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Die Aldous Huxley Revival Serie Brave new world (25)

Das Jahr, in dem sich nichts veraendert hat

Nach dem 11.September ist nichts anders geworden.

Dass Menschen in Afghanistan zum Kolateralopfer erklaert werden, ist nun wahrlich nichts Neues. Das war noch nicht einmal 1999 in Jugoslawien neu, sondern ist so alt wie der Krieg selbst, egal unter welchem Firmenschild er gefuehrt wird.

Dass unsere Zivilisation exportiert werden soll: auch nicht. Das datiert spaetestens von 1492 und die Bilanz ist nicht nur moerderisch, sondern auch mit Figuren wie Osama bin Laden geschmueckt, dessen Reichtum aus dem West-Oelgeschaeft kommt.

Dass fruehere Verbuendete zu Feinden werden - keineswegs neu: in seiner modernen Variante wurde dies spaetestens mit der Bombardierung der Slums von Panama City eingefuehrt, wo sich der Ex-CIA Agent Noriega versteckt hatte, als er deswegen in Ungnade fiel, weswegen er aufgestiegen war, dem Drogenhandel.

Dass die Sprache der Herrschenden immer mehr dem Neusprech der schoenen neuen Welt gleicht, ist ein alter Prozess, der vielleicht in diesen Tagen einen neuen Schub erhalten hat. Herr Schroeder brachte es auf den Punkt: Am selben Tag, an dem er sich zum Krieger der Zivilisation aufschwang und Deutschland zur Wiederkehr als Grossmacht beglueckwuenschte, rief er dazu auf, mehr Autos zu kaufen. Dahingestellt sei, ob er dies selbst als Konkretisierung seiner Auffassung verstand, oder ob ihm die Verzerrung zur Kenntlichkeit Missgeschick war. Bleibt zur Entscheidung die Frage, wer die Goldmedaille im Wettbewerb der Perversitaeten gewinnt: Wer Hochhaeuser mit Flugzeugen bombardiert, oder wer Menschen im Krankenhaus als Kunden sieht. Moege jeder und jede fuer sich entscheiden.

Selbst, dass es sich die KritikerInnen des Krieges leicht machen, ist keine Neuigkeit. Wer einst, auf der grossen Bonner Friedensdemo, irgendjemanden fuer den gleichzeitig stattfindenden Krieg um die Malvineninseln interessieren wollte, stand auf verlorenem Posten. Und heute ist Bush Junior - nein, sind die Amis - boese, obwohl sie dort zu Dutzenden kritische Journalisten entlassen muessen, waehrend hierzulande ein Klaus Bednarz dringend einen dritten Mann zum Skat sucht. Waehrend mensch einem Aussenminister Powell wenigstens attestieren muss, er rede nicht um den heissen Brei herum, ist gerade darin der hiesige Antifabomber Fischer ein Meister. Alte Rituale allenorts.

Und waehrend hierzulande die proletarischen, kleinbuerglichen, mittelbuergerlichen, grossbuergerlichen und sonstigen Massen dem hemmungslosen Ritual des Kaufrausches verfallen sind, sterben in dem Land, das mehrere Religionen heilig nennen, taeglich Menschen. Was die meisten hierzulande so sehr interessiert, wie die Toten anderswo, von afrikanischen Kindern ueber lateinamerikanische Landlose zu chinesischen Wanderarbeitern: Gar nicht. Der Streit um eine Pipeline durch den Regenwald Ecuadors ist ja wirklich weit weg, nur das Oel kommt nahe - in unsere Tankstellen, weil sonst das Benzin zu teuer wird, wie die grosse Koalition aller Klassen stets jammert. Die Westdeutsche Landesbank ist halt nicht nur der Flugdienst fuer Landespolitiker.

Und auch, dass die Linke wegen des israelisch-palaestinensischen Dramas einen heftigen Stellungskrieg fuehrt, ueberrascht niemanden - das einzige, was sie je richtig konnte. Die einen schreien Hurra zum Krieg und muessen verzweifelt beweisen, dass dies keine Stellenbewerbung bei Fischer ist. Die anderen bezeichnen das Ergebnis der europaeischen Geschichte und deren konsequenten deutschen Endloesung - im modern geplanten und verwalteten, industriell organisierten Massenmord - als kolonialistischen Siedlerstaat, sind aber beleidigt, wenn mensch sie Antisemiten nennt.

Neues in Deutschland - schon gar nicht.

Dass Figuren wie der Richter Schill in der Arbeiterschaft mehr Anhaenger haben, als in anderen gesellschaftlichen Klassen, ist seit vielen Wahlen bekannt. Dass sein Geistesbruder Anwalt Schily ueberall populaer ist, selbst in Bayern, zumindest seit Jahren. Dass sie alle gemeinsam Wahlkampf gegen Zuwanderung machen wollen, mag eine Verschiebung sein, die nach der Wahl eines Spezialkochs fuer verfeinerte braune Saucen eingetreten ist, aber auch das hatte ja das daenische Wettrennen "wer ist rassistischer" schon klar gemacht. Wo einst Haider war und Aznar nicht beachtet wurde, sind heute noch Berlusconi und Rasmussen dazugekommen: die EU Demokraten. Da koennen Pomaden-Tony und VW-Gerhard wieder wahrheitsgetreu als Uebel fuer sich Werbung machen, das kleinere, behaupten sie.

Dass ausgerechnet der Spiegel fragt, ob deutsche Schueler doof seien, ist nun einerseits die uralte Taktik des Diebes. Und Harald Junke kommt ins Heim, waehrend all jene, die Saetze brabbeln wie "passgenaue Ausbildung" frei herumlaufen. Andrerseits: das Geschaeftspotenzial der Verbildung ist halt von ein paar Absahnern und windigen Umschulungsakademien - aus schwarzem oder orangenem Filz - noch laengst nicht ausgeschoepft.

Und wen, ausser vielleicht besonders treudoofe Parteisoldaten, kann es noch ueberraschen, dass Bundes- und NRW-Landesregierung vorneweg gehen bei der Umwandlung der Gesellschaft zum Profitcenter ? Welcher Abbau jeweils von den unkritischsten MedienmacherInnen der westlichen Welt zum Thema Nummer 1 gemacht wird, mag wechseln - ansonsten ist es seit 1974 daselbe, immer weiter. Aehnlich wie die Lebensmittelindustrie, die inzwischen die ganze Flora und Fauna durchskandaliert hat und jetzt wieder von vorne anfaengt: Schweinefleisch wird der Skandal genannt, der eigentlich Kapitalismus heisst.

Fuer Randgruppen vielleicht noch interessant: neu soll seit diesem Jahr die groesste Gewerkschaft der Welt sein. Nein, nicht die IG Metall, die ist nur die groesste arbeitsfaehige Gewerkschaft der Welt, wie eh und je. Aber der Streit um ver.dis Erkennungsmelodie war umsonst: weder wurde es der Triumphmarsch noch der Gefangenenchor. "Wie eiskalt ist dies Haendchen" ist nun mal nicht von Verdis Sepp. Aber auch nicht neu, sondern so alt wie jede Intensivstation.

Helmut Weiss


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