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Stahlinformationen

Nr. 2 / 2002 - 21. Jahrgang Dortmund, den 5.03.2002

 

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

im Mittelpunkt der letzten Wochen standen die ersten dezentralen Gespräche des neuen Weltkonzerns arcelor und die Vorbereitungen zur Betriebsratwahl.

Der arcelor-Vorstand entdeckt die Belegschaften und fordert 10 000 Ideen für die Gestaltung der Zukunft !

Der neue Chef Dollè reist derzeit durch die 21 europaweiten Standorte und versucht dabei die Belegschaften einzubinden, damit sie sich mit den Unternehmenszielen identifizieren. "Lieber 10 000 Ideen zu 10 € als 1000 zu 100 € – das Gold liegt in den Köpfen der Menschen" ist seine Devise. Dazu versucht er deutlich zu machen, dass ein Standort gegen den anderen im "Wettbewerb" zu kämpfen hat.

Die Situation ist gekennzeichnet durch zurückgehende Aufträge, die zum Teil durch Kurzarbeit ausgeglichen werden sollen, den Druck zum Erfolg durch den gerade vollzogenen Börsengang und die notwendigen Einsparungen bei einer Überkapazität von über 3-4 Mio to Brammen im Konzern. Dabei hat sich der Vorstand ein Ziel von 18 Monaten gesetzt, bis die örtlichen Untersuchungen zum Stillegungsziel geführt haben.

Ziel des Angriffs sind auch die bisherigen Unternehmensstrukturen: "Die Hierarchien müssen flacher werden."

Nach Dollé ist der Verbrauch im Flachstahlbereich weiter sinkend und durch "Spottpreise" schreiben alle Hersteller Verluste. Um dem entgegenzuwirken hat arcelor beschlossen, die preise um 10% zu erhöhen. Beim Warmbreitband und beim Kaltband scheint sich das durchzusetzen, bei verzinkten Material noch nicht. Trotz EKO und Strahlwerke Bremen ist der Anteil am Volumen des deutschen Stahlmarktes noch zu gering daher die Botschaft an diese beiden Betriebe: ihr müsst profitabler produzieren !

Gelungener Börsengang soll Einstieg in das US-Geschäft finanzieren

Mit einem Plus von über 10% von 13,65 € auf 15,10 € notierte die Aktie nach dem Börsenauftakt. Die deutsche Bank rechnet mittelfristig mit 21-22 €. "Die Marktkapitalisierung liegt über 6 Mrd. €, und ein annähernd 71-%iger Streubesitz macht sie zum liquidesten Stahltitel Europas" so die Analysten er Deutschen Bank.

Alle rechnen – trotz der flauen Kursentwicklung und der hohen Verschuldung der Vorgänger - mit einem steilen Gewinnanstieg und damit mit der Finanzierung des Einstiegs in den US-Stahlmarkt.

arcelor will die Branchenkrise in den USA nutzen, um sich in ein Unternehmen für die Produktion von Stahl für die Automobilindustrie einzukaufen. Bislang wurde der US-Markt nur durch Importe beschickt. Da aber ein Drittel aller Autos weltweit in den USA produziert werden, muss sich das ändern. Außerdem liegen die Preise auf dem US-Markt um 20% höher als hier in Europa. Deshalb wehrt sich der Konzern auch gegen die von US-Präsident Bush erneut geforderten Schutzzölle. Der Konzern produziert schon in Pittsburgh/Pennsylvania in kleinem Umfang rostfreien Stahl.

arcelor rechnet für das Krisenjahr 2001 mit rund 150 Mio. € Verlust. Doch schon in diesem Jahr soll der Konzern bei einem Umsatz von 26 Mrd. € rund 500 Mio € Gewinn machen, in 2003 dann 600 bis 950 Mio € Reingewinn. Das Unternehmen hat eine Verschuldungsquote offiziell von 55%.

 

Vorbereitung der Betriebsratswahlen und erste Ergebnisse

Bei den Stahlwerken Bremen, ThyssenKrupp Dortmund, Thyssen Eisenbahn&Häfen gibt es Persönlichkeitswahlen, bei ThyssenKrupp in Duisburg und in Bochum Listenwahl.

In Bochum gab es Auseinandersetzungen im VKL über das Verfahren zur Erstellung der Absicherungsliste der IGM. Ein Vorschlag für eine Urwahl durch den Vertauensmann Kolditz wurde abgeschmettert (siehe Anlage).

Erstes uns vorliegendes Ergebnis von ThyssenKrupp Dortmund: BRV Jürgen Hafner wurde mit deutlichem Stimmenanteil wiedergewählt. Zweiter wurde Rüdiger Raguse mit über 50% der Stimmen. (Anlagen)

 

Allgemeine Informationen

Auf der OECD-Konferenz in Paris Anfang Februar wurde die Notwendigkeit von Vernichtungen der Überkapazitäten besprochen. Es wurde davon ausgegangen, dass weltweit bis 2005 rund 110 Mio to Kapazitäten stillgelegt werden müssen, bis 2010 rund 130 Mio to. Dabei handelt es sich um eindeutig unprofitable Bereiche. Darüberhinaus gibt es dennoch zahlreiche Kapazitäten, die ohne spezielle Konditionen oder staatlicher Unterstützung nicht absetzbar sind. Die Stillegungskosten zählen zu den primären Hindernissen der industriellen Umstrukturierung. Deshalb ist die Weltbank zwecks Hilfe eingeschaltet worden.

US-Präsident Bush will 40% Sonderzölle auf 16 Kategorien der Stahlimporte legen. Das würde für 80% aller Stahlimporte zutreffen. Grundlage ist die Situation der US-Stahlindustrie selbst. 30 Firmen haben Konkursverfahren eingeleitet, seit 1997 wurden 20 000 Arbeitsplätze vernichtet und 13 Mio to Kapazität vernichtet worden. Nun verhandelt die Nummer 1 USX Corp., Pittsburgh/Pennsylvania mit der Nummer 3 Bethlehelm Steel Corp. Über eine Fusion. Eigentlicher Grund ist der Mangel an Investitionen. Jahrelang wurden nur Profite aus den Unternehmen herausgezogen ohne zu reinvestieren und zu modernisieren. Offiziell werden jetzt aber die Gewerkschaften mit ihren Pensionsfonds ausgemacht, die die Unternehmen zu hohen Pensionsverpflichtungen und damit Rückstellungen zwingt. Durch die Schutzzölle, die in einem Jahr 1 Mrd. $ bringen würde, könnten diese Rückstellungen finanziert werden. Interessant wird sein, wie sich Bush als Verfechter der "freien" Marktwirtschaft verhalten wird. Die EU hat schon eine Klage bei der WTO angekündigt.

 

Aus den Betrieben:

arcelor:

In Duinkerken wird ein Hochofen stillgelegt.

Sidmar/Belgien: Die 2 Hochöfen müssen auf 5,3 Mio to gebracht werden. Ein dritter Hochofen wird aus Umweltgründen nicht gebaut. Die angestrebten 6 Mio to sollen durch Zukauf innerhalb von arcelor erbracht werden. Die Modernisierung und der Ausbau der Flüssiglinie ist geplant.

Gut 90% der Produktion geht in die EU. Auf Lager liegen 1,209 Mio to Brammen.

Stahlwerke Bremen: Die geplante Kurzarbeit betrifft im Wesentlichen das Kaltwalzwerk. Es könnte daher auch sein , dass der Hochofen 3 für 3 Monate stillgelegt wird. Es geht darüber hinaus weiter um Kosteneinsparungen.

Der Wegfall der JAZ ist vom Tisch – wobei nicht klar ist, was die Geschäftsleitung stattdessen will. "Wir hatten diesen Beitrag (Wegfall der JAZ) der Belegschaft vorgeschlagen, um einerseits das Ergebnis zu verbessern und andererseits einen Finanzierungsbeitrag für eine Investition zu haben. Für diesen Fall hatten wir angekündigt, dass es im Jahre 2002 keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird, wenn die JAZ entfällt. Da voraussichtlich unsere Prämissen nicht haltbar sind, ist auch unsere Forderung nicht mehr haltbar." – so steht es in einer Belegschaftsinformation. Ist damit gemeint, dass die Prämisse "keine betriebsbedingten Kündigungen" nicht mehr haltbar? (Anlagen)

EKO-Stahl- Eisenhüttenstadt: Dollé hat dem Standort eine Zukunft bescheinigt. Die Produktion von oberflächenveredelten Produkten soll auf 75% gesteigert werden. Der Bereich Marketing und Verkauf wird jetzt zentral von arcelor geführt.

Für die Gruppe Nord wird von den Betriebsräten und der IGM ein Rahmenvertrag angestrebt, der personalpolitische und arbeitsrechtliche Aspekte regelt und betriebsbedingte Kündigungen ausschließen soll.

Thyssen Krupp Stahl AG:

Fusion und Synergieeffekte ist das eine, Konjunktur das andere. Die hochgesteckten Ziele wurden im ersten Quartal nicht erreicht. Der Gewinn vor Steuern schrumpfte von 414 auf 28 Mio €. Zieht man den Verkauf von Kone-Aktien ab, blieb der Gewinn sogar nur bei 5 Mio €. Die Stahlsparte hat dabei mit einem Verlust von 28 Mio € (Vorjahr plus 198 Mio €) beigetragen. Auf der Hauptversammlung machten daher auch die Vertreter der Aktionäre erheblichen Druck: Seit der Fusion habe die Aktie um 9% verloren. Vorstandschef Schulz versprach daher auch eine Verdreifachung des Gewinns in spätestens 2 Jahren auf 1,5 Mrd. €. Ob ihm das jemand abgenommen hat?

Im Stahlbereich waren Ende des Jahres 2001 noch 20 971 Menschen beschäftigt, das waren gegenüber dem 30.9. 196 weniger, davon allein 141 in Dortmund. (Anlage)

Am Standort Dortmund soll im März im Kaltwalzwerk und auch im Bereich der Conti-Glühe kurzgearbeitet werden. Rund 800 Arbeiter aus China sind eingetroffen, um bis 2003 Teile der Westfalenhütte und das Oxygenstahlwerk im Stadtteil Hörde abzubauen und nach China zu bringen. Das ist unter logistischen Aspekten ein weltweit einzigartiges Projekt.

Die Informationen von Thyssen Eisenbahn und Häfen GmbH befassen sich mit dem modifizierten Schichtmodell und mit der Zukunft von Arbeitsplätzen in diesem Bereich als Auswirkungen von Rationalisierungsprogrammen bei Stahl.

Salzgitter AG:

Mit einem Gewinn vor Steuer von 148,5 Mio € (plus 54%) und einen Umsatz von 4,6 Mrd € (plus 40%) wurde das Rekordergebnis aus dem Jahr 97/98 noch übertroffen. Neben der Stahlerzeugung und dem Röhrengeschäft soll die Stahlverarbeitung weiter ausgebaut werden.

Vorprodukte zur Stahlerzeugung in Höhe von 500 000 bis 800 000 to jährlich will man bei EKO einkaufen. An der Übernahme der Dillinger Hütte wegen deren position auf dem Grobblechmarkt ist man weiter interessiert. (Anlagen)

Im Dortmunder Betrieb HSP kämpft der VKL-Leiter Gerd Pfisterer um seinen Arbeitsplatz. Er ist über den Sozialplan gekündigt worden und geht nun gerichtlich dagegen vor, da die Kündigung "politische Gründe" hat, wie er sagt. Die Kollegen aus seiner Abteilung stärken ihn den Rücken. Als rund 60 KollegInnen aus seinem Betrieb und aus umliegenden Betrieben ihm beim Prozess den Rücken stärken wollten, bekann der Leiter des Solidaritätskreises vom Staatsschutz eine Vor-ladung ins Haus wegen einer nichtgenehmigten Demonstration vor dem Gericht.

Der BR bemüht sich gerade, die durch die Sozialplanabgänge mit rund 40 Leiharbeitern wiederbesetzten Stellen in feste Arbeitsplätze umzuwandeln (Anlage).

Brandenburger Elektrostahlwerk GmbH:

Das BR-Info befasst sich u.a. mit der BV Arbeitsschutz, der BR-Wahl und der Jubileumsfeier.

Maxhütte / Sulzbach:

Zum 1.3. sind hier 150 Arbeitsplätze gestrichen worden. Sie sind Teil des Sanierungsvertrages von Konkursverwalter Wellensiek, der durch diese Maßnahme 384 000 € monatliche Personalkosten einsparen will. Die meisten gehen in den Vorruhestand, 30 nehmen an Umschulungsmaßnahmen teil. Verhandlungen über einen verkauf laufen derzeit mit der deutsch-italienischen Investorengruppe Scholz-Venete.


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