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Vielfältige Teilnehmer ohne konkrete Alternativen

Gaby Weber

Am Wochenende platzte die Katholische Universität aus ihren Nähten, lange Schlangen, vor den Toiletten und Kantinen. Seit Freitag diskutieren über 50.000 Globalisierungsgegner Alternativen zur herrschenden Wirtschaftsordnung. Und das ist wohl das Entscheidende an dem Gipfel, daß zehntausende sich auf den Weg gemacht haben, viel Geld für Flugticket und Unterkunft ausgegeben haben, nicht um – wie die rechte Presse unterstellt – Randale zu machen sondern nach neuen Lösungen und neuen Bündnispartnern zu suchen. Denn wirkliche Alternativen wurden bisher nicht entwickelt, dafür ist es wohl noch zu früh. Es geht um die Kritik am Neoliberalismus, der breite Bevölkerungskreise in der Dritten Welt in die Armut gedrängt hat. Das Programm füllt über 70 Zeitungsseiten, und angesichts dieses erdrückenden Angebots ist es schwierig, Prioritäten auszumachen.

Gekommen sind alle, die ein soziales, politisches oder religiöses Anliegen haben. Nicht nur Basisgruppen sondern auch viele "offizielle Vertreter", die seit dem letzten Jahr gemerkt haben, daß sich hier eine neue soziale Basis auftut, eine globale, weltumspannende Basis. Und da wollen sie ihre Scheibe abschneiden und vielleicht auch – wie es die SPD doch immer getan hat – in ihre Reihen integrieren. Gekommen sind sie alle in diesem Jahr, Gewerkschaftsfunktionäre, Entwicklungshelfer, Stiftungen, Verbände und internationale Organisationen. Krawattenträger drängeln sich auf den Fluren, Shorts und T-Shirts sind die Ausnahme. Die trafen sich eher im Jugendcamp, bei den Landlosen und in kleinen Gruppen.

Alle brachten ihre Anliegen mit, von weitreichenden Projekten wie dem weltumspannenden Umweltschutz und dem Kampf gegen Patente und Kriege auch kleine Partei-Interessen. Die Delegation von Europa-Parlamentariern diskutierte über politisch korrekte Themen wie die Lösung regionaler Konflikte und Kooperation gegen Unterentwicklung, vermied aber heikles. Dabei hatten die Lateinamerikaner von ihnen klare Worte über die europäische Agrarpolitik erwartet. Sie empfinden es als "Heuchelei", daß von IHNEN die Öffnung ihrer Märkte gefordert wird und gleichzeitig die Industriestaaten sich für die landwirtschaftlichen Produkte der südlichen Halbkugel abschotten. Aber darüber wollten die Franzosen und Spanier nicht reden. Sie fürchten ihre Lobby zu Hause. Auch die von den Italienern geforderte Erklärung gegen den Krieg der US-Regierung scheiterte daran, daß sich die Abgeordneten aus den Ländern, in denen Sozialisten, Sozialdemokraten oder Grüne auf Regierungssesseln sitzen, nicht den Mund verbrennen wollten.

Eines der wichtigsten Themen der in Porto Alegre versammelten Globalisierungsgegner war die Kontrolle der multinatioalen Konzerne. Die nationalen Regierungen, so hieß es vom Podium herab, seien dazu nicht mehr in der Lage. Die Nicht-Regierungsorganisation "Corp-Watch" aus den USA schlug weltweite aggressive Kampagnen vor. Wir seien schließlich alle Verbraucher und nicht gezwungen, Waren zu kaufen, die nur deshalb billig sind, weil sie auf der Grundlage von Ausbeutung und Umweltvernichtung hergestellt werden. Doch neue Vorschläge wurden nicht vorgestellt, eine wirkliche Diskussion kam nicht auf. Fragen mußten schriftlich eingereicht werden und wurden ausgesiebt. Der aus Genf angereiste Generalsekretär des Internationalen Metallarbeiterverbandes etwa wurde gefragt, wie er es vereinbaren könne, auf dem Weltsozialforum die Menschenrechte gegen die Macht des Kapitals zu verteidigen und gleichzeitig in seinem Gewerkschaftsverband einen Vize-Präsidenten zu dulden, dem in seinem Heimatland Argentinien die Verwicklung in schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen wird. Diese Frage – so Marcello Malentacchi - wolle er nur im privaten, nicht öffentlich, beantworten.

Einhellige Kritik wurde an der US-Regierung geübt, die seit den Attentaten vom 11. September nur noch den Kampf gegen den Terrorismus im Kopf habe und dafür weder Kosten noch Mühen scheue. Bei Umweltschutz und dem Kampf gegen die Armut bremse die Bush-Administration wie sie nur könne. Und gegen die Supermacht sei wenig auszurichten. So weigere sich Washington immer noch, die vor zehn Jahren in Rio de Janeiro verabschiedete UNO-Konvention für biologische Vielfalt zu ratifizieren und das Protokoll von Kyoto zu unterschreiben. Wegen ihrer Kompromißlosigkeit fangen wir wieder bei Null an, meinte die chilenische Umweltschützerin Sara Larrain.

Heute reisen bereits viele Forumsteilnehmer ab, morgen geht das Treffen offiziell zu Ende. Dann wird wieder Alltag in Porto Alegre einkehren. Bis zum nächsten Jahr. Da will man sich am gleichen Ort, im gleichen Monat wieder sehen.


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