letzte Änderung am 11. März 2004 | |
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Das Verhandlungsergebnis der Tarifrunde 2004 widerspricht den Entschließungen und Anträgen des IGM-Gewerkschaftstages vom Oktober 2003, in denen eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit gefordert wird und widerspricht den Forderungen der Delegiertenversammlungen und der Tarifkommissionen, die eine reine Lohnrunde mit einer Laufzeit von 12 Monaten verlangen und die Einbeziehung der Arbeitszeit ausdrücklich ausschließen!
Mit welchem Recht setzen sich Vorstand, Bezirksleitungen und Tarifkommissionen über diese Beschlüsse hinweg? Das Verhandlungsergebnis konterkariert unseren Kampf um die 35-Stunden-Woche, den wir vor 20 Jahren führten sowie die Bemühungen um weitere Arbeitszeitverkürzungen. Die vereinbarten Aufweichungen der 35-Stunden-Woche für die Betriebe im Westen der Republik verhindern auf lange Zeit einen neuen Versuch, die Arbeitszeit auch im Osten zu reduzieren und damit eine Vereinheitlichung der Lebens- und Arbeitsbedingungen zu erreichen.
Trotz ausgezeichneter Hilfestellung von Gesamtmetall für die Mobilisierung der KollegInnen hat die IG Metall-Führung es erneut zugelassen, dass der Flächentarifvertrag weiter ausgehöhlt wird. Dies fördert nicht nur die Erosion der tariflichen Bestimmungen zur Arbeitszeit sondern auch die der IG Metall.
Das Verhandlungsergebnis von Baden-Württemberg und die Form, in der es für die Mittelgruppe übernommen wurde, ist entgegen offizieller Aussagen der IG Metall nicht annehmbar. Es ermöglicht die Abschaffung des Normalarbeitstages und die Einführung unbezahlter Arbeit. Das Verhandlungsergebnis geht in Teilen sogar noch über die Forderungen der Unternehmer hinaus. Weil die Forderung näher am abzuschließenden Ergebnis sein müsse, wurden die Forderungen zur Entgelterhöhung aus den Betrieben auf 4 Prozent gestutzt. Das in Baden-Württemberg erreichte Ergebnis ist meilenweit von dieser schon sehr niedrigen Forderung entfernt, der zweitniedrigsten in der Geschichte der IG Metall überhaupt.
Im Einzelnen:
In der Vereinbarung zwischen dem Verband der Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen und der IG Metall soll die „Erhöhung oder Absenkung der Arbeitszeit mit oder ohne vollen Lohnausgleich“ ermöglicht werden:
„Ist es unter Abwägung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen
erforderlich, durch abweichende Tarifregelung eine nachhaltige Verbesserung
der Beschäftigungsentwicklung zu sichern, so werden die Tarifvertragsparteien
nach gemeinsamer Prüfung mit den Betriebsparteien ergänzende Tarifregelungen
vereinbaren oder es wird einvernehmlich befristet von tariflichen Mindeststandards
abgewichen (z.B. Kürzung von Sonderzahlungen, Stundung von Ansprüchen,
Erhöhung oder Absenkung der Arbeitszeit mit oder ohne vollen Lohnausgleich
(soweit nicht durch den Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung geregelt)).“
(Vereinbarungstext)
Die Arbeitszeit kann also doch ohne Lohnausgleich - glücklicherweise nur mit Zustimmung der Tarifpartner - erhöht werden. Es wird noch nicht einmal eine Begrenzung bei 40 Stunden in der Woche gesetzt. Die Begrenzung liegt damit nur noch bei der gesetzlich zulässigen 60-Stunden-Woche.
Die 13% bzw. 18%-Regelung kann auf 45% aller Beschäftigten ausgedehnt werden.
Heißt es im ersten Absatz noch, dies gelte nur in Betrieben mit einem hohen Anteil Beschäftigter mit hohen Gehaltsgruppen, so wird im Folgenden auch dieser Grundsatz wieder aufgehoben:
„Um Innovationsprozesse zu ermöglichen oder Fachkräftemangel
(den niemand anders als die Unternehmer zu verantworten haben) zu begegnen,
sollen, soweit diese Regelung nicht die Struktur des Betriebes abbildet, auf
Antrag der Betriebsparteien die Tarifparteien nach Prüfung eine höhere
Quote für den Betrieb oder Teile des Betriebes vereinbaren.“
(Vereinbarungtext, Anlage 1)
Es ist somit nur eine Frage von wenigen Monaten, bis die ersten Betriebsräte der “Innovationsargumentation” der Gegenseite erliegen und dann die anderen Betriebsräte mit dem Argument, man müsse unter dem Druck der Konkurrenz nachziehen, der Reihe nach umfallen. Genau diesem Druck sind die Belegschaften auf Betriebsebene nicht gewachsen. Dass sie erpressbar sind hat schließlich auch die Gewerkschaftsführung immer wieder selbst ausgeführt und kann sich später schlecht rausreden.
Mit dem Zugeständnis, die Einführung tariflicher Regelungen zur weiteren Flexibilisierung der Arbeit durch Flexi-Konten oder Langzeitkonten zu prüfen, öffnen wir eine weitere Büchse der Pandora und leisten der weiteren faktischen Aufweichung der 35-Stunden-Woche in den Betrieben unnö-tig Vorschub:
„Die Tarifvertragsparteien verpflichten sich, während der Laufzeit
dieser Tarifvereinbarung zu prüfen, ob tarifliche Regelungen zur Erweiterung
der Flexibilisierung der Arbeitszeit (Flexi-Konten) oder Langzeitkonten erforderlich
sind und ggf. dazu Verhandlungen aufzunehmen...
(Vereinbarungstext, Anlage 2)
Das ist nichts anderes als eine Arbeitszeitverlängerung auf Dauer, ohne tarifliche Begrenzung und ohne Mehrarbeitszuschläge. Hier wird ein Verhandlungsstand ohne Diskussion in der Organisation (und trotz bestehender Manteltarifbestimmungen) in einen aktuellen Lohnabschluss eingebaut.
Rein rechnerisch ergibt sich eine jährliche durchschnittliche Lohnerhöhung von 2,26% (2 x 0, 12 x 2.2, 12 x 2.7), was die massiven Preiserhöhungen und Kürzungen der Sozialleistungen (Gesundheitsverschlechterung etc.) nicht im Entferntesten ausgleicht. Nach Abzug von 1,4% für ERA ergibt sich eine tabellenwirksame Lohnsteigerung von 1,61% im gesamten Tarifzeitraum von 26 Monaten. Dies ist weit von dem entfernt, was die IG Metall im Vorfeld der Verhandlungen als verteilungsneutralen Spielraum bezeichnet hatte.
Die gewerkschafts- und betriebspolitische Enthaltsamkeit legt bei ganzen Schichten von Lohnabhängigen die Schwelle zum Austritt immer niedriger. “Wofür überhaupt Gewerkschaftsbeitrag bezahlen? Verzichten kann ich auch alleine." Wo die Antworten fehlen und wo es keinen entschlossenen Kampf gibt, mangelt es an Glaubwürdigkeit.
Wenn die IG Metall ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden will und wenn wir insgesamt das Vertrauen der KollegInnen in die Gewerkschaft wieder herstellen wollen, dann muss die Organisation wieder Gestaltungskraft zurückgewinnen:
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