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DER "KAMPF UM VERSCHLECHTERUNGEN" - DIE ABSTIMMUNG DER GROßEN TARIFKOMMISSION (GTK) DES BEZIRKS BADEN-WÜRTTEMBERG DER IGM AM 26.10.2001.

Die GTK hat am 26.10.2001 dem Ergänzungstarifvertrag (ETV) zur Einführung der 40-Stundenwoche unter der Bedingung einer für 3 Betriebe geschlossenen Tarifgemeinschaft zugestimmt. Weniger als 50% der Mitglieder der GTK waren anwesend.

Ausschlaggebend für die Zustimmung war offensichtlich, dass entgegen den ursprünglichen Zielen keine offene sondern eine geschlossene Tarifgemeinschaft zugrundegelegt wurde, so dass viele Mitglieder der GTK meinten, das betrifft uns nicht. Dabei war die geschlossene Tarifgemeinschaft noch schnell in letzter Minute von 2 auf 3 Betriebe vergrößert worden.

Ausschlaggebend war aber vor allem auch das Argument des Bezirksleiters Berthold Huber, dass der ETV für die betroffenen Betriebe zu einer ARBEITSZEITVERKÜRZUNG führen würde.

Leider waren damit die Mitglieder der GTK nicht ausreichend informiert. Denn das Gegenteil ist der Fall.

Nach Tarifvertrag setzt sich die Arbeitszeit aktuell aus den 35 Wochenstunden des Tarifvertrages und durchschnittlich 5,2 Überstunden zusammen. In der Summe also 40,2 Stunden pro Woche.

Nach dem ETV soll die neue Zahl 37,5 Stunden sein. Also hätten wir eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 40,2 auf 37,5 Stunden (so die Mitteilung an die GTK).

40,2 Stunden heißt aber 35 Tarifstunden PLUS Überzeit, 37,5 Stunden ist aber der Ersatz für die 35 Stunden OHNE Überzeit! Sollte das dem Bezirksleiter entgangen sein?

Zu den 37,5 Stunden kommen noch die Überstunden hinzu. Bei der Ankündigung, diese würden nach Einführung des ETV weniger werden, reagierte eine Führungskraft: "Da lasse ich mich überraschen".

Außerdem werden gemäß ETV nicht 37,5 Stunden gearbeitet, sondern 40. Erst nach ungefähr 4 Jahren entstehen aus den 2,5 Stunden, die auf das Lebensarbeitszeitkonto gebucht werden müssen, die ersten Freizeitnahmen. Soferne sie dann auch wirklich möglich sein werden.

Bei 5,2 Überstunden entstehen also ab 1.1.2001 für die 3 betroffenen Betriebe aus 40,2 Stunden 45,2 Stunden - mindestens für zunächst einige Jahre. Zunächst nicht für alle. Von heute 18,2% der Beschäftigten für geschätzte 40 bis 50% der Beschäftigten. Dieser Anteil wird bei der "freiwilligen" Teilnahme am ETV firmenseitig "vermutet".

Der ETV führt also schlagartig zum 1.1.2001 zu einer ERHÖHUNG der wöchentlichen Arbeitszeit für etwa die Hälfte der Belegschaft (5000 Beschäftigte) um reale zusätzliche 11,2% (45,2 dividiert durch 40,2 mal 100). Das kommt gerade rechtzeitig für die im Zusammenhang mit der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage gedeckelte Personalpolitik. Den vorhandenen Arbeitskräften noch 11% mehr Arbeit aufbürden.

Geht das nur Angestellte an? Auch Lohnempfänger sind mit im Boot. Sie können "freiwillig" weiter 35 Wochenstunden arbeiten, sich aber nur 30 Stunden auszahlen lassen und 5 Stunden auf das Lebensarbeitszeitkonto buchen. Diese Spardauer ist zwar zur Zeit auf 10 Jahre begrenzt, aber ob diese Grenze während 10 Jahren unverändert bleibt? Wenn nach vielen Jahren die Freizeitnahme tatsächlich zustande käme, wäre das sogar eine nachgelagerte Arbeitszeitverkürzung - allerdings auf Kosten der Lohnempfänger, sie haben ihre Freizeit längst vorgearbeitet.

Für die Lohnempfänger wird die Anzahl tatsächlich geleisteter Stunden pro Woche für die nächsten Jahre somit nicht verkürzt sondern bleibt unverändert.

Dieser ETV fand am 8.10.2001 in der Funktionärskonferenz der Verwaltungsstelle Stuttgart der IGM keine Mehrheit (siehe die im Labournet dargestellten Empfehlungen). War der "Kampf für diese Verschlechterung" also wirklich die einzige Alternative?

Wird das Beispiel des ETV Schule machen? Es gibt in Baden-Württemberg Betriebe, die die 35-Stundenwoche für alle Beschäftigten halten können. Sie wollten wenigstens eine geschlossene Tarifgemeinschaft für den ETV, damit der Druck auf ihre Verhältnisse nicht zu groß wird.

Ob das durch eine Geschlossene Tarifgemeinschaft für sie besser wird?

Es ist kaum zu erwarten, dass der "Kampf um Verschlechterungen" zu mehr Mitgliedern führen wird.

Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit ist keine Lösung, in welchem Gewand auch immer, sondern ein Einfallstor, das die heiß erkämpfte 35 Stundenmarke aushöhlt, zum Kippen bringt, und zu immer weiteren "Kompromissen" für immer höhere Stundenmarken zwingen wird.

Welche Arbeitszeiterhöhung kann noch beschränkt werden, wenn die 35 Stunden-Sonne erst einmal auf dem Müllhaufen der Tarifpolitik entsorgt ist?

Autor dieses bewertenden Berichtes ist der Redaktion des LabourNet Germany bekannt


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