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Die neuen Managementformen und insbesondere die indirekte Steuerung werden von den Beschäftigten ambivalent wahrgenommen: Neue Selbständigkeit in der Arbeit und Befreiung von Bevormundung und Kontrolle stehen neben Gesundheitsverschleiß und Einschränkung der Lebensentfaltung. Generell gilt: die neue Maßlosigkeit in der Ökonomik führt zu einem Arbeiten ohne Ende.
Die dokumentierten, anonymisierten Selbstbeschreibungen aus solchen Unternehmen wie IBM sind authentische Belege für Überarbeitung, Auspowerung und Entspannungsunfähigkeit sowie für erste reale Gesundheitsschädigungen wie Hörstürze oder Tinnitus. Sie sind zugleich Warnsignale, die systematisches Handeln im betrieblichen Gesundheitsschutz herausfordern.
Die neuen Rechtsgrundlagen im Arbeits- und Gesundheitsschutz seit 1996 bieten hierfür Möglichkeiten:
Eine systematische Ermittlung und Beurteilung sämtlicher tatsächlicher und möglicher Gesundheitsrisiken an allen Arbeitsplätzen muss durch den Arbeitgeber erfolgen. Dies regelt verbindlich das Arbeitsschutzgesetz (§ 5). Die Ergebnisse sind zu dokumentieren und Maßnahmen sind entsprechend zu ergreifen. Besonders belastete Bereiche wie zum Beispiel Service, Außendienst usw. lassen sich im übrigen somit orten. Die Selbstbeschreibungen von Arbeitsdruck durch Beschäftigte können hierfür wichtige Hinweise geben. Eine dokumentierte Gefährdungsermittlung bietet die Chance, die Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber über die Folgen der indirekten Steuerung zu führen.
Die indirekte Steuerung prägt entscheidend Arbeitsorganisation und Arbeitszeit. Die Gestaltung der Arbeitsverfahren, -abläufe und Arbeitszeit sind Risikofaktoren für die Gesundheit, die ausdrücklich nach ArbSchG (§ 5) ermittelt werden müssen. Dabei sind auch mögliche psychische Belastungen zu berücksichtigen (so Bildschirmarbeitsverordnung § 3). Daraus abgeleitete "Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluss der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen" (ArbSchG § 4). Dieser ganzheitliche Gestaltungsauftrag verlangt zwingend die Einflussnahme auf die Rahmenbedingungen, die durch den Arbeitgeber für die einzelnen Beschäftigten, die Profit Center oder Business Units gesetzt werden.
Indirekte Steuerung trägt systemischen Charakter. Einen Einfluss auf die Ablauf- und Organisationsprozesse verlangt § 3 des ArbSchG (Grundpflichten des Arbeitgebers). Danach hat der Arbeitgeber für eine funktionierende betriebliche Organisation des Gesundheitsschutzes zu sorgen, die in die "betrieblichen Führungsstrukturen" eingebunden ist und nach der die "Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können". Dies kann eine permanente und systematische Auseinandersetzung mit der indirekten Steuerung ermöglichen. Ein solcher systemischer Zugriff ist die Voraussetzung für effektive und dauerhafte Intervention durch Betriebsrat und Beschäftigte.
In der indirekten Steuerung wird die Verantwortung für den Markterfolg und den Arbeitsprozess auf die Beschäftigten verlagert. Nach dem ArbSchG müssen aber auch alle Beschäftigten über den "Gesundheitsschutz bei der Arbeit während ihrer Arbeitszeit ... ausreichend und angemessen" unterrichtet werden (§ 12). Diese Verpflichtung für den Arbeitgeber zur Einbeziehung der Beschäftigten kann ebenfalls zur Auseinandersetzung mit den Folgen der indirekten Steuerung genutzt werden. Die Bestimmung des jeweils eigenen Maßes der Arbeit steht dabei im Mittelpunkt.
Von welchen übergeordneten Zielen lassen sich die Unternehmen leiten? Shareholder value für das Management und "passion and obsession for the business" als Vorgabe für die Beschäftigten? Das ArbSchG formuliert als verbindliche Zielstellung für das Management: "Verhütung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit" (§ 2). Dies verlangt eine entsprechende Einflussnahme auf die Rahmenbedingungen, die bei der indirekten Steuerung gesetzt werden. Die allseits akzeptierte Orientierung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an "Wohlbefinden in der Arbeit" (Ottowa-Charta) steht dabei im Konflikt zur grenzenlosen Ökonomisierungslogik der neuen Managementkonzepte.
Bei der indirekten Steuerung stellt sich der Arbeitgeber beiseite und delegiert unternehmerische Aufgaben an die Beschäftigten. Mit den aufgeführten Schritten im Gesundheitsschutz soll die unternehmerische Gesamtverantwortung wieder ins Blickfeld betriebspolitischen Handelns gerückt werden.
Dabei ist nicht stellvertretendes Expertenhandeln angesagt. Jeder Beschäftigte ist selbst der beste Experte seiner Gesundheit. Es kommt darauf an, Bedingungen zu schaffen, die den Einzelnen erleichtern, aus der Drucksituation herauszukommen.
Verantwortlich:
Klaus Pickshaus, E-Mail: klaus.pickshaus@igmetall.de
LabourNet Germany: http://www.labournet.de/
LabourNet Germany: Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace |
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