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Keine Privatisierung der LBK-Kliniken !

Sieht man die auf uns zukommende Drohung eines radikalen Umbaus des Gesundheitswesens für die Zeit nach der Bundestagswahl und sieht man den gegenwärtig verstärkt einsetzenden Kaufrausch privater Klinik-Konzerne, dann kann man sich fragen, ob wir auf eine Amerikanisierung unseres Gesundheitswesens zusteuern. Als ob es auch im Gesundheitswesen eine "uneingeschränkte Solidarität" mit dem US-Modell geben würde. Nun ist mit der angekündigten Zerschlagung der LBK durch den neuen Hamburger Senat auch für Hamburg die Frage, wozu Privatisierung im Gesundheitswesen wie überhaupt im öffentlichen Sektor (HHLA, Wasserwerke etc.) gut sein soll, dringend zu beantworten.

Die gleichen privaten Kauf-Interessenten, die sich für die LBK-Krankenhäuser schon gemeldet haben (Rhön, Helios, Asklepios, Sana), sind auch bundesweit am Einsammeln kommunaler Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen.

Die Rhön-Klinken übernehmen die Krankenhäuser in Nienburg, Hoya und Stolzenau, in Frankfurt/Oder sowie eine psychiatrische Klinik in Hildburghausen/Thüringen, alle zum 1.1.2002

Asklepios hat nicht nur überraschend Sana bei der Übernahme des KH Rissen ausgestochen, sondern auch in anderen Fällen die Sprache des Geldes erfolgreich eingesetzt: Beim Verkauf des Klinikums Stormarn in Bad Oldesloe sowie zweier Altenheime in Ahrensburg und Reinfeld hatte Helios schlicht zu wenig geboten, beim Kaufpreis von 20,5 Mio.DM kann sich eine verschuldete Kommune nicht leisten, auf 4 Mio.DM (Helios-Angebot 16,5 Mio.) zu verzichten. In Bad Wildungen übernimmt Asklepios das Krankenhaus ebenfalls zum 1.1.2002. Dieser Deal war zwar schon im Juni vereinbart, aber bei in Aussicht gestellten öffentlichen Geldern für einen Neubau liessen die privaten Profiteure selbstverständlich sich noch etwas Zeit. In Siegburg wurde Konkurrent Fresenius ausgestochen, bei der Übernahme von 75,1% der Augustiner Kinderklinik.

Nun also die Hamburger LBK-Krankenhäuser. Von Beust hatte schon 1997 posaunt "LBK abschaffen!" (Abendblatt, 10.2.97). Nun will er es machen. In seiner Regierungserklärung am 14.11. redete er von "öffentlichen Aufgaben, die aber nur dann vom Staat selbst vollzogen werden müssen, wenn nicht freie gemeinnützige oder private Träger bereit sind, Verantwortung zu übernehmen." Eben, es soll privatisiert werden, der Staat hat nur noch "Kernbereiche" zu bearbeiten, "vordringlich Sicherheit und Recht, Grundelemente der Daseinsvorsorge sowie planerische Gestaltung und Schaffung einer modernen Infrastruktur, um wichtige Rahmenbedingungen für Wirtschaften und Arbeiten zu setzen." (Regierungserklärung). Die Koalitionsvereinbarung beseitigt jeden Zweifel über das, was die Herren v.Beust und Schill vorhaben: "Die gegenwärtige Struktur und Rechtsform des Landesbetriebes Krankenhäuser wird mit Hilfe externen Sachverstandes überprüft, eine andere Rechtsform wird angestrebt.Das schliesst die Möglichkeit einer Privatisierung oder Teilprivatisierung ein. Die markbeherrschende Stellung wird abgebaut und ggf. werden einzelne Standorte, u.a. mit dem Ziel einer Fusion mit anderen Trägern, verselbständigt."(S.27) Hinzu kommt, dass Schill offensichtlich zu privaten Klinik-Betreibern ein besonders intimes Verhältnis pflegt, sieht man sich das Treiben des Herrn Marseille in Sachsen-Anhalt an.

Was also tun?

Keine weitere Privatisierung !

An dieser Forderung führt kein Weg vorbei, wenn man das 2-Klassen-Gesundheitssystem, wie es in den USA, aber auch in England, zu studieren ist, vermeiden und für den Erhalt und Ausbau unseres solidarischen Gesundheitssystems eintreten möchte. Dabei ist unerheblich, ob Asklepios oder ähnliche Profit-Unternehmen vorerst für die Beschäftigten annähernd die gleichen Bedingungen bieten, das wird sich schon nach und nach ändern, sitzen die Privaten erstmal fest im Sattel. Ebenfalls unerheblich ist, dass die Krankenhausfinanzierung sich ja nicht mit dem Eigentümerwechsel sofort ändert, nein, die staatlich regulierte von selbst fliessende Kohle ist ja gerade die Quelle, aus der eben gerade Kapitalgesellschaften sich ohne eigene Bemühungen speisen können. Später, wenn die gesetzliche Krankenversicherung erst einmal in Grund- und Wahlleistungen "privatisiert" worden ist (hier werden Risiken für den Versicherten privatisiert), wird der zahlungskräftige Krankenhauskunde die High-Tech-Kliniken aufsuchen und der arme Rest mit den Krankenhäusern zweiter Klasse vorlieb nehmen müssen. Haben wir nicht heute schon eine Entwicklung in diese Richtung?

Gesundheit als kapitalistisches Eldorado

Auf der homepage von Helios ist nachzulesen, wie sich die renditegeilen Männer das Aufmischen der deutschen Klinik-Landschaft vorstellen. "Trotz (noch) reguliertem Markt sehen wir somit die Zukunft auch in Deutschland rosig. Wir erkennen darüber hinaus einen Vorteil im derzeitigen Budgetsystem. Wir können uns auf die Kostenoptimierung beschränken, da die Nachfrage per staatlichem Reglement zugeteilt wird. Unsere niedrigeren Kosten befähigen uns zunächst, andere deutsche Krankenhäuser zu übernehmen; und zu einem späteren Zeitpunkt werden sie uns eher als ausländische Wettbewerber dazu befähigen, Gesundheitssysteme in Schwellenländern aufzubauen."

Die Aufgabe der Politik ist dann, "die Gesetze so zu gestalten, dass sich das Leistungspotential der Gesundheitsindustrie entfalten kann. Sie wird dabei andererseits darauf achten müssen, dass gesundheitliche Grossrisiken auch weiterhin solidarisch getragen werden müssen." Was sich rentiert, soll sich privat rentieren und die Taschen der Raubritter füllen, was aber wirklich krank macht und sich nicht rechnet, soll die Gemeinschaft tragen.

An dieser wie auch schon früheren Formen der anti-sozialen Akkumulation hat die Gesellschaft in der Tat erheblich zu tragen. Nehmen wir Asklepios. Asklepios-Gründer und Gesellschafter Broermann (allein sein vollständig geschriebener Name "Dr. Bernard gr. Broermann" sagt schon fast alles) verweist in der neuesten Hauspostille "Asklepios intern" auf seine "finanzielle Solidität". Woher auch immer seine Gelder stammen, auf jeden Fall kommt ein Teil aus den USA, genauer von den staatlichen Zuschüssen oder auch Versicherungsbeiträgen der "managed care"-Programme. In der bei der Asklepios-Zentrale anforderbaren Broschüre "Asklepios Kliniken 1999/2000" heisst es auf S.39 zu den "Akutkliniken USA: Unter dem Namen Pacific Health Corporation besitzt die Asklepios Gruppe in Kalifornien sieben Akutkrankenhäuser. Diese verfügen mit einem eigenen Krankenvericherungsprogramm über eine aktive Managed Care Gruppe. In der Mehrzahl sind die Versicherungsnehmer sogenannte Medicare-Patienten (in Deutschland vergleichbar mit pflichtversicherten Rentnern) und sogenannte Medi-Cal-Patienten (Sozialhilfeempfänger). Aus dem Verbund der Pacific Health Kliniken und den ihr angeschlossenen Belegärzten können sich diese Versicherten die Ärzte und Krankenhäuser auswählen." Wie schön. Wollen wir diesen Fortschritt hier nicht auch, dass sich irgendwelche Kassen irgendwelche privaten Klinikketten aussuchen, einen schönen Vertrag machen und so wird alles besser?

Durch Profitorientierung weder besser noch billiger

Dazu Klaus Koch in der Süddeutschen vom 31.8.99:"Während für Deutschland Fakten fehlen, zeigt der Blick in die USA, dass Profitorientierung weder ein besseres noch ein billigeres Gesundheitswesen garantiert. So muss die staatlich finanzierte Medicare-Krankenversicherung in Regionen mit ausschliesslich profitorientierten Kliniken für jeden Versicherten fast ein Siebentel mehr ausgeben als in Regionen, in den es ausschliesslich Non-Profit-Kliniken gibt (New England Journal of Medicine, Bd.341, S.420, 1999). Und eine weitere Studie weist sogar auf eine schlechtere Versorgung durch Gewinnstreben hin. So nutzen in den USA manche profitorientierten Managed-Care-Krankenversicherungen ihren Einfluss auf die Kliniken, um Kosten zu sparen – zum Beispiel bei der Früherkennung von Brustkrebs. Hochgerechnet auf die USA, könnte dies zu mehreren tausend vorzeitigen Todesfällen geführt haben (JAMA, Bd.282,S.159,1999)."

Broermann in "Asklepios intern": "Asklepios hat immer eine Politik der finanziellen Solidität verfolgt und ist einer der wenigen Krankenhausbetreiber, der in den USA die folgenschweren Reformen wie Fallpauschalen u.a. nicht nur überlebte, sondern in dieser schwierigen Zeitperiode sogar schuldenfrei wurde." Na, herzlichen Glückwunsch! Hier weiss einer, wies gemacht wird. Und das Asklepios-Motto "Mensch, Medizin, Mitverantwortung" sorgt neben der finanziellen Solidität für die mentale Ruhigstellung jeglichen Kritikers, was sollte Herr gr.Broermann bei dieser gemeinnützigen Philosophie schon mit den o.a. Praktiken zu tun haben?

Bleibt der Hinweis auf die wichtigsten Abschlusszahlen des börsennotierten Rhön-Konzerns, jeweils für 1999 und 2000 (in Mio.Euro):

 
1999
2000
Umsatz 615 669
Gewinn 45 62
Je Aktie 1,72 2,38

Eigenkapital-Rendite

18,5% 21,2%
EK-Quote 36% 41%
Mitarbeiter 9145 9357

 

Das Geschäft mit der Gesundheit lohnt sich, renditeorientierte Investitionen sind nach dem weitgehenden Zusammenbruch der Aktienmärkte lukrativ, zumal bei gleichbleibender neoliberaler Finanzpolitik die Situation der Kommunen die Nachfrage nach privaten Klinik-Käufern weiter erhöhen und damit den Preis senken wird (auch bei Helios nachzulesen).

Gesundheit ist ein Menschenrecht

Gesundheit ist ein Menschenrecht, kein ökonomisches Gut. Profitgier darf sich daran nicht bereichern. Wenn eine derartige Eigenkapitalrendite bei Krankenhausbetreibern erzielt werden kann, dann zeigt das den Grad der Verschwendung im Finanzierungssystem. Die öffentlichen Krankenhäuser wie das Gesundheitssystem insgesamt müssen im Sinne der Versicherten solidarisch weiterentwickelt und auch kontrolliert werden, nicht aber im Sinne von gierigen Rendite-Jägern. Schützen wir unsere öffentlichen Gesundheitseinrichtungen vor feindlichen Übernahmen durch private Profiteure!

Hamburgische Öffentlichkeit muss entscheiden

Die Weichenstellung für die Zukunft der LBK-Kliniken ist derartig weitreichend, dass trotz Regierungsauftrag für Schwarz-Schill und trotz des bundesweiten Drucks versucht werden muss, diese Frage der Hamburgischen Öffentlichkeit erneut vorzulegen. Bei fast allen Verkäufen kommunaler Kliniken hat es eine grosse bis vollständige Koalition aller poltischen Parteien gegeben, darüber in der Öffentlichkeit NICHT zu diskutieren. Mit gutem Grund: Auch in Hamburg wäre eine breite Mehrheit gegen die Privatisierung, auch bei den CDU-Wählern. Fangen Aktionen gegen die geplante Privatisierung der städtischen Kliniken erst an, besteht die Chance, dass sich gerade im Vorfeld des Bundestagswahlkampf politischer Druck zur Verhinderung der Privatisierung aufbaut.

Internetadressen:

www.rhoen-klinikum-ag.com, www.helios-kliniken.de, www.asklepios.com, www.sana.de

www.marseille-kliniken.de

www.medicare.gov, www.hcfa.gov (US-staatl.Krankenversicherung)

www.attac-netzwerk.de/sozsich/, www.attac-hamburg.de, www.netzhh.de

Die AG Gesundheit von Attac Hamburg trifft sich jeden zweiten und vierten Donnerstag im Monat, nächster Termin 10.1., 19:30 Uhr, Verbraucherzentrale, Kirchenallee 22

V.i.S.d.P.: Attac Hamburg


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