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Hände weg von der Arbeitslosenhilfe!

 

Ganz oben auf der Wunschliste der Arbeitgeberverbände steht die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe. Auch innerhalb der Bundesregierung wird über eine "Verzahnung" und "Zusammenlegung" von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe nachgedacht.

Auf den ersten Blick erscheinen beide Sozialsysteme auch recht ähnlich: Beide setzen Bedürftigkeit voraus und werden aus Steuermitteln bezahlt. Warum nicht zusammenlegen? Doch tatsächlich sind die Ähnlichkeiten so beschränkt wie zwischen einem Briefkasten und einer Zitrone. Ein Aufgehen der Arbeitslosenhilfe in der Sozialhilfe hätte dramatische Auswirkungen für Erwerbslose, Beschäftigte und die sozialen Sicherungssysteme insgesamt.

Salamitaktik bei der Arbeitslosenhilfe: Abschaffung scheibchenweise In der Vergangenheit wurden etappenweise zahlreiche Verschlechterungen bei der Arbeitslosenhilfe (Alhi) durchgesetzt. So wurde z.B. von der Kohl-Regierung

Die rot-grüne Bundesregierung hat diese Kürzungen nicht zurückgenommen. Im Gegenteil: Mit dem Sparpaket wurde(n)

Auch für die Zukunft ist nicht die Abschaffung der Alhi auf einen Schlag zu erwarten, sondern eine Fortsetzung der Salamitaktik einer schrittweisen Entwertung der Alhi. Wahrscheinlich noch in diesem Jahr wird dem Gesetzgeber per Gerichtsurteil auferlegt, beitragspflichtige Einmalzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld in der Arbeitslosenversicherung anders zu berücksichtigen. Doch wie aus Regierungskreisen zu hören ist, sollen Einmalzahlungen zwar das Arbeitslosengeld erhöhen, bei der Arbeitslosenhilfe jedoch nicht berücksichtigt werden

Was kommt danach? Die Herausnahme der Alhi-Bezieher aus der Rentenversicherung? Die Pflicht zur Annahme von Arbeitsgelegenheiten wie heute im Sozialhilferecht? Wenn man nur oft genug mit "kleinen" Schnitten an der Arbeitslosenhilfe herumschnippelt, dann bleibt am Ende auch nichts mehr übrig...

* "Originäre Arbeitslosenhilfe" bekam, wer die Anspruchsvoraussetzungen auf Arbeitslosengeld nicht erfüllen konnte, aber mindestens fünf Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt war oder in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stand (Referendare, Zivil- und Wehrdienstleistende)

 

Geringeres Leistungsniveau

Die Höhe der Arbeitslosenhilfe ist vom letzten Verdienst abhängig. Sie beträgt 53 Prozent des letzten Nettoeinkommens, bzw. 57 Prozent bei Erwerbslosen mit Kind(ern). Im Gegensatz dazu wird die Sozialhilfe nach festen Regelsätzen gezahlt. Hinzu kommen Kosten für Unterkunft und gegebenenfalls einmalige Beihilfen. Der gesamte Sozialhilfeanspruch von Alleinstehenden liegt aktuell bei durchschnittlich 1.181 DM. Für alle (alleinstehenden) Leistungsbezieher (innen), die zuletzt netto 2.228 DM und mehr verdienten, bedeutet ein Wegfall der Arbeitslosenhilfe schlicht Sozialabbau und Einkommensverlust. Es ist falsch, wenn behauptet wird, daß schon heute viele Arbeitslose ergänzende Sozialhilfe beziehen. Nur ein Fünftel der Alhi-Bezieher(innen) erhält aufstockende Leistungen vom Sozialamt. Mit anderen Worten: Die ganz überwiegende Mehrheit hat heute keinen Anspruch auf Sozialhilfe - weil ihre (Haushalts)Einkommen über dem Sozialhilfesatz liegen - und würden bei einer Abschaffung der Alhi zu den Verlierer(innen) zählen.

 

Weniger Geld in der Haushaltskasse

Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe bekommt nur, wer "bedürftig" ist. Allerdings ist die Bedürftigkeitsprüfung im Sozialhilferecht wesentlich schärfer. Einkommen und Vermögen werden umfangreicher mit dem Leistungsanspruch verrechnet:

Ergebnis: In der Sozialhilfe liegt das Gesamteinkommen eines Haushalts - also die Summe aus anderen Einkünften und der (entsprechend gekürzten) Sozialleistung - deutlich niedriger als im Alhi-Bezug. Ausgrenzung aus dem Leistungsbezug.
Die schärfere Bedürftigkeitsprüfung kann aber auch dazu führen, daß Erwerbslose gar keine Leistung vom Sozialamt erhalten. Z.B. mit Verweis auf das Partnereinkommen, von dem beide leben sollen (siehe Kasten), oder mit Verweis auf Erspartes:

Bei der Alhi liegt der Vermögensfreibetrag bei 8.000 DM, bei Paaren bei 16.000 DM. In der Sozialhilfe hingegen schließt bereits ein "Vermögen" von 3.700 DM auf dem Bankkonto den Leistungsbezug aus. Ein Ehepaar würde solange keine Mark Sozialhilfe bekommen, bis von den 16.000 DM nur noch 3.700 DM übrig sind.

Ein Wegfall der Alhi würde für viele die vollständige Ausgrenzung aus dem Leistungsbezug bedeuten. Das Risiko der Arbeitslosigkeit würde privatisiert. Darüber hinaus wäre den heutigen Alhi-BezieherInnen der Zugang zu Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik (ABM, Fortbildung und Umschulung u.a.) verstellt.

 

Der "kleine" Unterschied: Einkommensanrechnung in Mark und Pfennig

Veronika verdient 2.200 DM netto. Ihr Ehemann Werner ist langzeitarbeitslos und hätte "eigentlich" einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe in Höhe von 1300 DM. Im Rahmen der Bürftigkeitsprüfung wird aber ein Teil von Veronikas Einkommen angerechnet, so daß Werner nur 563 DM vom Arbeitsamt ausgezahlt bekommt. Das Haushaltseinkommen der beiden liegt somit bei 2.763 DM. Wäre die Arbeitslosenhilfe bereits abgeschafft und in die Sozialhilfe aufgegangen, hätten die beiden erhebliche Einkommenseinbußen. Der Sozialhilfeanspruch für das Ehepaar liegt bei 1.874 DM. Veronika darf zwar von ihrem Einkommen laut Sozialhilferecht einen Freibetrag von 273 DM abziehen, aber das Resteinkommen (2.200 DM- 273 DM = 1.927 DM) liegt immer noch über dem Sozialhilfesatz, das heißt es gibt keine Mark vom Sozialamt. Die beiden müssen alleine von Veronikas Lohn leben und ein Loch von 536 DM (ausgezahlte Alhi) verkraften!

 

Keine Rentenversicherung

Für Alhi-Bezieher(innen) zahlen die Arbeitsämter entsprechend der ausgezahlten Leistung Beiträge in die Rentenversicherung ein. Während des Sozialhilfebezugs werden hingegen keinerlei Rentenbeiträge gezahlt und somit auch keine Rentenansprüche erworben.

 

Was bleibt von der Arbeitslosenversicherung?

Arbeitslosengeld wird in der Regel nur für höchstens 12 Monate gezahlt. Mit dem Wegfall der Alhi im Anschluß an das Arbeitslosengeld würde die Arbeitslosenversicherung ihre Legitimation verlieren und insgesamt in Frage gestellt: Denn was ist von einer Sozialversicherung zu halten, die Arbeitslose nach einem Jahr an das Sozialamt durchreicht, obwohl die Arbeitnehmer vielleicht Jahre oder gar Jahrzehnte Beiträge einzahlten.

 

Pflichtarbeit macht Arbeitnehmer gefügig

Sozialhilfeberechtigte müssen (fast) jede Arbeit annehmen, auch Arbeitsgelegenheiten ohne Lohn und Sozialversicherungsschutz, für die nur ein paar Mark Aufwandsentschädigung gezahlt werden. Die Ausweitung dieser Arbeitspflicht auf alle Alhi-Bezieher wäre ein entscheidender Schritt zur Durchsetzung des vielgepriesenen Niedriglohnsektors: Man fügt sich "williger" in sein Billiglohnschicksal auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, da dies immer noch besser ist als im Rahmen kommunaler Pflichtarbeit für 3 Mark die Stunde rund um Altglascontainer sauber machen zu müssen.

Statt die Arbeitslosenhilfe etappenweise abzuschaffen, ist der entgegengesetzte Weg notwendig und machbar: Wir brauchen eine bedarfsorientierte Grundsicherung, deren Leistungen deutlich über der heutigen Sozialhilfe liegen und die wirksam vor Armut schützt. Diese Grundsicherung muß als Mindestsockel in die Arbeitslosenversicherung eingebaut werden. Damit würde die Arbeitslosenversicherung nicht ersetzt, sondern sichergestellt, dass auch Geringverdienende bei Arbeitslosigkeit existenzsichernde Leistungen vom Arbeitsamt erhalten. Eine einheitliche Absicherung aller Erwerbslosen - also auch der erwerbslosen Sozialhilfeberechtigten - ist sinnvoll, aber nur unter dem Dach der Arbeitslosenversicherung!

Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen

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