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Hier ein aktuelles Interview mit Ali Riza Kücükosmanoglu, dem Vorsitzenden der vom Verbot bedrohten Transportarbeitergewerkschaft aus Istanbul

Warum wird Ihre Gewerkschaft vom türkischen Staat verfolgt?

Der türkischen Transportarbeitergewerkschaft Disk/Naklyat-Is droht das Verbot bedroht, weil sie in ihren Räumen die Angehörigen von hungerstreikenden Gefangenen behergte. Ali Riza Kücükosmanoglu (A.K.) ist der Vorsitzende der Istanbuler Gewerkschaftssektion von Disk/Naklyat-Is.

1. Frage: Welche Rolle spielt die Transportarbeitergewerkschaft in der Türkei?

A.K.: Es gibt in der Türkei drei Gewerkschaftsverbände, eine sozialdemokratische, eine linksunabhängige und eine islamisch orientierte. Wir sind Teil der Disk und haben mehr ca. 10000 Transportarbeiter organisiert. Unsere Schwerpunkte sind die grossen Städte Istanbul, Ankara, Izmir und Bursa. 1975 wurde unsere Gewerkschaft das erste Mal gegründet und wie alle Arbeiterorganisationen 1980 nach dem Militärputsch verboten. 1992 wurde unsere Organisation wiedergegründet.

2.Frage: Zur Zeit droht Euch ein staatliches Verbot. Warum?

A.K.: Parallel zum Hungerstreik und Todesfasten der politischen Gefangenen sind Angehörige außerhalb des Gefängnis ebenfalls in den Hungerstreik getreten. In Izmir fand die Aktion zunächst in den Räumen eines Kulturvereins statt. Nachdem sie von der Polizei geschlossen worden war, stellte die Transportarbeitergewerkschaft den Angehörigen ihre Räume für den Hungerstreik zur Verfügung. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft gegen uns ein Verfahren wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung eingeleitet, dass das Verbot unserer Organisation zur Folge haben könnte.

3.Frage: Warum unterstützt ihre Gewerkschaft den Widerstand der Gefangenen?

A.K.: Wir haben uns immer als revolutionäre Gewerkschaft verstanden, die sich über die unmittelbare Verteidigung der Interessen unserer Mitglieder für eine grundlegende Gesellschaftsveränderung einsetzt. Wir kämpfen auch gegen Weltbank und IWF, weil die eine Politik betreiben, die die Arbeiterklasse weltweit schwächt. Auf Grund unseres Kampfes waren wir schon in der Vergangenheit Repressionen ausgesetzt. Auch die Gefangenen stehen für eine Politik, die sich gegen die Allmacht des Kapitalismus wendet. Von daher war klar, dass wir solidarisch mit ihren Gefangenenwiderstand sind.

Die Disk hat in ihren oberen Etagen den Kampf gegen die F-Typ-Zellen beschlossen. Wir als Transportarbeitergewerkschaft haben eine Plattform gegen Isolationshaft gegründet und in der Vergangenheit Pressekonferenzen, Besuche bei den zuständigen Ministerien, Kundgebungen und Demonstrationen gegen die Einführung der F-Typ-Zellen organisiert. Doch unsere Proteste waren nicht ausreichend, so dass die Gefangenen ihre Gesundheit und ihr Leben opfern, um nicht isoliert zu werden. Es ist aber nicht nur ein Kampf der Gefangenen sondern aller vom Imperialismus und dem türkischen Staat ausgebeuteten Gesellschaftsschichten.

4.Frage: Was könnt ihr als Gewerkschaft gegen das drohende Verbot unternehmen?

A.K.: Die Unterstützung der übrigen Gewerkschaften ist gering. Nur die Gewerkschaft der Gefängniswärter, die sich gegen die Mißhandlungen der politischen Gefangenen wandte, hat eine ähnliche Repression erlebt. Auch hier war die Unterstützung sehr gering. Das ist verständlich, denn der Staat hat mit dem Sturm auf die Gefängnisse auch bei den linken Organisationen draussen Angst und Schrecken verbreitet. Erst wenn die Solidarität mit den Gefangenen wieder zunimmt, können wir auch mit mehr Unterstützung rechnen. Das wird auch von der weiteren Entwicklung in den Gefängnissen abhängen. Denn nicht wir sondern die Gefangenen stehen an vorderster Front des Kampfes und brauchen die volle Solidarität.

5.Frage: Wie steht es mit der internationalen Solidarität?

A.K. :Natürlich wäre eine internationale Solidarität sehr begrüßenswert. Aber wir konnten uns bisher noch nicht um internationale Kontakte kümmern. In der Zeit unseres Bestehens waren wir so sehr mit den täglichen Angriffen des Staates, sei es auf sozialen Gebiet oder auf dem der demokratischen Rechte, beschäftigt, dass wir den Ausbau der internationalen Kontakte vernachlässigt haben. Wir haben mittlerweile einen Aufnahmeantrag in die Internationale Transportarbeiterförderation gestellt. Doch da sind noch einige Formalien zu erledigen, bis wir dort aufgenommen werden können.

6. Frage: Anders als Menschenrechtsorganisationen kann eine Gewerkschaft streiken. Steht Euch dieses Kampfmittel nicht zur Verfügung?

A.K.: Das System es verstanden hat, die Arbeiterklasse zu spalten oder zu entpolitisieren. Von unserem Berufszweig, den Transportarbeitern, sind gerade mal 1% in unserer Gewerkschaft organisiert. Außerdem sind die Arbeiter des öffentlichen Nahverkehrs nicht Mitglied unserer Gewerkschaft sondern der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes. Wir organisieren hauptsächlich Spediteure und Logistikarbeiter. Da wäre ein Streik kaum wirkungsvoll.

Interview: Peter Nowak


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