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FAU-IAA Hamburg veröfftlicht eine arbeitsrechtliche Stellungnahme gegen den HAB-Tarif für "Jungerwachsene" - Hamburg, den 9. November 2000:

HAB-Tarif ist ein Verfassungsverstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des GG und und die Diskriminierungsrichtlinie der EU!

ARBEITSRECHTLICHE Stellungnahme zu den bisher bekannt gewordenen Inhalten des HAB-Haustarifvertrages, gültig ab 01.10.2000:

 

1. Der Tarifvertrag ist nicht für allgemein verbindlich erklärt, d.h. er gilt nur bei tarifgebundenen, d.h. bei Mitgliedern der Gewerkschaft automatisch. Alle anderen müssen im Arbeitsvertrag oder Änderungsvertrag die Geltung des neuen Tarifvertrages vereinbaren, d.h. entsprechende Verträge unterzeichnen.

2. Tarifverträge sind im Betrieb gemäß § 8 Tarifvertragsgesetz auszuhängen bzw. an geeigneter Stelle auszulegen, damit die Arbeitnehmer sie einsehen können. Da dies zur Zeit nicht der Fall ist, kann niemand von den Arbeitnehmern erwarten, daß sie Arbeitsverträge oder Änderungsverträge unterschreiben, in denen die neuen Tarifbestimmungen Vertragsgrundlage werden sollen.

3. Die Tarifvertragsparteien sind verpflichtet, innerhalb eines Monats nach Abschluß des Tarifvertrages, Abschriften des Tarifvertrages an die oberste Arbeitsbehörde - in Hamburg die BAGS - eines Landes zu schicken. Gemäß §7 Abs. 2 Tarifvertragsgesetz handelt ordnungswidrig, wer dieser Übersendungspflicht nicht rechtzeitig genügt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden.
Es handelt sich bei dem HAB-Tarifvertrag auch nicht um eine reine Lohntabelle, sondern er hat den Charakter eines Manteltarifvertrages.

4. Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz Art. 3 Abs. 1 GG:

Grundlage dafür, daß überhaupt ein Extra-Tarifvertrag für die befristet beschäftigten ehemaligen Sozialhilfeempfänger bei der HAB gemacht werden konnte, ist der Ausschluß dieser Personengruppe aus dem BAT (dem Bundesangestelltentarif für den öffentlichen Dienst). Dieser Ausschluß ist vom Bundesarbeitsgericht für verfassungsgemäß angesehen worden. Das BAG hatte dabei geprüft, ob der Ausschluß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Das Bundesarbeitsgericht geht in allen seinen Entscheidungen davon aus, daß die den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden durch das Grundgesetz in Art. 9 gewährte Tarifautonomie verfassungsrechtlich einen hohen Rang einnimmt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz hat wegen seiner Ableitung aus Art. 3 Abs. 1 GG zwar ebenfalls Verfassungsrang, jedoch könnendie Tarifvertragsparteien erst in ihrer Tarifautonomie eingeschränkt werden, wenn sie willkürlich zwischen Beschäftigungsgruppen unterscheiden und ungleich behandeln. Auch das Bundesverfassungsgericht stellt entsprechende Erwägungen an.

Die grundsätzliche Vorrangigkeit der Tarifautonomie vor dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht nachvollziehbar. Es wird hierbei den Tarifvertragsparteien unterstellt, daß sie stets sachliche Gründe für eine Differenzierung in den Tarif-Verträgen haben und aufgrund der Beteiligung ihrer Mitglieder über Tarifkommissionen etc. eine entsprechende Einflußnahme gewährleistet ist.
Wenn allerdings, wie im vorliegenden Fall, beim HAB-Tarifvertrag ein separater Tarifvertrag gemacht wird für eine Gruppe von Beschäftigten, die zum weitaus überwiegenden Teil nicht gewerkschaftlich organisiert sind, so stellt sich die Frage der Legitimation der Gewerkschaft im Hinblick auf die Normierung schlechterer Bedingungen gerade für diese Gruppe.

Dieser Tarifvertrag kann nur im Hinblick darauf abgeschlossen worden sein, daß er durch Bezugnahme auf seinen Inhalt in den einzelnen Arbeitsverträgen Grundlage für diese Arbeitsverträge wird. Da Gewerkschaftsmitglieder in dieser Gruppe der Beschäftigten höchst selten sind, kann der Sinn eines solchen Tarifvertrages nur darin liegen, eine einzelvertragliche Inbezugnahme vorzubereiten und die Aussage, daß die ehemaligen Sozialhilfeempfänger "Tariflohn statt Sozialhilfe" bekommen sollen, zu rechtfertigen.

Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Verhandlungsposition der Sozialhilfeempfänger, die bei der HAB eine Beschäftigung aufnehmen wollen, im Grunde gleich Null ist, da der Arbeitgeber auf ihre Arbeit nicht angewiesen ist und quasi die Bedingungen diktieren kann, unter denen diese Arbeit stattzufinden hat.

Die Herausnahme der ehemaligen Sozialhilfeempfänger, die gemäß §19 BSHG beschäftigt werden, aus dem BAT und der Abschluß eines Extra-Tarifvertrages für diese Beschäftigten könnte allerdings auch als eine Umgehung des Prinzips angesehen werden, daß die Arbeitsbedingungen in einem Betrieb auch einheitlich zu regeln sind und der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten ist.

Das BAG hat zwar entschieden, daß bei der Bestimmung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrages und dessen Ausnahmen die Tarifvertragsparteien keinen Beschränkungen - bis auf das Willkürverbot - unterliegen. Andererseits hat es für Regelungen innerhalb ein und desselben Tarifvertrages engere Grenzen aufgestellt, d.h. dort muß der Gleichbehandlungsgrundsatz stärkere Beachtung finden. Wenn jetzt nunmehr einfach zwei Tarifverträge gemacht werden, anstelle von einem Tarifvertrag - und dies innerhalb eines Betriebes -, so muß der Gleichbehandlungsgrundsatz auch im Vergleich der Inhalte der beiden Tarifverträge stärkere Beachtung finden.

Kommt es somit im vorliegenden Fall darauf an, ob es sachliche Gründe für eine Unterscheidung zwischen den nach § 19 BSHG befristet Beschäftigten gibt und den dauerhaft bei der HAB Beschäftigten, so muß das Vorliegen eines sachlichen Grundes verneint werden. Die Argumentation für die schlechte Bezahlung beruht schlicht darauf, daß gesagt wird, daß der Staat für die Beschäftigten bei der HAB nicht mehr Mittel als bisher zur Verfügung stellt, jedoch wünscht, daß mehr Personen dort Beschäftigung finden. Das Argument, daß kein Geld da ist, kann eine ungleiche Bezahlung der befristet Beschäftigten und der unbefristet Beschäftigten nicht rechtfertigen. Dieses Argument findet auch in der Rechtsprechung des BAGs keine Berücksichtigung. Ein Unternehmen, das z.B. kurz vor dem Insolvenzantrag steht, muß trotzdem die Löhne in alter Höhe zahlen und kann sie nicht einfach kürzen.

Zudem soll durch die Maßnahme Sozialhilfe auf Dauer eingespart werden, so daß die Mittel für die Einbeziehung weiterer Sozialhilfeempfänger mit ungekürzter Bezahlung vorhanden sein müßten.
Wenn die gleiche Arbeit verrichtet wird, muß auch der gleiche Lohn gezahlt werden.
Eine sachliche Begründung dafür, daß die Jungerwachsenen grundsätzlich in die niedrigste Lohngruppe einzugruppieren sind, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Falls in dieser Gruppe auch tatsächlich keine stärkere Qualifizierung als bei den übrigen Beschäftigten der HAB stattfindet, ist auch die 50-prozentige Bezahlung des sogenannten Qualifizierungsanteils nicht sachlich gerechtfertigt.

Bei der Auslegung des deutschen Verfassungsrechts ist auch zu beachten, daß auf der Ebene des europäischen Rechts inzwischen eine Richtlinie1999/70 EG des Rates vom 28.06.1999 über befristete Arbeitsverträge erlassen wurde, die auf einer Rahmenvereinbarung zwischen dem Europäischen Gewerkschaftsbund und den europäischen Arbeitgeberverbänden beruht. Diese Richtlinie enthält ein Diskriminierungsverbot für befristet Beschäftigte, d.h. befristet Beschäftigte dürfen nicht gegenüber den unbefristet Beschäftigten benachteiligt werden.

Solche EG-Richtlinien sind - auch wenn sie noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden sind - bei der Auslegung des deutschen Rechts zubeachten. Dies führt im Hinblick auf den HAB-Tarifvertrag dazu, daß hier die Tarifautonomie gegenüber dem Gleichheitsgrundsatz zurückzutreten hat.Zur Umsetzung in nationales Recht unter Punkt 5.).

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß der verfassungsrechtlich hergeleitete Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt ist und damit ein Verfassungsverstoß vorliegt.

5. Neues Gesetz zu Teilzeitbeschäftigung und Befristungen Ende September 2000 wurde ein Gesetzentwurf über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge vorgelegt. Der Gesetzentwurf sieht vor, daß ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer wegen der Befristung des Arbeitsvertrages nicht schlechter behandelt werden darf, als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer. Dies wird noch weiter konkretisiert dadurch, daß einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer Arbeitsentgelt mindestens in dem Umfang zu gewähren ist, der dem Anteil seiner Beschäftigung entspricht.

Da dieser Passus im Gesetzentwurf der Umsetzung der in Pkt. 4.) bereits benannten EG-Richtlinie dient, ist damit zu rechnen, daß dieser Teilauch unverändert verabschiedet wird und voraussichtlich zum 01.01.2001 in Kraft treten wird.

Aufgrund dieser Bestimmung ist der Unterschied in der Bezahlung zwischen den befristet Beschäftigten bei der HAB und den unbefristet Beschäftigten unzulässig und unwirksam, spätestens beim Inkrafttreten des Gesetzes.

- Goergens-
Rechtsanwältin
Dorothea Goergens
RAe und Fachanwältin für Arbeitsrecht

Hamburg, den 27.10.2000


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