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Auch die dänische Sozialdemokratie pflegt den "aktivierenden" Staat. Erwerbslose sollen per Zwang in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden und dabei einen steigenden Lohndruck bremsen. Die dänische "Aktivlinie" gewinnt zunehmend internationale Modellfunktion. Wir schließen mit diesem Beitrag die Analyse der dänischen Arbeitsmarktpolitik ab.
"Von Dänemark lernen" lautete der Titel einer Tagung, die das Wissenschaftszentrum Berlin im Februar 1999 organisierte. Der dänische Arbeitsminister hielt eine schöne Rede, doch über die "Aktivlinie" – die dänische Variante einer aktiven Arbeitsmarktpolitik – erfuhr man wenig. Lediglich die Vorzeigemaßnahme "Jobrotation" wurde genauer vorgestellt. Bei der Jobrotation macht ein/e Beschäftigte/r eine Weiterbildung und wird durch jemand anderes vertreten. Diese Vertretung wird mit einem staatlichen Lohnkostenzuschuß unterstützt. Über die Lohn- und Arbeitsbedingungen derjenigen, die die Stammbelegschaft ablösen, wird dabei wenig gesagt. Ansprüche, die ein unbefristeter Arbeitsplatz mit sich bringt (Renten, gewerkschaftliche Vertretung etc.), sind in befristeten Jobs teilweise nicht vorhanden. Aber es kommt natürlich auf die Auseinandersetzung im Betrieb über die Bedingungen der "Ablöser/innen" an- eine Gestaltung im Sinne der Beschäftigten ist jedenfalls grundsätzlich nicht ausgeschlossen.
1996 waren ca. 35.000, 1997 weniger als 20.000 und 1998 25.000 in Jobs, die durch Jobrotation vermittelt waren. Im Vergleich zu den 14.000 Jobs in nicht-tarifierten Maßnahmen sind die Zahlen nicht so schlecht. Gezählt wurden 1998 aber nur die TeilnehmerInnen, nicht die Zahl der geschaffenen Vollzeitarbeitsplätze. 1998 hat jedoch die Tendenz zugenommen, daß Großbetriebe den mit der Jobrotation verknüpften staatlichen Lohnkostenzuschuß nutzen, um ihre Beschäftigten auf Wochenseminare zu schicken. So sieht die Statistik in diesem Jahr fast ausschließlich wegen einer solchen einwöchigen Schulung bei Post Danmark besser aus als 1997.
Und auch im Zusammenhang mit sinnvoll erscheinenden Formen wie Urlaubsvertretungen oder Jobrotation sollte man sich die Frage stellen, ob Erwerbslose bei Drohung des Entzugs ihrer materiellen Lebensgrundlage zur Teilnahme gezwungen werden sollten. Die dänische "Landesorganisation der Erwerbslosen" hat die schönen Worte, die um manche Projekte gemacht werden, "Mafiasprüche" genannt: "Wir haben da ein Angebot, daß sie nicht ablehnen können ...".
Was ihre bürgerlichen Vorgänger nicht geschafft hatten, schien der sozialdemokratischen Regierung Anfang des Jahres 1998 gelungen zu sein: eine massive Veränderung im Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit. Die dänische Industrie, und hier vor allem die Exportindustrie, hatte in den Jahren nach 1994 ein Wachstum erreicht, das weit über dem europäischen Durchschnitt, ja sogar über den durchschnittlichen Zuwachsraten des "goldenen Jahrzehnts" zwischen 1955 und 1965 lag.
Die bürgerliche Tageszeitung Jyllands-Posten schrieb im Frühjahr 1998 von einer "ungewöhnlich konstanten Steigerung der Gewinne", zwischen 15 und 20% in den letzten sechs Jahren. Die Rendite aus Eigenkapital lag in dieser Zeit stets höher als die Leitzinsen. Die Aktiendividenden sind 1997 und 1998 jährlich um 43% gestiegen. Jyllands-Posten erklärte dies mit Rationalisierungen, Betriebsschließungen und einer geringen Steigerung der Löhne. In der Tat waren die Nominallöhne in den genannten sechs Jahren langsamer gestiegen als in der Bundesrepublik, England, Frankreich oder Holland. Der Anteil der Löhne am Volkseinkommen war von 70 auf etwa 60% gefallen (vgl. ak 415, 6/1998).
Doch trotz veränderter Kräfteverhältnisse sind die Klassenauseinandersetzung auch in Dänemark nicht stillgelegt. 1998 begann ein Aufsehen erregender Massenstreik. Auch die Jahre zuvor waren nicht frei von heftigen Arbeitskämpfen wie etwa die monatelange Blockade der Busgesellschaft RiBus in Esbjerg im Jahre 1995. Dennoch war der Konflikt 1998 etwas neues: Zum erstenmal beteiligten sich massenhaft Arbeiter/innen an den Auseinandersetzungen, die den Streik des Jahres 1985 nicht aktiv mitgemacht haben. Und zum erstenmal nach 1985 wurde eine Forderung nach Verkürzung der Arbeitszeit zum Mittelpunkt eines Großkonfliktes. Die Regierung wußte sich nur mit einem Verbot des Streiks zu helfen, nachdem in der letzten Aprilwoche 1998 die private Industrie fast völlig lahmgelegt war. Der gleichzeitig erlassene Tarifvertrag beinhaltete eine Verlängerung des Jahresurlaubs um drei Tage (auf 5,5 Wochen) und moderate Lohnerhöhungen von drei bis vier Prozent.
Im April 1999 wurden die Regelungen ohne großen Widerstand für den öffentlichen Dienst übernommen. Ausnahmen waren die Beschäftigten in den Krankenhäusern und ein Teil der LehrerInnen. In den Krankenhäusern kam es im Mai sogar zum Streik, den die Regierung schon nach wenigen Tagen abbrach, ohne auch nur einen Hauch auf die Forderungen der Kolleginnen und Kollegen einzugehen. In einigen Krankenhäusern wurde darauf hin wochenlang punktuell und illegal gestreikt.
Die Arbeitskämpfe in diesem wie auch im letzten Jahr zeigen, daß die Regierung nicht in der Lage ist, Kämpfe um bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen grundsätzlich zu verhindern. Das Problem, das die Schlüter-Regierung in den 80er Jahren hatte, existiert nach wie vor. Solange die Löhne nicht diktiert werden und damit der Rest der Tarifautonomie aufgelöst wird, ist eine Grundlage der aktuellen aktiven Arbeitsmarktpolitik in Frage gestellt.
Nach dem knappen Wahlsieg im April 1998 legte die sozial-liberale Minderheitsregierung im Oktober 1998 die dritte Stufe der Arbeitsmarktreform vor ("Arbeitsmarktreform III"). Der Bezug auf die Streiks des Jahres 1998 war dabei ganz deutlich. Ove Hygum, sozialdemokratischer Arbeitsminister wies sorgenvoll auf die erreichte "Vollbeschäftigung" hin. Nach einer Statistik aus seiner Behörde war die Erwerbslosigkeit in den letzten vier Jahren halbiert worden. Neben dem Verbot "unmäßiger Streiks" sollte die Arbeitsmarktpolitik daher vor allem "unverantwortliche Lohnsteigerungen" verhindern. Sozialministerin Marianne Jelved ergänzte: "Die Löhne steigen und damit steigt die Inflation. Das muß gebremst werden, indem das Angebot an Arbeitskräften erhöht wird. Das genau will die Arbeitsmarktreform, und deshalb wird die Aktivlinie weiter vertieft."
Seit Oktober letzten Jahres werden alle jugendlichen ArbeitslosengeldbezieherInnen unter 25 Jahre zur Teilnahme an Aktivierungsmaßnahmen verpflichtet. Schon nach einem Jahr müssen alle Erwerbslosen eine der verschiedenen Maßnahmen annehmen. Dies gilt auch für Personen über 50 Jahre, die bisher ausgenommen waren. Nach zwei Jahren müssen Erwerbslose mindestens 75% der verbleibenden Zeit des Arbeitslosengeldbezuges an Aktivierungsmaßnahmen teilnehmen. Zwischen den einzelnen Maßnahmen dürfen nicht mehr als vier Wochen vergehen. Gleichzeitig wurde die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes von fünf auf vier Jahre verkürzt und damit in den letzten vier Jahren fast halbiert. Die Bezugsdauer kann nicht mehr aufgrund von Krankheit verlängert werden. Und schließlich müssen Erwerbslose bereits nach drei Monaten, nicht wie bisher nach einem halben Jahr, einen Job annehmen, der unter ihrem Ausbildungsniveau liegt (1).
1) Die schwedische Regierung hat in diesem Herbst erstmals ein Gesetz vorgelegt, daß in gleicher Weise mit "Aktivierung" arbeitet, wie es in Dänemark üblich ist. Die "Aktivlinie" ist zwar von Land zu Land sehr unterschiedlich ausgeformt. Es gibt jedoch eine internationale Tendenz zu verstärkter Repression gegen Erwerbslose. Die dänische "Aktivlinie" gewinnt Vorbildcharakter. |
Im Bereich der Sozialhilfe waren die Regelungen bereits Anfang 1998 verschärft worden. Dort setzt die Pflichtaktivierung für alle unter 30 Jahren nun bereits nach spätestens 13 Wochen ein. Die Regelung führt dazu, daß viele Kommunen mittlerweile zur "Sofortaktivierung" übergegangen sind: Ein Anrecht auf Sozialhilfe unabhängig von einer Arbeitsleistung gibt es praktisch nicht mehr. Für einen Teil der Jugendlichen wurde die Sozialhilfe stark gekürzt (von ca. 7.000 auf ca. 4.500 Kronen, also von 1.900 auf 1.200 DM). Dies gilt auch für Flüchtlinge: ähnlich wie in der BRD wurde die Sozialhilfe per Sondergesetz abgeschafft und durch ein Art Taschengeld ersetzt. Mit ca. 3.500 Kronen liegt dies deutlich unter allen anderen sozialen Einkommen.
Die Regierung hat also nicht nur den Druck auf die Erwerbslosen insgesamt verschärft, sondern auch die Hierarchisierung innerhalb der verschiedenen Gruppen von Erwerbslosen verstärkt: durch die Einordnung in "Aktivierungsprojekte", die hinsichtlich der Qualität der angebotenen Ausbildung/Arbeit sehr unterschiedlich sind (vgl. ak 430); durch die materielle Benachteiligung von Sozialhilfeempfänger/innen und die nochmalige Schlechterstellung von Flüchtlingen. Während die Gesetze die Einteilung in Gruppen mit höchst unterschiedlichen materiellen Rechten vornehmen, teilen die SachberarbeiterInnen der Arbeitsvermittlung und des Sozialamtes in "schwache" und "starke" Erwerbslose ein.
Heute sind über 70.000 Menschen in Aktivierungsprogramme verpflichtet worden, das entspricht ca. 3% der Beschäftigten. Die Jobs, die von der "Landesorganisation der Erwerbslosen" (LO) als "Sklavenarbeit" bezeichnet werden, umfassen ca. 1/3 des gesamten Programmes. Die Maßnahmen finden fast ausschließlich bei kommunalen oder anderen öffentlichen Trägern statt. Der Druck auf die Löhne und Arbeitsbedingungen wird praktisch vor allem durch Auslagerung von Teilen der Produktion der privaten Industrie in kommunale Aktivierungsprojekte ausgeübt. Die Bedeutung der "Aktivlinie" als Niedriglohnsektor liegt vor allem darin, daß die Arbeitsvermittlung damit drohen kann, die Erwerbslosen in das Drittel einzuordnen, in denen die stumpfsinnigsten Jobs geboten werden.
Eine Untersuchung des Sozialforschungsinstitutes in Kopenhagen (SFI), die sich auf den Zeitraum 1994 bis 1999 bezieht, hat gezeigt, daß etwa ein Viertel der "Aktivierten" ein Jahr nach der Maßnahme einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt hatte. Es ist schwer zu sagen, ob diese Ziffer auch ohne die Maßnahme erreicht worden wäre. Auf jeden Fall ist das noch 1994 im Mittelpunkt stehende Ziel der Regierung, alle Erwerbslosen langfristig in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln, nicht erreicht worden. Wenn überhaupt, verhilft die "Aktivierung" vor allem den "starken" Erwerbslosen zu einem Job, aber auch dieser Effekt ist laut SFI "außerordentlich begrenzt".
Die "Gewerkschaft der Akademiker" (AC) stellte im Frühjahr 1999 fest, daß insgesamt mehr Menschen von Langzeiterwerbslosigkeit betroffen seien als zu Beginn der "Aktivlinie" 1994. Diese erschienen nur deshalb nicht in der Statistik, weil das Zwangselement des neuen Systems dazu führt, daß ein Teil der Erwerbslosen keine Sozialleistungen mehr erhält. Eine weitere SFI-Studie belegt, daß ein Viertel der Sozialhilfeempfänger unter 25 Jahren "das System verlassen habe". Dies ist ein bürokratischer Ausdruck dafür, daß ein großer Teil dieses Viertels schlicht und einfach keine legale Lebensgrundlage mehr hat.
Auch in den 90er Jahren richtete sich ein wesentlicher Teil der staatlichen Arbeitsmarktpolitik gegen das traditionell hohe Niveau der Lohnersatzleistungen, das ursprünglich als Kompensation für den nicht vorhandenen Kündigungsschutz gedacht war. Die "Aktivlinie" bedeutet für Dänemark daher einen grundlegenden Bruch mit dem bisher gültigen Klassenkompromiß. Der Staat garantiert die erwerbslose Existenz nicht mehr, das Recht der Unternehmer jedoch, nach Belieben zu heuern und zu feuern, wird nicht angetastet.
Ein zweiter grundlegender Bruch besteht darin, daß die "Aktivlinie" den universalistischen Anspruch der Sozialpolitik aufgibt. Strategie der Sozialdemokratie etwa seit den 20er Jahren war es, möglichst viele Sozialleistungen unabhängig vom Einkommen zu gewähren und gleichzeitig die Menschen von dem Zwang zu befreien, ihre Arbeitskraft jederzeit auf dem Markt anbieten zu müssen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde ein für alle gleichermaßen zugängliches Gesundheitswesen eingerichtet. Auch die gewerkschaftlichen Arbeitslosenkassen, die im Gegensatz zu Pensionen und Gesundheitswesen auf dem Versicherungsprinzip basieren, sind de facto zu einem großen Teil durch staatliche Zuschüsse finanziert. Seit 1994 hat die regierende Sozialdemokratie mit hoher Geschwindigkeit die alten ideologischen Eckpfeiler über Bord geworfen.
Im Zusammenhang mit der Debatte um den Staatshaushalt, der im Oktober 1999 beschlossen wird und ein zentrales Ereignis in der dänischen Politik ist, wird fast nur noch über die "Aktivlinie" debattiert. In einem scheinen sich alle Beteiligten einig zu sein: Die Aktivierung ist ineffektiv und muß "verbessert" werden. Die Gelder seien so verteilt, daß Erwerbslosen, die noch nicht in der "Aktivperiode" sind, kaum geholfen werde. Zum anderen sei durch die "Totalaktivierung" (O-Ton) der Druck auf die Arbeitsvermittlung so gestiegen, daß die Maßnahmen immer weniger "sinnvoll" seien. Dies führe dazu, daß die Kosten für das Programm in ungekannte Höhen stiegen. Ein Teil der Aktivierung sei schlicht und einfach Geldverschwendung. Die Reformvorschläge sind höchst unterschiedlich. In der Tendenz laufen sie allerdings alle darauf hinaus, die Form des Zwangs auf die Erwerbslosen zu ändern.
Bereits im Frühsommer distanzierte sich die Gewerkschaftszentrale von der "schlechten Aktivierung" ( im Gegensatz zu "guten"). Finanzminister Lykketoft kündigte für die Regierung darauf hin "weniger Peitsche und mehr Zuckerbrot" an. In den Haushaltsverhandlungen konstatierten die Sozialistische Volkspartei (SF) und die Christliche Volkspartei (CD), daß die Aktivierung teurer als öffentliche Beschäftigung in der ambulanten Altenpflege sei. Damit brachten die beiden kleinen Parteien tarifliche und gewerkschaftlich organisierte Jobs als Alternative zur Aktivierung ins Gespräch.
Eine weitere Kritik an der "Aktivlinie" wird von der größten bürgerlichen Oppositionspartei (Venstre) und von "Experten" aus dem Arbeitgeberverband formuliert. Die Aktivierung sei eine "Verstaatlichung" und "Bürokratisierung". Sie solle künftig vor allem in den privaten Unternehmen stattfinden. Dazu soll der Staat entsprechende Zuschüsse gewähren. Das Programm soll dazu dienen, daß der Druck auf die Löhne in den Sektoren steigt, wo die Verhandlungsposition der Beschäftigten derzeit relativ stark ist. Wie das Ziel erreicht werden soll, ist allerdings unklar. Bisher scheiterten alle Versuche in diese Richtung daran, daß die Unternehmer mit billigen, aber zwangsverpflichteten Arbeitskräften nichts anfangen konnten.
Der Mehrheit der bürgerlichen Opposition ist eine weitere Kürzung der Bezugsdauer und der Höhe des Arbeitslosengeldes wichtiger. Dies sei ein viel geeigneteres Mittel, die Erwerbslosen in Arbeit zu zwingen. Die Regierung lehnt solche Vorhaben im Moment ab, möglicherweise eine Reaktion auf die Proteste gegen die Abschaffung des staatlich garantierten Vorruhestands im letzten Jahr. Die Kürzung bei der Arbeitslosenunterstützung betrifft viel eher ihre eigentliche Wähler/innen/basis, und die Sozialdemokratie hat die historisch niedrigen Wahlergebnisse nach der Privatisierung der Vorruhestandsregelung sicherlich nicht vergessen.
Die Regierung Rasmussen ist in einer schwierigen Position. Die durchaus konträren Vorschläge, die zur Reform der Aktivlinie gemacht werden, werden von ihr mehr oder weniger alle begrüßt. Gleichzeitig streuen die zuständigen Minister Asche auf ihr Haupt. Sozialministerin Jelved gesteht: "Unsere Sozialpolitik ist gescheitert". Sie weist zurecht darauf hin, daß 1999 noch genauso viele "Marginalisierte" in Dänemark leben wie 1994. Die Erwerbslosen seien zu "abhängig" vom Staat. Jelved spricht von einer "Versorgerkultur", die durch mehr Privatinitiative ersetzt werden solle. Im Gespräch ist, die kommunalen Unternehmen, die die Maßnahmen im Rahmen der Aktivierung durchführen, an Private zu verkaufen.
Damit ist bisherige Form der Repression gegen die Erwerbslosen auch systemimmanent in Frage gestellt. "Totalaktivierung" sei eine Utopie (!). Bestimmte Gruppen, Alte, Drogenabhängige, Kranke, könnten nicht mehr in den Arbeitsmarkt integriert werden. Der Vorsitzende der Vereinigung der Kommunen, der sozialdemokratische Bürgermeister von Odense, Anker Boye, spricht von einer "Generation aus den 80ern, die für den Arbeitsmarkt verloren ist".
Die Zukunft der "Aktivlinie" ist unklar. Vielleicht spielen hier nicht die links-liberalen Oppositionsparteien das Zünglein an der Waage. Der Vor- schlag der SF und der CD zur Schaffung von 20.000 tarifierten Arbeitsplätzen ist zwar sicher sinnvoll, jedoch fehlt, auch der Linken, zur Zeit sowohl eine gründliche Kritik der Aktivierung als auch eine grundlegende politische Alternative. Gleichzeitig verschiebt sich das politische Spektrum insgesamt nach rechts. Die rechtsradikale "Dänische Volkspartei" (DVP) ist mittlerweile die zweitstärkste bürgerliche Oppositionspartei. In der Logik der Argumentation von der "verlorenen Generation" und dem Erstarken der DVP liegt eher, daß die Repression gegen einen bestimmten Teil der Erwerbslosen noch verstärkt werden muß. Das vorläufige regierungsamtliche Ergebnis der "Aktivlinie", daß bestimmte Gruppen nunmehr endgültig als "nicht integrierbar" definiert, läßt nichts Gutes ahnen.
Seit der Einführung der "Aktivlinie" 1994 ist nicht nur die Zahl der zwangsweise verpflichteten Erwerbslosen erheblich gestiegen. Die Argumentation, mit der die Regierung das Programm begründet, hat sich ebenfalls verändert. Einerseits wird immer behauptet, Erwerbslosigkeit zerstöre den Menschen. Andererseits werden die "mangelnden Fähigkeiten" der Erwerbslosen zum eigentlichen Problem erklärt. Vor allem dieser Aspekt hat mit dem Ausbau des Zwangscharakters der Arbeitsmaßnahmen ein stärkeres Gewicht bekommen, während das "fürsorgerische" Argument an Bedeutung verloren hat. Wenn "die Arbeitslosen" nicht mehr in der Lage sind, den Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes zu genügen, dann muß der Staat eben dafür sorgen, daß sie bereit sind, sich einem "Training" zu unterwerfen.
Die "Aktivlinie" gibt vor, für die unterschiedlichen Erwerbslosen maßgeschneiderte Programme zu bieten. Jedem einzelnen soll die Integration in den kapitalistischen Verwertungsprozeß ermöglicht werden. Dieser Verwertungsprozeß ist jedoch systematisch so angelegt, daß er ein Potential an Menschen benötigt, die in Zeiten der Hochkonjunktur Lohnarbeiter/innen sein können und in Zeiten der Rezession in die industrielle Reservearmee abgeschoben werden. Er ist ebenfalls so angelegt, daß er von Zeit zu Zeit einen Teil der potentiellen Lohnarbeiter/innen ganz ausschließt.
Die konkreten Ergebnisse des Aktivierungsprojektes zeigen, daß diese Systematik in keiner Weise durchbrochen worden ist. Seit 1994 ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen gestiegen, obwohl die Zahl der Erwerbslosen insgesamt abgenommen hat. Während die industrielle Reservearmee also teilweise in den Produktionsprozeß übergegangen ist, hat der "Pauperismus" zugenommen. Das Versprechen, marginalisierte Menschen in den kapitalistischen Verwertungsprozeß zu integrieren, ist auch durch kommunale Beschäftigung auf Dauer offenbar nicht einzulösen.
Trotz aller Beteuerungen berücksichtigt die neue Politik die unterschiedlichen Voraussetzungen der Menschen, ihre tatsächlichen Qualitäten, ihre Unterschiedlichkeit, nicht. Sie reduziert sie vielmehr auf eine einzige Qualität, nämlich die Lohnarbeit. Lohnarbeit, der kapitalistisch organisierte Markt, soll als Maßstab aller Einkommen gelten. Für eine Schicht von völlig verarmten Menschen bleibt endlich nur noch die Verteilung von Almosen, oder schlimmer noch die Definition der mangelnden Erwerbsmöglichkeiten als "Krankheit".
Die "Aktivlinie" ist das Gegenteil einer solidarischen Politik. Sie verschärft ideologisch wie praktisch die Zersplitterung der ArbeiterInnenklasse. Sie ist ein Teil des Klassenkampfes. Nicht nur Blair und Schröder, auch Rasmussen formuliert sie im Zusammenhang mit der Zurückdrängung von Positionen, die sich die ArbeiterInnenbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch ganz konkret in den aktuellen Streikbewegungen, erkämpft hat.
Und der Widerstand? Nach der Aktion der Landesorganisation der Erwerbslosen gegen einige Aktivierungszentren im Mai (vgl. ak 430) hat die Gewerkschaftsführung zum ersten Mal seit vielen Jahren Kritik an der Arbeitsmarktpolitik der Regierung geübt. Wenn dabei allerdings das Problem der gewerkschaftlichen Organisierung der "Aktivierten" nicht auf den Tisch kommt und keine gemeinsamen Forderungen entwickelt werden, wird die einzige Folge der gewerkschaftlichen Kritik sein, daß die Arbeit der "Aktivierten" in Bereiche verlegt wird, in denen die jeweiligen Einzelgewerkschaften nicht verankert sind. Ein Schlüssel für die Möglichkeit einer gemeinsamen Politik der linken Opposition gegen die Zwangsaktivierung kann nicht alleine die Forderung nach einer Verbesserung der materiellen Bedingungen der "Aktivierten" sein. Es muß auch die Rechtlosigkeit (und nicht nur die Sinnlosigkeit) in einem großen Teil der Projekte kritisiert werden. Die Forderung nach einer anderen Arbeitsmarktpolitik ist kurzfristig eine Forderung nach mehr sozialen und demokratischen Freiheiten- nicht nur in Dänemark.
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