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IG Medien steigt aus dem "Bündis für Arbeit" aus

Als erste DGB-Gewerkschaft hat die IG Medien ihre Mitarbeit im "Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit" aufgekündigt. Mit überwältigender Mehrheit fassten die Delegierten des außerordentlichen Gewerkschaftstages der IG Medien in Bielefeld folgenden Beschlusss:

"Die IG Medien wird im DGB, in ver.di., in den Einzelgewerkschaften des DGB und in der Öffentlichkeit für einen sofortigen Ausstieg der Gewerkschaften aus dem 'Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit' eintreten. Die IG Medien wird sich an Veranstaltungen und Arbeitsgruppen des 'Bündnisses' nicht weiter beteiligen."

Bereits auf den außerordentlichen Gewerkschaftstag 1999 in Kassel war es zur Diskussion über einen Ausstieg aus dem "Bündnis" gekommen. Ein klar formulierter Antrag des Ortsvereins Dortmund, der schon damals viel Zustimmung gefunden hatte, war durch die geschickte Kongress-Regie so umgewandelt worden, dass noch einmal versucht werden sollte, innerhalb des Bündnisses und ver.di mit eigenen Initiativen aktiv zu werden. Sollten diese Initiativen nicht erfolgreich sein, so der damalige Bechluss, wäre aus dem "Bündnis" auszusteigen.

Jetzt aber ließen sich die Antragssteller auf keine Verschiebungen mehr ein. Antragssteller war der Landesbezirksvorstand Baden-Württemberg, ein weiterer Antrag, von dem hessischen Landesvorsitzenden Berthold Balzer gestellt, spitzte den baden-württembergischen Antrag noch zu.

Sybille Stamm, Landesvorsitzende von Baden-Württemberg, sprach für den sofortigen Ausstieg aus dem "Bündnis", indem sie u.a. auf die Erfahrungen der letzten Tarifrunde hinwies. In den Tarifrunden von Chemie und Metal und schließlich der Druckindustrie hätten sich die Vorgaben aus dem "Bündnis" haargenau niedergeschlagen. Wie schon in Kassel 1999 gefordert, sei nun ein Zeichen notwendig, damit endlich mit der Logik des "Bündnisses für Arbeit" gebrochen werde. Daran schloss Martin Dieckmann, Delegierter aus dem Landesbezirk Nord, an. Er verwies auf die sehr grundsätzliche und umfassende Kritik am "Bündnis für Arbeit", wie sie nicht nur in der Gewerkschaftslinken geäußert würde. Das "Bündnis" sei Herzstück der Architektur von "New Labour" in Deutschland und der Sozialpolitik der "neuen Mitte" – die am Tag zuvor von Detlef Hensche scharf angegriffen worden war. Genauer zu untersuchen sei auch die Rolle der Bertelsmann-Stiftung im Aufbau des "Bündnisses" und auch der Böckler-Stiftung, die mittlerweile so etwas wie eine "Frontorganisation" der Bertelsmänner geworden sei. Dieckmanns Vorschlag: Durchführung von Konferenzen der IG Medien mit anderen Gewerkschaften und GewerkschafterInnen zur Diskussion der sozial- und arbeitsmarktpolitischen Konzepte, wie sie im "Bündnis" und auch in Teilen der Gewerkschaften vertreten würden.

Frank Werneke vom Gechäftsführenden Hauptvorstand der IG Medien warb für eine Verbleib im "Bündnis". Durch einen Ausstieg sei nichts gewonnen, zudem vergebe man sich der Möglichkeit, auf die Absprachen zwischen den Gewerkschaften einzuwirken. Und es gäbe schließlich auch Beispiele dafür, dass die Mitarbeit von Gewerkschaften wie der IG Medien zumindest dazu beigetragen hätte, Schlimmeres abzuwenden.

Eine Delegierte aus Nordrhein-Westfalen wandte sich sehr persönlich an Frank Werneke. Auf dem letzten außerordentlichen Gewerkschaftstag habe er genau so für einen Verbleib im "Bündnis" argumentiert. Damals hätte sie ihn in der Abstimmung unterstützt, aber jetzt sehe sie nicht, dass sich irgend etwas substanziell geändert hätte. Deshalb würde sie jetzt auch für den sofortigen Ausstieg stimmen.

Berthold Balzer, hessischer Landesvorsitzender, betonte, es dürfe nicht nur darum gehen, das "Bündnis" als Institution zu verlassen, sondern auch mit dem "Bündnis" im eigenen Kopf fertig zu werden.

Letzter Redner: Axel Becker aus dem Landesbezirk Hessen. Er hatte in Kassel 1999 noch die Verschiebung des Ausstiegs aus dem "Bündnis" wesentlich mit herbei geführt. Jetzt verwies er auf die Beschlusslage von 1999: Wenn sich Initiativen der IG Medien in ver.di als nicht erfolgreich erweisen sollten, dann wäre aus dem "Bündnis" auszusteigen. Tatsächlich war dies in etwa der Beschluss von 1999. Daraus, so Becker, gäbe es jetzt, im September 2000, nur eine Konsequenz zu ziehen: den sofortigen Ausstieg.

Der Beifall für die RednerInnen hatte das Ergebnis schon vermuten lassen: Fast alle Delegierten stimmten für den sofortigen Ausstieg aus dem "Bündnis". Bei der Gegenprobe zählte man lediglich eine Handvoll Stimmkarten, die meisten davon auf der Bühne des Geschäftsführenden Hauptvorstandes. Damit endete die Mitarbeit der IG Medien im "Bündnis für Arbeit" am 9. September 2000.

Bleibt anzumerken, dass dieser Austritt aus dem "Bündnis" zunächst nur eine symbolische Aktion bleiben wird. Zwar werden die Vertreter der IG Medien ihre Mitarbeit zunächst einstellen müssen, aber die Beschlusslage der IG Medien wird sich kaum in ver.di durchsetzen lassen. Dennoch ist der Bielefelder Beschluss ein Signal, das gerade für die Linke in den ver.di-Gewerkschaften wichtig werden kann. Und für die Gewerkschaftslinke insgesamt ist damit wohl auch eine Streitfrage endgültig vom Tisch: ob man das "Bündnis" nicht doch für alternative Strategien nutzen könnte.

Erneut und noch stärker als sonst wurde bei dieser Gelegenheit die Böckler-Stiftung kritisiert. So die Anregung, man könne doch ein Sperrkonto einrichten, auf das alle gewerkschaftlichen Ausichtsratsmitglieder denjenigen Teil ihrer Tantiemen überweisen sollten, der sonst an die Böckler-Stiftung geht. Zumindest so lange, wie nicht endlich die Rolle der Böckler-Stiftung im gewerkschaftspolitischen Zusammenhang offen und kontrovers zur Diskussion gestellt würde. Bis dahin könnte dann die Devise gelten: "Sperrt Böckler!"

09.09.2000


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