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Arbeitnehmervertreter mit Gehältern von Top-Managern? An der Gewerkschaftsbasis
wird die Kritik an der ver.di-Führung immer lauter. Beim Bundesvorstand
hingegen kommen keine Bedenken auf.
Der Beschluss des ver.di-Gewerkschaftsrates fiel knapp aus: Mit 56 zu 44 Stimmen
nickte das Gremium
Gehaltserhöhungen für die ver.di-Spitze um bis zu 100 Prozent ab.
27 000 Mark monatlich brutto stehen von nun an auf dem Gehaltszettel des Chefs
der welt größten Einzelgewerkschaft, Frank Bsirske. Das Ziel dieses
Schrittes erklärte die ver.di-Landes-Chefin Berlins, Susanne Stumpenhusen,
so: Gewerkschaftsfunktionäre sollten, um "mit Arbeitgebern auf Augenhöhe"
verhandeln zu können, auch wie diese verdienen. Außerdem müsse
man dafür Sorge tragen, dass "gute Funktionäre" nicht die
Seite wechselten.
An der Basis macht man diese "Augenhöhe" allerdings weit unter
der Gürtellinie aus. Die Ersetzung des "sozialen Handwerkszeug durch
dicke Konten" kritisiert etwa Christian Wiesner-Stippel, Mitglied
im Berlin-Brandenburgischen Landesbezirksvorstand des Fachbereichs 8. Statt
kämpferisch auf eine gleichrangige Verhandlungsposition von Betriebsräten
und Personalvertretern zu drängen, "versüßten" sich
die Hauptamtlichen das "Ritual von Tarifrunden, Sozialpakten und Bündnissen"
- bei dem die Arbeitnehmer zusehends die Verlierer sind.
Die erste Tarifrunde nach Gründung und unter der Regie von ver.di hatte
für die Lohnabhängigen weitere Reallohnverluste zur Folge, kritisiert
denn auch das "Netzwerk für eine kämpferische und demokratische
ver.di" und ruft die Basis zum Protest auf. Statt sich selber zu bedienen,
schimpft Angela Münch vom
"Netzwerk" in Richtung ver.di-Führung, solle sich die um die
Beschäftigten kümmern. Einen Beschluss der ÖTV-Arbeiterkonferenz
vom Sommer 2000, der die Durchsetzung eines Lohnnachschlages
nötigenfalls auch per Kampfmaßnahmen beschloss, hat ver.di indes
noch immer nicht aufgegriffen.
An der Basis wird angesichts der Begründung des Vorstandes auch die Frage
gestellt, ob "gewerkschaftliche Kompetenz erst ab 10 000 Mark Monatsgehalt
beginnt". Als "völlig inakzeptabel" kritisierte der hauptstädtische
Landesbezirk der IG Medien die Gehaltserhöhungen.
Bezahlen wird ver.di die "Augenhöhe" mit einer jährlichen
Mehrbelastung von 3,4 Millionen Mark. Der Gesamtbetriebsrat von ver.di etwa
lehnte den Schritt des Vorstandes ab, vor allem wegen der laufenden Kürzungen
der Personalausgaben. Bei allen DGB-Gewerkschaften zusammengerechnet sind seit
1995 knapp 2500 Stellen gestrichen worden, die Mitarbeiter-Gehälter stiegen
zwischen 1997 und 1999 lediglich um 1,3 bzw. 2,2Prozent - bei einem durchschnittlichen
Gehalt zwischen 3500 und 6000 Mark. Finanzielle Kürzungen betreffen auch
die Schlagkraft der Gewerkschaften vor Ort sowie die Unterstützung betrieblicher
Funktionärsträger, kritisierte das "Netzwerk".
Beim Bundesvorstand teilt man solche Bedenken nicht. Ver.di-Sprecher Hermann
Zoller hat "irgendwelche Verwerfungen" nicht erkennen können.
Vier Austritte seien gegenüber dem Hauptvorstand mit den Gehaltserhöhungen
begründet worden. Wie das regional aussehe, könne er nicht sagen,
erklärte Zoller.
Margret Mönig-Raane, die sich als eine der Vize-Vorsitzenden über
ein neues Gehalt von 23 600 Mark freuen darf, kann zwar den Unmut an der Basis
nachvollziehen. Für berechtigt hält sie ihn dennoch nicht. Vielmehr
sei es ein Fortschritt, dass nun überhaupt über Gehälter geredet
würde. Die "größere Differenzierung der Gehälter"
würde der "größeren Verantwortung", die die Spitzenfunktionäre
von ver.di tragen müssten, eher gerecht.
Wiesner-Stippel hält dies für blanken Hohn und den Gehälterskandal
für eine "Apparat-Geschichte". Abteilungsleiter sähen sich
inzwischen mit einer Gehaltsdifferenz von mehr als 5000 Mark gegenüber
dem Kollegen auf gleicher Ebene konfrontiert - stellten aber die übervolle
eigene Lohntüte nicht in Frage.
Besonders ärgert sich Wiesner-Stippel darüber, dass die Basis über
die Vorgänge nicht informiert wird. Statt erneut einen Rechtfertigungsbrief
zu schreiben, müssten die Mitglieder über das Vorgehen in der Berliner
Zentrale schnellstens in Kenntnis gesetzt werden: "Die Leute sollen wissen,
dass sie mit ihren Beiträgen eine Leistung vorfinanzieren, die noch gar
nicht erbracht worden ist." Außerdem müsse die Frage nach der
Satzungsmäßigkeit der Gehaltserhöhung aufgeworfen werden: Ausschlussverfahren
wegen "gewerkschaftsschädigendem Verhalten" habe es in der Vergangenheit
auch aus weniger schwerwiegenden Gründen gegeben, so Wiesner-Stippel.
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