LabourNet Germany Dies ist das LabourNet Archiv!!! Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Home Über uns Suchen Termine

 

Mitgliederwerbung unter schwierigen Bedingungen (1)

"Vergreisung droht" ...

 

... so beschrieb die Unternehmer- und Börsenzeitung Financial Times am 23. Juni 2000 den angeblichen Zustand der DGB-Gewerkschaften. Und hämisch ging’s weiter: "Erstmals hat Anfang dieses Jahres die Zahl der Aktionäre in Deutschland die der Gewerkschaftsmitglieder überschritten. Rund 8,3 Millionen Menschen investieren in Aktien und Investmentfonds, nur 8,04 Millionen haben einen Mitgliedsausweis der Gewerkschaften." Welch ein "entlarvender" Vergleich von "Äpfeln" mit "Birnen"! Genauso könnte festgestellt werden, daß in Deutschland mehr Menschen Fußball spielen, als Manager für ihr Geld arbeiten. Was heißt das schon?

Diese offensichtlich zielgerichtete und interessengeleitete "Blödheit" der Financial Times kann eine(n) Gewerkschafter(in) allerdings nicht beruhigen. Denn das Problem des Mitgliederrückgangs der Gewerkschaften läßt sich nicht leugnen. Unbestreitbar ist es heute wesentlich schwieriger als früher, Kolleginnen und Kollegen für die IG Medien zu werben und erst recht für gewerkschaftliche Aktivitäten zu gewinnen. Daran haben selbstverständlich die schwarzmalerischen Berichte und Kommentare der Medien keinen geringen Anteil: Wer möchte sich schon in einer "vergreisten" und "schwindenden" Organisation engagieren?

Doch solche Gründe sind – nach aller Erfahrung – für den Eintritt oder das Engagement in einer Gewerkschaft eigentlich nebensächlich. Viel schwerer wiegt die Auffassung mancher Beschäftigter, die Gewerkschaften seien ausschließlich oder in erster Linie eine besondere Art von Arbeitsrechtsschutz, der zudem viel mehr koste als eine private Versicherung. Und wie oft im Arbeitsleben braucht "man" schon einen Rechtsanwalt oder klagt auf Einhaltung der Tarifverträge? Wenn sich die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft auf die Inanspruchnahme dieses "Services" reduzieren würde, dann könnte Gleichwertiges tatsächlich billiger – und, zugegeben, manchmal sogar kompetenter – "eingekauft" werden.

So wichtig und richtig der Rechtsschutz war und bleibt, er stellt nur einen Bereich des "kundenorientierten Angebotes" der Gewerkschaften dar. Ihre zentralen Aufgaben und Leistungen liegen vor allem in der Schaffung und dem Erhalt von Arbeits- und Lebensbedingungen auf einem möglichst hohem Niveau: durch existenzsichernde Löhne, Gehälter, Entgeltfortzahlung und Renten sowie Zuschläge für besondere Belastungen; aber auch durch Erholungsurlaub, Verkürzung von Arbeitszeiten, Kündigungsschutz sowie Erhalt der Gesundheit am Arbeitsplatz.

Dieser umfassende "Service" läßt sich nur gewährleisten, wenn die ihn erkämpfende und tragende Organisation über ausreichend Rückhalt unter den abhängig Beschäftigten verfügt: einerseits durch die Einhaltung der Tarifverträge und den Widerstand von Betriebsrat sowie Belegschaft gegen die Angriffe der Unternehmer; andererseits, sobald die Erhöhung von Löhnen und Gehältern, aber auch eine Verbesserung von manteltariflichen Regelungen und Leistungen durchgesetzt werden soll. Ohne neue, junge und mehr (aktive) Mitglieder in den DGB-Gewerkschaften wird selbst das Erreichte nur schwer zu verteidigen sein. Der Verlust oder die Aushöhlung von Tarifverträgen hat zwangsläufig zur Folge, daß nicht einmal die heutigen Aktienbesitzer unter den Beschäftigten diese oder weitere Wertpapiere auf Dauer werden halten oder kaufen können. Spätestens an diesem Punkt treten sich die unorganisierten Beschäftigten auf die eigenen Füße.

 

Quelle: IMPULS – Informationen für Aktive Nr. 82 /21. Juli 2000
Herausgegeben vom Bezirk Wiesbaden der IG Medien
Wellritzstraße 49, 65183 Wiesbaden
Telefon 0611/405187, Telefax 0611/409719
http://www.igmedwi.de


Home
LabourNet Germany: http://www.labournet.de/
LabourNet Germany: Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch
The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace
Datei:
Datum: