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Novelle des Arbeiterstatuts

Das italienische Kabinett will vom Parlament die Ermächtigung beantragen, eine Revision des seit 1970 geltenden Arbeiterstatuts ohne Abänderungen per Dekret in geltendes Recht zu verwandeln. Im Artikel 18 des Statuts ist bislang die Wiedereinstellungspflicht für gekündigte Lohnabhängige festgelegt. Unternehmen oberhalb der Schwelle von 15 Beschäftigten sind dazu verpflichtet, Gekündigte wieder einzustellen, sobald ein Gericht den Kündigungsgrund als "nicht gerechtfertigt" ansieht. Bei der Reform des Artikels will Arbeitsminister Roberto Maroni nun den Vorhalt des "gerechtfertigten Kündigungsgrundes" streichen. Stattdessen sollen Arbeiter künftig lediglich eine Abfindung erhalten. Diese Aufweichung des Arbeiterstatuts soll allerdings probeweise für vier Jahre gelten und auf bestimmte Kategorien von Arbeitern, etwa auf Neueinstellungen, beschränkt bleiben. Die drei Dachverbände CGIL, CISL und UIL der italienischen Gewerkschaften brachen ihre Verhandlungen mit der Regierung über die Maßnahmen zur Renten- und Arbeitsmarktpolitik sofort ab und riefen für den 5. bis 7. Dezember zu einem auf zwei Stunden befristeten Generalstreik auf. Sergio Cofferati von der CGIL erklärte die Ausrufung des Streiks auch mit der Absicht der Berlusconiregierung, keine Mittel für Gehaltserhöhungen im Staatsdienst im neuen Haushaltsgesetz für 2002 bereitzustellen. Ein Termin für einen weiteren Generalstreik im öffentlichen Dienst steht bereits fest. Am 14. Dezember soll diesmal acht Stunden lang gestreikt werden. Minister Maroni hat unlängst ein Weißbuch vorgelegt, in dem die in der Sozialpolitik künftig einzuschlagende Linie vorgezeichnet wird. Demnach soll die sozialpartnerschaftliche Regelung des sozialen Konflikts durch die Führung eines sogenannten "sozialen Dialogs" ersetzt werden. Das heißt, über einzelne Entscheidungen zur Rentenreform oder zur Flexibilisierung des Arbeitsmarkts wird nicht mehr in einer konzertierten Aktion zwischen Regierung, Gewerkschaften und Unternehmerverband um jeden Preis verhandelt. Die Regierung wird sich darauf beschränken, die von den Interessengruppen vorgebrachten Einwände oder Vorschläge lediglich anzuhören und dann im Interesse des Gemeinwohls selbstherrlich handeln. Maronis "Libro Bianco" zählt mit der bestehenden Regelung der Arbeitsbeziehungen auch gleich die normativen Hindernisse auf, die einer Neuregelung der Arbeitsverhältnisse in Italien und damit einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Weg stünden. Mit geringer entlohnten Pausen intermittierende Stoßarbeit, "jobs on call" , mehr Zeit- und Leiharbeitsverhältnisse oder projektbezogene, individuell modifizierte Arbeitsverträge etc. brauche das Land ebenso wie eine regionale Diversifizierung der Lohnstruktur sowie die Abschaffung des kollektiven Branchen- oder Flächentarifvertrags, der durch Einzelabschlüsse in den jeweiligen Betrieben ersetzt werden soll. All diese Vorschläge, darunter auch geplante finanzpolitische Anreize und/oder Abzüge zur Erhöhung des Rentenalters und zur Förderung privater Rentenfonds, sind nicht nur Stoff für weitere Regierungsdekrete, sondern waren ebenfalls Gegenstand von Verhandlungen zwischen Regierung und Gewerkschaften. Wobei sich, wie schon bei den Maßnahmen in der Vergangenheit, die zur Erfüllung der Maastrichter Konvergenzenkriterien geführt haben, die drei großen Gewerkschaften, im Sinne eines nationalen Sozialpakts stets kooperativ gezeigt haben. Daß sie ausgerechnet jetzt in der Frage des Arbeiterstatuts nicht mehr mitspielen, wollen einige, wie FIAT- Eminenz Gianni Agnelli gar nicht recht verstehen. Ihm scheint die Frage des Kündigungsschutzes geradezu nachrangig und der Aufregung nicht wert. Vielen Arbeitern in den Betrieben ist das gewerkschaftliche Augenmerk auf den "Artikel 18" allerdings auch unverständlich. Sie wünschen sich schon lange eine Ausweitung des Konflikts auf alle anstehenden oder bereits praktizierten Deregulierungsmaßnahmen.

Egon Günther

Dieser Artikel ist (in ähnlicher Form) erschienen in Jungle world Nr. 50 vom 05. Dezember 2001


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