bedingen.

Die Berufungskammer hat die Akten der Vorprozesse 2 Ca 2493/97 ArbG Bochum = 3 Sa 290/98 LAG Hamm, 2 Ca 3323/97 ArbG Bochum = 3 Sa 766/98 LAG Hamm sowie 4 Ca 1489/98 ArbG Bochum = 3 Sa 333/99 LAG Hamm informationshalber beigezogen. Auf den Inhalt dieser Akten wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat der nach § 4 KSchG zulässigen Feststellungsklage und dem Weiterbeschäftigungsbegehren des Klägers zu Recht stattgegeben.

I. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 14.06.1999 nicht aufgelöst worden. Die Kündigung vom 14.06.1999 ist unwirksam und beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht.

Die Berufungskammer hat offen gelassen, ob für die außerordentliche Kündigung vom 14.06.1999 ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB i.V.m. § 15 Abs. 1 KSchG vorhanden gewesen ist. Die Kündigung der Beklagten vom 14.06.1999 ist nämlich bereits nach § 103 Abs. 1 BetrVG wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrates unwirksam. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat zuvor überhaupt beteiligt zu haben, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachkommt. Die vom Gesetz verlangte Anhörung ist mehr als die bloße Mitteilung über die bevorstehende Kündigung, wie sie in § 105 BetrVG vorgesehen ist. Die Einschaltung des Betriebsrates im Rahmen des Anhörungsverfahrens vor einer Kündigung hat über die reine Unterrichtung hinaus den Sinn, ihm Gelegenheit zu geben, seine Oberlegungen zu der Kündigungsabsicht aus der Sicht der Arbeitnehmervertretung zur Kenntnis zu bringen. Die Sanktion verfolgt den Zweck, den Arbeitgeber zu veranlassen, vor jeder Kündigung den Betriebsrat zu hören, will er nicht Gefahr laufen, dass die Kündigung von vornherein unwirksam ist. Die Anhörung soll in geeigneten Fällen dazu beitragen, dass es gar nicht erst zum Ausspruch einer Kündigung kommt (BAG, Urteil vom 02.11.1983 - AP Nr. 29 zu § 102 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 16.09.1993 - AP Nr. 62 zu § 102 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 22.09.1994 - AP Nr. 68 zu § 102 BetrVG 1972; KR-Etzel, § 102 BetrVG Rz. 106; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 7. Aufl. 1999, Rz. 267; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, Betriebsverfassungsgesetz, 20. Aufl. 2000, § 102 Rz. 25 m.z.w.N.).

Zur ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates bei einer beabsichtigten Kündigung nach § 102 BetrVG gehört es, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat neben den näheren Informationen über die Person des betroffenen Arbeitnehmers die Art und den Zeitpunkt sowie die Gründe für die beabsichtigte Kündigung mitteilt. Diese Gründe darf der Arbeitgeber dem Betriebsrat in der Regel aber nicht nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig bezeichnen. Vielmehr muss er den als maßgeblich erachteten Sachverhalt unter Angabe von Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, näher so beschreiben und die die Kündigung begründenden Umstände so genau und umfassend darlegen, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über seine Stellungnahme schlüssig zu werden (vgl. zuletzt: BAG, Urteil vom 13.11.1989 - AP Nr. 53 zu § 102 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 11.07.1991 - AP Nr. 57 zu § 102 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 22.09.1994 - AP Nr. 68 zu § 102 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 06.02.1997 - AP Nr. 85 zu § 102 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 17.02.2000 - AP Nr. 113 zu § 102 BetrVG 1972; KR-Etzel, § 102 BetrVG Rz. 62, 62a; Stahlhacke/Preis/Vossen, a.a.0., Rz. 259 ff., 268 m.w.N.).

Diese Grundsätze gelten nicht nur im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG. Auch im Zustimmungsverfahren beim Betriebsrat nach § 103 BetrVG haben bezüglich der Mitteilungspflichten des Arbeitgebers die gleichen Grundsätze wie beim Anhörungsverfahren Geltung. Das Zustimmungsverfahren nach § 103 Abs. 1 BetrVG steht nicht völlig selbständig neben § 102 BetrVG, sondern stellt eine qualifizierte Form des Anhörungsverfahrens dar. Auf das Zustimmungsverfahren sind demgemäss die für das Anhörungsverfahren geltenden Grundsätze entsprechend anzuwenden (BAG, Beschluss vom 18.08.1977 - AP Nr. 10 zu § 103 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 17.02.1994 - RzK II 2 Nr. 7; KR-Etzel, § 103 BetrVG Rz. 66; Kraft, GK-BetrVG, 6. Aufl. 1998, § 103 Rz. 32; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 7. Aufl. 2000, § 103 Rz. 29; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 9. Aufl. 2000, § 143 Rz. 13 m.w.N.). Auch im Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG führt eine unzureichende Unterrichtung des Betriebsrates demzufolge trotz etwaiger Zustimmung des Betriebsrates zur Unwirksamkeit der Kündigung (BAG, Urteil vom 05.02.1981 - AP Nr. 1 zu § 72 LPVG NW).

2. In Anwendung dieser Grundsätze ist der Betriebsrat zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers nicht ordnungsgemäß nach den §§ 103, 102 BetrVG angehört worden.
Dabei konnte die Berufungskammer offen lassen, ob der Betriebsrat ordnungsgemäß über den Familienstand und die Sozialdaten des Klägers unterrichtet worden ist, insbesondere ob die Beklagte dem Betriebsrat davon Mitteilung machen musste, dass der Kläger zwei Kindern unterhaltsverpflichtet ist (vgl. insoweit: BAG, Urteil vom 15.11.1995 - AP Nr. 73 zu § 102 BetrVG 1972; KR-Etzel, § 102: Rz. 58, 58a, 62a).
Insbesondere hinsichtlich der Kündigungsgründe ist der Betriebsrat nämlich unzureichend unterrichtet worden.

a) Die Beklagte stützt die außerordentliche Kündigung des Klägers vom 14.06.1999 im vorliegenden Verfahren ausdrücklich auf eine ständige absichtliche, vorsätzliche Schlechtleistung durch den Kläger. Über diesen Kündigungsgrund der absichtlichen Schlechtleistung ist der Betriebsrat jedoch am 14.06.1999 nicht unterrichtet worden. In der Kündigungsabsichtserklärung vom 14.06.1999 wird der Betriebsrat lediglich darüber informiert, dass dem Kläger "immer wieder gravierende Fehler" unterlaufen seien, "sein Arbeitsverhalten habe sich in keinster Weise gebessert, es seien bei ihm weiterhin gravierende Fehler aufgetreten, seine Fehlerquote sei nach wie vor enorm hoch, es gebe keine Verhaltensänderung seinerseits". Ein Hinweis darauf, dass der Kläger die behaupteten Fehler vorsätzlich und absichtlich produziert habe, geht aus der Kündigungsabsichtserklärung vom 14.06.1999 nicht mit genügender Deutlichkeit hervor. Auch soweit die Beklagte in der Kündigungsabsichtserklärung vom 14.06.1999 im fünften Absatz darauf hinweist, dass am 08.06.1999 in der Zeit, von 14.20 Uhr bis 17.00 Uhr ein anderer Mitarbeiter aus der Gegenschicht am Arbeitsplatz des Klägers eingesetzt gewesen sei und es in diesem Zeitraum keine losen Handräder gegeben habe, wohingegen es ab 17.00 Uhr, als der Kläger seine Arbeit an diesem Arbeitsplatz aufgenommen habe, es laufend lose Handräder gegeben habe, reicht dieser Vorfall nicht aus, um den Betriebsrat über den Kündigungsgrund der absichtlichen, vorsätzlichen Schlechtleistung zu unterrichten. Aus welchen Umständen die Beklagte herleitet, dass der Kläger am 08.06.1999 ab 17.00 Uhr vorsätzliche lose Handräder produziert hat, wird dem Betriebsrat nicht deutlich gemacht.
Auch der Hinweis der Beklagten im letzten Absatz der Kündigungsabsichtserklärung vom 14.06.1999 lässt keinen Schluss darauf zu, dass die Beklagte dem Kläger gerade vorsätzliche und absichtliche Schlechtleistung vorwirft. Der Hinweis der Beklagten im letzten Absatz der Kündigungsabsichtserklärung vom 14.06.1999 enthält eine bloße Wertung der Beklagten zu der Arbeitseinstellung des Klägers. Tatsachen, die den zwingenden Schluss darauf zulassen, dass als Kündigungsgrund lediglich absichtliche Schlechtleistung und damit bewusste Schädigung der Beklagten in Betracht kommt, sind in der Kündigungsabsichtserklärung vom 14.06.1999 nicht in ausreichender Weise enthalten. Die Kündigungsabsichtserklärung vom 14.06.1999 kann auch so verstanden werden, dass als Kündigungsgrund lediglich fahrlässige Schlechtleistung in Betracht kommt.

Soweit in der Berufungsbegründung der Beklagten behauptet worden ist, dass die Personalleiterin Frau Sonst auch während ihrer mündlichen Unterrichtung des Betriebsrates darauf hingewiesen habe, dass die Beklagte davon ausgehe, der Kläger habe bewusst eine schlechte Arbeitsleistung erbracht, kann auch dieser Hinweis eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrates über den von der Beklagten angenommenen Kündigungsgrund der bewussten, absichtlichen Schlechtleistung nicht rechtfertigen. Über welche Tatsachen der Betriebsrat während der mündlichen Information durch die Personalleiterin Frau Sonst unterrichtet worden ist, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Insbesondere ist nicht dargelegt worden, über welche Tatsachen, die den Schluss auf eine absichtliche, vorsätzliche Schlechtleistung durch den Kläger schließen lassen, der Betriebsrat anlässlich der Sitzung vom 14.06.1999 unterrichtet worden ist.
Selbst wenn der Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung so zu verstehen sein sollte, dass die Personalleiterin Frau Sonst während der Betriebsratssitzung den Betriebsrat darüber unterrichtet habe, der Kläger habe bewusst schlechte Arbeitsleistungen erbracht, ist dieser Hinweis für eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrates unzureichend. Die pauschale Angabe von Kündigungsgründen oder die Angabe eines Werturteiles allein genügen eben nicht. Unzureichend sind insoweit insbesondere Angaben wie "Arbeitsverweigerung" oder ungenügende Arbeitsleistungen". Auch "bewusste Schlechtleistung" kann als ausreichende Unterrichtung des Betriebsrates nicht angesehen werden.

b) In jedem Fall ergibt sich die unzureichende Unterrichtung des Betriebsrates über die Kündigungsgründe daraus, dass in der Kündigungsabsichtserklärung vom 14.06.1999 zwar auf die Abmahnungen vom 04.05.1999 und 31.05.1999 hingewiesen worden ist, nicht aber auf die vom Kläger eingereichte Gegendarstellung vom 25.05.1999. Auch hierauf hat das Arbeitsgericht bereits in dem angefochtenen Urteil mit zutreffender Begründung hingewiesen.

Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass zur ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates bei einer Kündigungsmaßnahme in der Regel nicht nur die Information über eine erteilte Abmahnung gehört, sondern auch über eine bereits vorliegende Gegendarstellung des Arbeitnehmers. Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gebietet es, dem Betriebsrat mit einer solchen Gegendarstellung auch Umstände mitzuteilen, die gegen den Ausspruch einer Kündigung sprechen. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass der Betriebsrat bei vollständiger Kenntnis der Umstände, die die Kündigung begründen sollen, möglicherweise zu einer anderen Beschlussfassung gekommen wäre (BAG, Urteil vom 31.08.1989 - AP Nr. 1 zu § 77 LPVG Schleswig-Holstein; BAG, Urteil vom 17.02.1994 - RzK 112 Nr. 7; vgl. auch: BAG, Urteil vom 06.02.1997 - AP Nr. 85 zu § 102 BetrVG 1972; KR-Etzel, § 102 BetrVG Rz. 62, 64; Däubler/Kittner/Klebe, a.a.0., § 102 Rz. 88; Rinke, NZA 1998, 77, 83; Kutzki, ZTR 1999, 491, 493; Hanau/Kania, ErfK, § 102 BetrVG Rz. 9 m.w.N.).

In der Kündigungsabsichtserklärung vom 14.06.1999 hat die Beklagte zwar auf die dem Kläger erteilten Abmahnungen vom 04.05.1999 und 31.05.1999 hingewiesen. Ein Hinweis auf die der Beklagten bereits vorliegende Gegendarstellung des Klägers vom 25.05.1999 zu der ersten Abmahnung vom 04.05.1999 ist gegenüber dem Betriebsrat jedoch unterblieben. Dies führt zu der Annahme der nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung des Betriebsrates und damit zur Unwirksamkeit der Kündigung vom 14.06.1999.

Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass der Betriebsrat durch die Überlassung der Personalakte des Klägers, in der sich u. a. auch die Gegendarstellung des Klägers vom 25.05.1999 befunden habe, unterrichtet gewesen sei, führt auch dieser Hinweis nicht dazu, dass von einer ordnungsgemäßen Unterrichtung des Betriebsrates ausgegangen werden könnte. Bereits das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte mit der Überlassung der Personalakte des Klägers nicht den Anforderungen an eine umfassende Information des Betriebsrates über die Kündigungsgründe genügt hat. Der Arbeitgeber hat nämlich die die Kündigung begründenden Umstände so genau und umfassend darzulegen, dass der Betriebsrat, ohne zusätzlich eigene Nachforschungen anstellen zu müssen, in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über seine Stellungnahme schlüssig zu werden. Der Betriebsrat soll sich nicht die Kündigungsgründe und auch nicht die den Arbeitnehmer entlastenden Umstände aus den ihm vom Arbeitgeber überlassenen Informationen selbst heraussuchen müssen. Ohne ausdrücklichen Hinweis durch den Arbeitgeber auf eine etwaige Gegendarstellung kann der Betriebsrat auch bei Übergabe der kompletten Personalakten nicht erkennen, ob sich etwa in den Personalakten eine Gegendarstellung zu etwaigen Abmahnungen befindet.
Auch aus dem sog. Grundsatz der subjektiven Determinierung, wonach der Arbeitgeber dem Betriebsrat nur diejenigen Kündigungsgründe mitzuteilen braucht, auf die er aus seiner Sicht die Kündigung stützen will (BAG, Urteil vom 08.09.1988 - AP Nr. 49 zu § 102 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 11.07.1991 - AP Nr. 57 zu § 102 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 22.09.1994 - AP Nr. 68 zu § 102 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 17.02.2000 - AP Nr. 113 zu § 102 BetrVG 1972), kann nicht hergeleitet werden, dass die Unterrichtung des Betriebsrates über die Gegendarstellung des Klägers vom 25.05.1999 hätte unterbleiben können. Auch wenn angenommen wird, dass die Beklagte nicht verpflichtet gewesen ist, den Betriebsrat über die Einwendungen des Klägers gegen die Abmahnung vom 04.05.1999 im Einzelnen zu unterrichten, weil sie diese Einwendungen als unzutreffend angesehen hat und hierauf die Kündigung nicht stützen wollte, steht jedoch unstreitig fest, dass der Kläger mit der Gegendarstellung vom 25.05.1999 Einwendungen erhoben hat, die er auch zum Gegenstand des vorliegenden Kündigungsschutzprozesses gemacht hat. Über diese Einwendungen, die die Beklagte zwar mit Schreiben vom 07.06.1999 zurückgewiesen hat, wurde der Betriebsrat jedoch nicht unterrichtet. Insbesondere hat die Beklagte den Betriebsrat auch nicht darauf hingewiesen, dass der Kläger überhaupt gegen die Abmahnung vom 04.05.1999 Einwendungen erhoben hat. Wenn die Beklagte zur ordnungsgemäßen Unterrichtung des Betriebsrates in der Kündigungsabsichtserklärung vom 14.06.1999 schon in zulässiger Weise auf die dem Kläger erteilten Abmahnungen vom 04.05.1999 und 31.05.1999 Bezug genommen hat, hätte es mindestens für eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrates der Bezugnahme auf die Gegendarstellung des Klägers vom 25.05.1999 bedurft (vgl. BAG, Urteil vom 06.02.1997 - AP Nr. 85 zu § 102 BetrVG 1972).
Aus den gleichen Gründen ist auch der Hinweis der Beklagten darauf, dass es bei der Beklagten übliche Praxis sei, Durchschriften von Abmahnungen und Gegendarstellungen direkt an den Betriebsrat weiterzuleiten, unbeachtlich. Es hätte zur ordnungsgemäßen Unterrichtung des Betriebsrates mindestens des Hinweises der Beklagten auf die Gegendarstellung vom 25.05.1999 in der Kündigungsabsichtserklärung vom 14.06.1999 bedurft. Daran fehlt es.

Nach alledem erweist sich die außerordentliche Kündigung vom 14.06.1999 bereits wegen unzureichender Unterrichtung des Betriebsrates als unwirksam. Darauf, ob mangels ordnungsgemäßer Ladung der Betriebsratsmitglieder ein wirksamer Zustimmungsbeschluss des Betriebsrates vom 14.06.199 vorlag, ob der Zustimmungsbeschluss vom 14.06.1999 klar und bestimmt genug ist und ob dem Kündigungsschreiben vom 14.06.1999 der Zustimmungsbeschluss des Betriebsrates im Original beigefügt werden musste, kam es nicht mehr an.

 

II. Das Arbeitsgericht hat auch mit zutreffender Begründung dem Weiterbeschäftigungsbegehren des Klägers stattgegeben.

Der Beschäftigungsanspruch des Klägers ist abzuleiten aus den §§ 611, 613, 242 BGB, Art. 1 und 2 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 27.02.1985 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) hat der gekündigte Arbeitnehmer einen allgemeinen Beschäftigungsanspruch außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung mindestens dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. Ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers ist nur bis zur Entscheidung der ersten Instanz im Kündigungsschutzprozess anzuerkennen. Diese Interessenlage ändert sich dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. In diesem Fall kann die Ungewissheit über den endgültigen Prozessausgang für sich allein ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr begründen. Will der Arbeitgeber auch für diesen Fall die Beschäftigung verweigern, so muss er zusätzliche Umstände anführen, aus denen sich sein überwiegendes Interesse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers ergibt.

Derartige Gründe hat die Beklagte weder in erster Instanz noch im Berufungsrechtszug vorgetragen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht trotz der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 14.06.1999 fort. Gründe, die ein überwiegendes Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers begründen könnten, liegen - wie bereits zutreffend das Arbeitsgericht ausgeführt hat -nicht vor, nachdem die Beklagte in zwei Instanzen im Kündigungsrechtsstreit über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 14.06.1999 gescheitert ist.

Die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers für die Beklagte ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger der Beklagten in der Klageschrift unter Hinweis auf die vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren ein kollusives Zusammenwirken zwischen der Beklagten und der Mehrheit des Betriebsrates vorhält. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist dieser Vorwurf durch konkrete Tatsachen belegbar und durch das Recht des Klägers auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG und durch sein Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG gedeckt. Unstreitig ist nämlich, dass sich der Betriebsrat und die Beklagte in einem Beschlussverfahren, das die Untersagung der Betriebsratstätigkeit durch den Kläger zum Gegenstand hatte (2 BVGa 10/97 ArbG Bochum = 3 TaBV 70/97 LAG Hamm), sich desselben Prozessbevollmächtigten, eines angestellten Assessors eines Arbeitgeberverbandes, bedient haben. Der Arbeitgeberverband ist aber satzungsmäßig nicht berechtigt, den Betriebsrat einer Mitgliedsfirma zu vertreten. Hinzu kommt, dass auch im vorliegenden Kündigungsschutzverfahren anlässlich der Betriebsratssitzung vom 14.06.1999 als Tagesordnungspunkt 7. eine fristlose Kündigung" zu einem Zeitpunkt vorgesehen gewesen ist, als offiziell noch gar kein Zustimmungsantrag der Beklagten gestellt worden war und auch kein anderweitiges Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG anstand. Bereits diese Umstände lassen das Vorbringen des Klägers in der Klageschrift weder als unsachlich noch als überzogen erscheinen. Grundsätzlich darf nämlich eine Partei nicht gehindert werden, im Prozess diejenigen Behauptungen aufzustellen und Werturteile abzugeben, die sie zur Wahrnehmung ihrer prozessualen Stellung für zweckmäßig und notwendig erachtet. Unter den gegebenen Umständen des vorliegenden Falles und der vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren scheint die Kritik des Klägers bzw. seines Prozessbevollmächtigten am Verhalten des Betriebsrates und des Arbeitgebers nicht überzogen, sie geht über die Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht hinaus. Äußerungen eines Arbeitnehmers, die von seinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sind und in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgen, können aber, wie der Kläger zu Recht ausführt, niemals eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im Betrieb des Arbeitgebers bedingen.

 

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert, § 25 GKG.

Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

 

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist für die klagende Partei ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Gegen dieses Urteil ist für die beklagte Partei mangels ausdrücklicher Zulassung die Revision nicht statthaft, § 72 Abs. 1 ArbGG. Wegen der Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde beim Bundesarbeitsgericht (Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt) anzufechten, wird die beklagte Partei auf die Anforderungen des § 72 a ArbGG verwiesen.

gez. Schierbaum
Seppelfricke
Seuster


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