letzte Änderung am 11. Juli 2002 | |
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In mehreren Hinsichten ist die Tarifrunde für die 950000 Beschäftigten im Bau-Hauptgewerbe ein Novum. Nicht nur organisierte die IG Bau den ersten flächendeckenden Streik in der Nachkriegsgeschichte, und zwar mit Erfolg: Nach einer Zustimmung von über 98 Prozent in der Urabstimmung über die Streikaufnahme gingen zuletzt über 32000 Beschäftigte auf rund 2800 Baustellen in den Ausstand. Unterstützt wurden sie dabei auch von KollegInnen und Gewerkschaften im europäischen Ausland und ausländischen Beschäftigten von Subunternehmen in Deutschland trotz zum Teil massiver Repressionen. Dazu hatten IG Bau und Schwesterorganisationen im Ausland Abkommen über Rechtsschutz und finanzielle Unterstützung der ausländischen Streikenden vereinbart. Wichtigstes Ziel des Streiks war es, eine allgemeine Erhöhung der Mindestlöhne im Osten wie im Westen durchzusetzen gegen die von den Arbeitgebern geforderte Nullrunde und bislang verbandsfreie Unternehmen dazu zu bringen, dem Arbeitgeberverband beizutreten. Der Mindestlohn liegt nun für 2002 bei 10,12 bzw. 8,76 Euro (West/Ost) und steigt in 2003 nochmals auf 10,36 bzw. 8,97 Euro (West/Ost). Dies entspricht Erhöhungen um 3,2/2,4 Prozent in 2002 (zzgl. Einmalzahlungen) sowie um weitere 1,4/2,4 Prozent in 2003. Die Streiks bei 400 verbandsfreien Unternehmen sollen auch nach der Urabstimmung über den Flächentarifvertrag weitergehen. In bislang 50 dieser Unternehmen konnten Verhandlungen darüber erzwungen werden. Beide Maßnahmen zielen vor allem auf die Aufhebung der Spaltung zwischen deutschen und ausländischen Beschäftigten. Aus gegebenem Anlass dokumentieren wir dazu passend »jahrhundertealte« Einsichten:
»Wie einzig wirksame Hülfe gegen die internationale Concurrenz der Arbeiter und ihre Consequenzen kann, nach unserer Überzeugung, zunächst nur von einer durchgreifenden internationalen Arbeitsgesetzgebung und das Weitere von einer gründlichen Umgestaltung der Productionsweise erwartet werden. Fällt die wahnsinnige, sich als vollkommenste wirthschaftliche Anarchie offenbarende freie Concurrenz des Capitalismus, worauf die Productionsweise beruht, so fällt auch die internationale Noth- und Brotconcurrenz der Arbeiter.
Ein zwangsweises Abschließen der Länder gegeneinander ist unmöglich, also bemühe man sich, sie unter einerlei vernünftige Productions- und Consumtionsbedingungen zu stellen. Das sollten in erster Linie die Arbeiter selbst stets beherzigen und weniger durch Phrasen über die Internationalität ihrer Bestrebungen sich hervorthun, als durch praktische Maßnahmen. Und dazu gehört in erster Linie, daß sie sich verständigen über die Grundzüge einer internationalen Arbeitsgesetzgebung, um einen von ein und derselben Tendenz bestimmten Druck auf die Parlamente und Regierungen hüben wie drüben des Oceans auszuüben. So lange man sich nicht auf diesem Gebiete zu praktischer Thätigkeit zusammenfindet, vielmehr lediglich Repressivmaßregeln gegen die Concurrenz fremder Arbeitskräfte fordert, so lange entbehrt die Arbeiterbewegung jeder realen internationalen Grundlage«.
»Nationalität ... Eine reine Nationalität gibt es nicht.. Ebenso gibt es keine reinen Nationalitätsstaaten. Die Staaten Europas sind aus den verschiedenartigsten Bestandteilen zusammengewachsen resp. zwangsweise zusammengefügt. Nicht ein einziges naturwüchsiges Volk ist im Laufe der ganzen Geschichte nachweisbar. Vielmehr lehrt die Geschichte, daß eine Vermischung im höchsten Grade stattgefunden hat ... und zwar durchaus nicht zum Nachteile der Menschheit ... Eine Theorie von der Nationalität im Sinne der Naturwüchsigkeit und deren Erhaltung ist eine Theorie des Rückschritts, die zum Glück ihre Verwirklichung, ihre praktische Bewährung niemals finden konnte und niemals finden wird ... Eine Nation soll alles in allem eine volkliche Interessengemeinschaft sein. Bis jetzt aber gibt es noch keine Nation, die das ist. Jede Kulturnation war seither nichts anderes als eine nach Maßgabe herrschender Sonderinteressen geordnete, politisch, wirtschaftlich und sozial organisierte Menschenmasse auf der Basis der Teilung und Gegensätzlichkeit der Interessen. Hier wie in anderen Nationen ist es die Klassen- und Sonderherrschaft, die alle Einrichtungen und Verhältnisse bestimmt.«
»Wer trägt die Lasten der Arbeiterversicherung. Das Unternehmerthum, die reaktionären Parteien und ihre Organe benützen jede sich darbietende Gelegenheit, ... die bekannte Behauptung anzustellen, daß die Arbeitgeber durch die Arbeiterversicherungsgesetze gezwungen seien, fortdauernd schwere Opfer für die Arbeiter zu bringen .... Wer trägt denn in Wirklichkeit die Versicherungslast? Häufig bereits ist von sozialdemokratischer Seite diese Frage dahin beantwortet worden, daß es die Arbeiter selbst sind... Genau betrachtet liegt das Verhältnis noch viel günstiger für Unternehmerschaft und Reichsfiskus. Abgesehen davon, daß die Versicherungsbeiträge der Unternehmer in jedem Falle einem Teile des Mehrwerts entsprechen, den der Arbeiter schafft, bleibt zu berücksichtigen, daß sie seit dem Bestehen der Arbeiterversicherung unausgesetzt bemüht gewesen sind, sich für ihre Belastung schadlos zu halten ... Die Versicherungsbelastung verfluchend, haben die Unternehmer, wo es ihnen möglich war, die Löhne gekürzt und die Arbeitszeit verlängert; auf jeden Fall aber haben sie, ..., die Ausbeutung der Arbeitskraft intensiver gestaltet und sich der Vortheile verbesserter Technik versichert. Zugleich aber haben sie unter demselben Vorwande, wo immer es nach Lage der Verhältnisse anging, den Preis der Produkte erhöht ....«
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