Stellungnahme der Vertrauensleuteleitung der ver.di-Betriebsgruppe Uni
Bonn zum Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst/Tarifgebiet West
- Die prozentuale Erhöhung bleibt weit hinter den Forderungen zurück. Für
das Jahr 2003 gibt es nur eine Erhöhung von 2,4 Prozent statt der
geforderten 3 Prozent. Abzurechnen sind davon noch die Kürzungen bei den
Lebensalterstufen (das erste Jahr nur die Hälfte des Differenzbetrags),
das Einfrieren des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes und die Kürzung des
AZV-Tages (geschätztes Minus dadurch 0,45% laut Schlichterspruch), so
dass das Gesamtergebnis für 2003 noch unter 2 Prozent liegt.
- Durch die Mindestlaufzeit bis zum 31. Januar 2005 und die getroffenen
Reglungen zur Lohn- und Gehaltserhöhung in 2004 (1 % ab 1.1.04, 1% ab
1.5.04) ergibt sich für das Beispiel eines verheirateten Angestellten mit
1 Kind, der im Oktober 2003 in die 37. Lebenaltersstufe kommt, unter
Einbeziehung der o.g. abzurechnenden Faktoren (ohne
Berücksichtigung des Einfrierens von Urlaubs- und Weihnachtsgeld) eine
durchschnittliche Erhöhung von 2,4% bei einer Laufzeit von 27 Monaten.
Das entspricht einer jährlichen Erhöhung von weniger als 1,5 Prozent (s.
berechnetes Beispiel). Bei Berücksichtigung des Einfrierens von Urlaubs-
und Weihnachtsgeld sieht das Ergebnis noch schlechter aus.
- Die Streichung des AZV-Tages ist ein Signal in eine völlig falsche
Richtung, nämlich in Richtung Verlängerung statt Verkürzung der
Arbeitszeit. Eine solche Tendenz ist zum einen angesichts weiter
wachsender Arbeitslosigkeit politisch völlig falsch und zudem mit einem
Verlust von Lebensqualität für die Beschäftigten verbunden.
- Die mit abgeschlossene Prozessvereinbarung für die
Tarifverhandlungen zur Neugestaltung des Tarifrechts des öffentlichen
Dienstes widerspricht in weiten Teilen der bisher in ver.di
geführten Diskussion. Laut Äußerungen der Bundestarifkommission sollte
dieses Thema in der Lohn- und Gehaltsrunde keine Rolle spielen wird - und
das mit gutem Grund. Die Forderungen von ver.di sind keineswegs
ausdiskutiert und wichtige Punkte, die momentan in der Diskussion
innerhalb von ver.di strittig sind, werden in der Prozessvereinbarung
einseitig festgelegt. Dazu gehören:
- Sparten- und Branchentarifverträge
- Leistungsorientierung (was immer darunter zu verstehen ist).
- Flexibilisierung der Arbeitszeit
- Von vornherein wird ein Konsensverfahren festgeschrieben, womit
Arbeitskämpfe zur Durchsetzung der Forderungen ausgeschlossen oder
zumindest eingeschränkt werden. Damit schwächt ver.di einseitig seine
Position.
- Weiterhin heißt es ”Die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes
weisen darauf hin, dass auf Grund der Finanzlage der öffentlichen
Haushalte dem Gebot der strikten Kosteneutralität Rechnung zu tragen
ist.” Durch die Unterschrift unter diese Prozessvereinbarung vertritt
ver.di dazu keine Gegenposition. Dies ist für als Gewerkschaft eine
nicht zu vertretende Voraussetzung, die auch unseren Argumentation
zur Steuer- und Finanzpolitik widerspricht.. ”Kostenneutralität”
bedeutet: Gewinnern der Tarifmodernisierung werden mindestens genauso
viele Verlierer gegenüberstehen. Die Belegschaften und damit auch
ver.di werden gespalten.
Insgesamt wird das gesetzte Ziel bei den Tarifverhandlungen auch nicht
annähernd erreicht und es werden im Bereich ”Modernisierung” unzulässige
Vorabfestlegungen getroffen. Aus diesem Grund ist es uns unverständlich, wie
die Bundestarifkommission einem solchen Ergebnis zustimmen konnte. Bei einem
solchen Ergebnis wäre eine Urabstimmung die einzig richtige Antwort
gewesen.
- Wir erwarten trotz dieses Tarifabschlusses weiterhin
- dass eine ausführliche Diskussion in ver.di über die Modernisierung des
Tarifrechts stattfindet, bevor Verhandlungen dazu aufgenommen werden,
- dass die Forderungen von ver.di zur verfehlten Finanz- und
Steuerpolitik (Vermögenssteuer, Körperschaftssteuer, Finanzausgleich
usw.) aktuell bleiben und Strategien zu deren Durchsetzung entwickelt
werden.
Einstimmig beschlossen am 13.01.03
Beispielrechnung
Beispiel:
Vc, 35. Lebensalterstufe, verh. 1 Kind. 37. Geb. im Okt. 2003
Die gesamten Berechnung sind ohne Weihnachts- und Urlaubsgeld (war mir zu
kompliziert). Wegen des Einfrierens dieser Beträge wird das Endergebnis
dadurch aber nur schlechter.
Nach dem jetzigen Tarifvertrag würde der Angestellte folgende Einnahmen
haben.
11 x 2386,0911/02 - 9/03
16 x 2441,2910/03 - 1/05
Gesamt: 65307,63
Nach dem neuen Tarifvertrag ergibt sich folgendes:
Die Erhöhung von 1,95 % statt 2,4% ergibt sich daraus, dass die Schlichter
durch den Wegfall des AZV-Tages eine Entlastung von 0,45% errechnet haben.
1 x 50 Einmalzahlung
1 x 178,96Einmalzahlung = 7,5 Prozent des Dezembergehalts 2002
2 x 2386,0911/02-12/02normales Gehalt nach alter Tabelle
9 x 2432,621/03 - 9/03+ 1,95%
3 x 2460,7610/03 - 12/03 + halben Differenzbetrag zur nächsten
Lebensaltersstufe
4 x 2485,371/04 - 4/04+ 1 %
5 x 2510,225/04 - 9/04+ 1 %
4 x 2538,9210/04 - 1/05ganze Lebensalterstufe
Gesamt: 66925,26
Die prozentuale Erhöhung über die gesamte Laufzeit ergibt hier 2,4%. Das
sind etwas weniger als 1,5% pro Jahr (jeweils Erhöhung am 1.11.). Dies kann
man folgendermaßen nachrechnen.
11 x 2386,09 + 1,5% = 2421,8811/02 - 9/0335. Lebensaltersstufe, 1.
Erhöhung
1 x 2441,29 + 1,5% =
2477,91
10/03
37.
Lebensaltersstufe, 1. Erhöhung
12 x 2477,91 + 1,5% =
2515,08
11/03 - 10/04 37. Lebensaltersstufe, 2. Erhöhung
3 x 2515,08 + 1,5%= 2588,9111/04 - 1/0537. Lebensaltersstufe, 3.
Erhöhung
Gesamt: 67065,98