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Gegenwehr ohne Grenzen

Info der GoG

(parteiunabhängige Gruppe bei GM/Opel Bochum)

Nr. 6 vom Februar 2001

 

Demo und Kundgebung gegen dieWerkschließung in Luton

Als vor Weihnachten erneut Zahlen über Stellenabbau und ganze Werkschließungen des GM -Konzerns bekannt wurden, wuchs die Unsicherheit aber auch die Wut darüber in den Werken. Europaweit will GM weitere 5000 Arbeitsplätze abbauen. In den letzten 7 Jahren sind allein in Bochum über 6000 Arbeitsplätze vernichtet worden. Jetzt sollen es noch einmal 700 sein. Die Werke in Luton (England) und Izmir (Türkei) sollen geschlossen werden.

Kurzfristig beschlossen deshalb einige Vertrauensleute aus Bochum, die am härtesten betroffene Belegschaft in Luton bei ihrem Protestmarsch gegen die Werkschließung persönlich zu unterstützen.
Eiligst wurde ein Transparent erstellt und bei der IGM Verwaltungsstelle Bochum um finanzielle Unterstützung gebeten. Letzteres erfolglos! Dennoch saßen 14 Vertrauensleute am 20.01.2001 auf eigene Kosten im Bus nach London. Von dort war es noch 40 min. mit dem Zug nach Luton.

Einige hundert Menschen hatten sich bereits vor dem Werkstor versammelt, als wir mit unserem Transparent dort eintrafen.

FIGHT FOR EVERY JOB
LUTON - BOCHUM
WORLDWIDE

Mit Beifall und Freude wurden wir von den englischen Kollegen begrüßt. Als die Medienvertreter uns umringten, brachte es einer unserer Kollegen auf den Punkt. "Arbeiter eines weltweit agierenden Konzerns müssen international zusammenstehen und zusammen für ihre Rechte kämpfen. Wir wollen gemeinsam hier den Anfang machen."
Doch nicht nur wir Bochumer fanden es wichtig, international zusammenzurücken. Kollegen aus Spanien, Portugal und Belgien fanden sich in Luton ein, um vereint der Bedrohung zu begegnen.
Nach der Demo von über 10000 Menschen, standen wir zusammen bei der Kundgebung auf dem Podium, forderten gemeinsam mit den englischen Kollegen, die Werkschließung zurückzunehmen, und gleichzeitig den weltweiten Arbeitsplatz u. Personalabbau zu stoppen. GM glaubt in Luton die schwächste Belegschaft mit dem wenigsten Widerstand anzutreffen. Sie sollen sich täuschen, in Luton und Ellesmereport ist eine Urabstimmung für Streik geplant.

Neben anderen solidarischen Grußworten, verbunden mit dem Versprechen, die europaweiten Aktionen mitzutragen, erinnerte ein VKL-Mitglied aus Bochum an den Arbeitskampf im Juni 2001 in Bochum und schloss mit den Worten:
"Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren."

Nach der Kundgebung blieb uns leider nur eine knappe Stunde um, beim Bier im Pub, mit den englischen Kollegen weitere Gedanken und Ideen auszutauschen. Mit dem guten Gefühl über internationale Solidarität nicht nur gelabert zu haben ging es am späten Nachmittag zurück Richtung Bochum.

Wir hoffen, dass die IGM-Ortsverwaltung keine unüberbrückbaren Probleme hat, die Initiative der Kollegen auch finanziell zu unterstützen oder geht wieder alles für die Funktionärsfahrt nach Spanien drauf ?
Knete raus! Basta!

 

25.01.01 Aktionstag

Der erste europaweite Aktionstag der GM-Belegschaften gegen die Pläne zur Vernichtung von 5000 Arbeitsplätzen, brachte rund 40000 Kolleginnen und Kollegen auf die Straße. Ein- und mehrstündige Streiks sorgten für Produktionsausfälle in England, Belgien, Deutschland, Portugal und Spanien. Die GM-Zentrale erklärte sich zu Verhandlungen über die geplante Schließung des Werkes in Luton/England bereit.

In Bochum beteiligten sich ebenfalls über 3000 Kolleginnen und Kollegen in Werk I und II an den Aktionen und Kundgebungen. Viele sehen darin nicht nur eine Bekundung der Solidarität mit der Belegschaft in Luton, sondern auch als einen Auftakt zur Verteidigung der Arbeitsplätze hier in Bochum. 700 sollen dieses Jahr verschwinden. Mehr als 250 Kolleginnen und Kollegen in Werk I sind von sogenannten "Wirtschaftlichkeitsanalysen" bedroht, d.h. die Arbeitsplätze sollen in Fremdvergabe. Darunter sind viele Arbeitsplätze für Schwerbehinderte und Attestanten. Das ist Ausverkauf von Arbeitsplätzen an denen viele angeschlagene und ältere Kolleginnen und Kollegen nach jahrzehntelanger Knochenmaloche noch vollwertig eingesetzt werden konnten.

Die heutige Jugend, die heute, womöglich noch engagiert, ihre geistige und körperliche Kraft im Arbeitsprozess einbringt, hat keine Chance mehr bei Opel alt zu werden. Früher war es schwer in Würde grau zu werden, heute ist es schwer überhaupt noch alt zu werden.

Deshalb ist, früher oder später, jede/r von uns betroffen.

Der BR hat rechtlich keine Möglichkeit die Arbeitsplatzvernichtung zu verhindern. Aber in den Bereichen ist die Stimmung für Widerstand nicht schlecht. In der MEA-Linie gab es bereits Stillstände wg. Informationsgesprächen, im Cockpit verlangt die Abteilung per Unterschriftensammlung an den Werksdirektor mehr Information über die weiteren Pläne, bisher unbeantwortet. Überall im Werk sind einzelne Bereiche betroffen. Koordination zwecks Information, Forderungen und aktion sind angesagt.

Was macht man, wenn der Prophet nicht zum Berg kommt?

Bilder zum Aktionstag unter www.labournet.de

 

Rentenkürzung im Bundestag beschlossen

Der bescheidene Widerstand gegen Riester´s Rentenreform hat nicht ausgereicht um wenigstens die paritätische Finanzierung zu erhalten. Vielleicht sollten wir zukünftig mal einen Blick nach Frankreich werfen, wie dort mit ähnlichen Rentenklau-Plänen umgegangen wird. Am 25.1.01 gingen landesweit über 200 000 Menschen auf die Straße, um ihre Rente, die jetzt noch 100 % Nettoabsicherung beträgt, zu erhalten. Alle fünf französischen Gewerkschaften hatten dazu aufgerufen. In vielen Großstädten wurde der Nah- und Fernverkehr lahmgelegt. Bleibt abzuwarten wie der Widerstand weitergeht.
In der BRD steht als nächster Schritt die gesetzliche Krankenversicherung auf der Abschussliste. Eine "Expertengruppe" kommt bereits mehrheitlich zu der These, dass höchstens noch 10 Jahre verbleiben, um "die Versicherungspflicht auf eine dynamische Grundversorgung zu reduzieren, die durch individuelle Zusatzversicherungen ergänzt werden könnte."
Die ersten Vorläufer stehen schon ins Haus. Angepeilt wird dabei, die Finanzierung der Krankenkassen vom Lohn abzukoppeln, die kostenfreie Mitversicherung von Angehörigen zu streichen, den Arbeitgeberanteil einzufrieren.

Das heißt: Abschiebung der Kosten auf unsere Rücken, zugunsten der Profite für die Konzerne. Wie bei der Rente!

 

 

Ratio
(Vernunft)

Vernünftig
nannte der Unternehmer
die Einsparung
von fünfzig Prozent
der Belegschaft
durch neue Technik

Den Gekündigten
kam diese Art
Vernunft
unvernünftig vor

Das kann nicht unsere
Vernunft
sein
sagten sie

Knut Becker

 

Überstunden

Im Jahr 2000 wurden nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit 1,85 Milliarden Überstunden geleistet.
Reinrechnerisch sind das mehr als 1 Million Arbeitsplätze. 50 Millionen mehr Überstunden als noch 1998 und 1999 wirft die Frage auf, was die Gewerkschaften im sogenannten Bündnis für Arbeit für Absprachen treffen. (Überstunden sollten zugunsten von Arbeitsplätzen abgebaut werden. Wie lange wollen sich die Funktionäre am Bündnis zur Verdummung der Belegschaften noch beteiligen. An der Basis hat man diese Einrichtung doch längst durchschaut.

Allerdings sollten wir uns selber mehr darin vereinheitlichen, Mehrarbeit nicht nur als Gesundheitskiller, sondern auch als Jobkiller zu sehen und zu reduzieren.

 

Vernetzung mit FIAT- Kolleginnen und Kollegen in Italien

Seit Januar 2001 alles unter einem Dach: A. Opel AG plus Opel Powertrain GmbH (im Joint-venture mit Fiat) plus GM-Fiat Einkauf ("Worldwide Purchasing Opel Germany GmbH") – 3 Betriebe, aber 1 Belegschaft. Das war für uns ein ganz wichtiges Streikergebnis im letzten Jahr, ebenso wie die erreichte Absicherungsvereinbarung.

Was ist mit unseren Kolleginnen und Kollegen los, die jetzt in Italien dem GM/Opel-Konzern untergeordnet worden sind, 14.000 im Motoren/Getriebe Verbund, 800 im Einkauf? Ihre wichtigsten Probleme und Auseinandersetzungen mit der Firma? Ihre gewerkschaftliche Situation? Die Lage der noch Arbeitenden und der Arbeitslosen in Italien?

Um uns gegenseitig zu informieren und bei zukünftigen Auseinandersetzungen zu unterstützen, brauchen wir zuverlässige Verbindungen mit italienischen Kolleginnen und Kollegen. Die ersten Schritte dazu sind getan. Beginnen wir mit einigen wichtigen Informationen aus Italien.

 

Der Fiat-Konzern, mit Zentrum Turin

... hatte Ende 1999 in Italien 133.000, weltweit 220.000 Beschäftigte, davon 82.450 in "Fiat-Auto".

... gehört größtenteils Giovanni Agnelli, Enkel des gleichnamigen Firmengründers.

... "Was für Agnelli gut ist, tötet Turin", so lautet ein in Italien bekannter Kommentar zum GM-Fiat-Deal. – Was Detroit für GM ist, ist Turin für Fiat, eine Stadt, in der trotz der Flucht der Produktion nach Süditalien und der Globalisierung immer noch 130.000 im Autosektor beschäftigt sind.

... "20-30% Arbeitslosigkeit gibt es bei uns in den Arbeitervierteln, besonders viele Jugendliche! Und die Älteren, mit 30 bis 50 Jahren Fiat-Erfahrung, sind ziemlich resigniert..." berichteten uns Turiner Kollegen.

 

Gewerkschaften in Italien

Für uns nicht so einfach zu verstehen: während es bei uns nur einen großen Gewerkschaftsbund, den DGB, gibt mit seinen einzelnen Branchengewerkschaften wie die IGM,ÖTV usw, müssen wir in Italien zumindest drei große Gewerkschaftsdachverbände kennen, die alle ihre Branchengewerkschaften haben:

  1. CGIL, seine Metallarbeitergewerkschaft heißt FIOM, mit 350.000 Mitgliedern bei weitem die größte.
  2. CISL, mit der Metallgewerkschaft FIM.
  3. UILM, mit der UIL (kleinste, rechteste)
  4. Außerdem: in vielen Betrieben gibt es Basiskomitees, die sich zu einer eigenen Gewerkschaft zusammengeschlossen haben, SINCOBAS.

 

Unsere ersten Kontakte

Besuch in Bochum

...Im Juli letzten Jahres besuchte uns bereits der Kollege Rocco Papandrea , seit 25 Jahren Fiat-Arbeiter aus dem Motorenbau in Turin, zur Zeit allerdings als Abgeordneter im Landtag von Piemonte freigestellt. "Wir haben bei uns in den Betrieben mit Flugblättern und Wandzeitungen über Euren Juni-Streik informiert!" In der Belegschaft gäbe es seit der großen Streik-Niederlage 1980 allerdings ziemlich wenig Hoffnung auf die Gewerkschaften. 1800,- DM etwa beträgt der Monatsverdienst umgerechnet, bei längerer Arbeitszeit und noch mehr Flexibilisierung als in Deutschland, berichtete Rocco. Seit 5 Jahren würden nur Befristete eingestellt, viele Bereiche ausgegliedert, unter anderem Instandhaltung und Presswerk.

Roccos Vorschläge: "Das Wichtigste ist: Umdenken ist nötig, nicht nur auf den Betrieb gucken, die internationalen Zusammenhänge einbeziehen. Wir müssen systematischen Info-Austausch organisieren, über unsere Arbeitsverträge, über die Politik der Firma, über gewerkschaftliche Alternativen. Dabei müssen wir das Internet nutzen! Vielleicht sind auch gemeinsame Flugblätter möglich...

Unser Besuch in Turin

Zwei Kollegen von uns waren im September zu einem verlängerten Wochenende nach Turin gefahren, auf Einladung der "Rifondazione Comunista", einer kleinen Partei, deren Mitglieder gewerkschaftlich sehr aktiv sind.

Kurz berichtet: "Wir haben eine tolle Gastfreundschaft erfahren und über die Lage der italienischen Kolleginnen und Kollegen viel gelernt. Unser Juni-Streik, besonders wegen dem Motto ´Ein Betrieb – eine Belegschaft` hat sie sehr beeindruckt. Der Kampf der IGM für die 35-Stunden-Woche wurde allseits als vorbildlich gelobt. Was daraus geworden ist, die Flexibilisierung unserer Arbeitszeiten, war allerdings nicht so bekannt.

Die Kolleginnen und Kollegen, meist von der Fiom-Gewerkschaft und den Sincobas (siehe unser Info zu den italienischen Gewerkschaften) stellten ihre Lage als ziemlich schwierig dar, besonders seit der großen Niederlage gegen Fiat 1980, wo trotz 35 Streiktagen 23.000 entlassen wurden. In den Belegschaften gäbe es geringes Vertrauen in die Gewerkschaften und auf die eigene Fähigkeit zur organisierten Gegenwehr. Zuviele Gewerkschaftsvertreter würden zu eng mit dem Management zusammenarbeiten. "Die Fiom hat begonnen, sich vom Co-Management loszusagen" behauptete allerdings der FIOM-Landesvorsitzende in unserer öffentlichen Diskussionsveranstaltung.

Gegen die Parteien- und Gewerkschaftszersplitterung gibt es erste Versuche des Zusammenschlusses seitens der kampfbereiteren Mitglieder. Kollegen der Sincobas-Basisgruppen hielten den Aufbau von Gruppen in den Werkshallen, überbetrieblichen und internationalen Kontakten "von unten" für entscheidend und die Zusammenarbeit mit anderen sozialen Bewegungen, zum Beispiel die Teilnahme an internationalen Protestaktionen gegen die Globalisierungsprofiteure, möglichst Opel- und Fiatarbeiter gemeinsam.

Konsequenz?

Schaffen wir es, regelmäßige Kontakte und Erfahrungsaustausch, Unterstützung im Kampf gegen die zu erwartenden Versuche von Erpressung und Ausspielung seitens unserer Bosse zu organisieren, -trotz der Probleme mit der Sprache, der Entfernung, unserer unterschiedlichen Lage und Geschichte? Die Notwendigkeit wurde in allen Diskussionen betont. Die Realisierung wird nicht einfach sein.

Dass es im großen Fiat-Werk Turin-Mirafiori im Juni auch einen Streik für den Erhalt der Arbeitsplätze gegeben hat und im süditalienischen Fiat-Melfi-Werk im Juli einen 2stündigen Streik gegen die immer härteren Arbeitsbelastungen, dass es im November in allen Fiat-Werken Aktionen gab gegen die drohende Entlassung von 2 aktiven Gewerkschaftern und den angekündigten Abbau von 1000 Angestellten-Jobs, das beweist: es gibt auch in den italienischen Werken Gegenwehr. Wir wollen in Zukunft besser und schneller darüber informieren!

(Wer mehr Infos will: www.labournet.de/branchen/auto/gm-fiat/)

 

"1 Milliarde Verlust"- Prämie für Opel-Chefs!

(oder, wie sag ich´s ohne daß sie es merken)

Weil die Opel-Mutter General Motors Gewinn gemacht hat, bekommen die Opel-Angestellten aus der obersten Führungsetage noch eine Sonderprämie, berichtet die WAZ (19.1.01). Das hätte aber bei unseren Spitzenvertretern im Betriebs- und Aufsichtsrat zu großer Empörung geführt!
Wozu die Aufregung? GM hat 2000 offiziell 5,0 Milliarden Dollar Gewinn aus den weltweit 388000 Beschäftigten rausgeholt (FAZ 13.12.00), trotz der für Opel-Deutschland behaupteten Verluste.

Mit der Sonderknete für die Bosse erkennt die GM-Spitze in Detroit an, daß auch die deutschen Manager gut funktioniert haben... beim Wegputzen von Arbeitsplätzen, beim Durchsetzen noch härterer Arbeitsintensivierung sprich Produktivitätssteigerung, beim Lohnsenken durch niedrigen Tarifabschluß mit Sonderabzug laut Standortvertrag usw.

Außerdem! Die GM-Bosse werden den behaupteten Opel-Verlust anders einordnen: Verlustausweis spart Steuern. Gewinne können zum Beispiel nach Polen oder Ungarn verlagert werden, da GM dort ja noch Steuerfreiheit durchgesetzt hat. In den "Verlust" sind noch nicht wieder rausgeholte Investitionen der letzten Jahre einbezogen, wofür das Geld allerdings längst erarbeitet war... .

Und nicht zuletzt: selbst wenn der Opel-Reibach nicht stimmt, braucht sich von uns keiner darüber aufregen, wenn die Chefs eine satte Prämie aus dem GM-Reibach kriegen. Wir sollten eher die Frechheit haben, für die Belegschaft ebenso eine Sonderzahlung zu fordern. Wir haben schließlich hart genug malocht.

 

Startschuß für eine tabulose Diskussion.

Zukunft im Visier.

So der Titel auf der neusten "metall"-Zeitung (1/2 2001). Alle IG Metall- Mitglieder und Nichtmitglieder werden aufgefordert mitzudiskutieren: "Wie muss sich die IGM verändern, um für die Zukunft fit zu sein?"

Alle Ideen sollen offen debattiert werden.
"Keine fertigen Antworten... Keine Tabus!"

"Keine Tabus?" Leider gelogen! Der Beweis: die für die Zukunftsdebatte verantwortlichen Leute vom IGM-Vorstand verlangen (nachzulesen in der FR vom 29.1.01): "Im Mittelpunkt stehen nicht gesellschaftliche Visionen und politische Alternativen jenseits des Kapitalismus, sondern realistische Optionen und konkrete Projekte im Kapitalismus, die diesen verändern."

Was also nicht diskutiert werden soll:
Der IGM-Vorstand will eine sogenannte "realistische" Zukunftsdebatte. An den Grundprinzipien des Kapitalismus soll nicht gerüttelt werden. Traum vom humanen Kapitalismus? Vom humanen Konkurrenzkrieg?

 

Debatte ohne Tabus!

Raus aus der Konkurrenzwirtschaft!

Von uns - W.S. u. M.S.- zusammengestellte Thesen von Wolf Göhring (Mathematiker und Systematiker am GMD-Forschungszentrum Informationstechnik, www.gmd.de)

Vorbemerkung:

Bei der Diskussion in der gog über diese Debattenseite in unserer Zeitung gab es viele Einwände. Eine gewichtige Tatsache ist uns (und sicherlich auch dem Autor der folgenden Thesen) klar:
nicht(!) automatisch führen die neuen Technologien zu einer besseren Form der Gesellschaft. Die Produktionsmittel sind in privaten Händen. Diese lassen sie nicht freiwillig los.

 

Warenproduktion und Handel (Ein kurzer Rückblick!)

Menschen benötigen Nahrung, Bekleidung, Wohnung und Gerätschaften, um sich die ersteren zu verschaffen. Eine mittelalterliche bäuerliche Familie stellte Nahrungsmittel und Bekleidung, die sie benötigte, selbst her. Beim Hausbau, beim Schlachten, beim Pflügen, beim Ernten war auch die dörfliche Gemeinschaft gefragt. Gerätschaften, Karren, Pflüge, Spaten – wurden von dörflichen Handwerkern hergestellt, die selbst auch Bauern, jedoch in dem einen oder andern Handwerk zusätzlich geschickt waren. Entlohnt wurden sie vorzugsweise mit Naturalien. Weniges mußte das Dorf "importieren": Roheisen, Kupfer, irdene Töpfe zum Beispiel. Die mittelalterliche dörfliche Lebensweise war weitgehend selbstgenügsam und selbstbezogen. Zwischen Kindern, Alten, Frauen und Männern herrschten persönliche Abhängigkeiten. Es bestand eine grobe Arbeitsteilung, die auf natürlichen und offensichtlichen Gegebenheiten fußte. Die weitere Arbeitsteilung erfolgte auf Zuruf, oder sie war traditionell bestimmt. Die Arbeit des Einzelnen, seine Tätigkeit und sein Produkt waren ein Beitrag zum gemeinsamen, genossenschaftlichen Überleben eines Dutzend oder einiger Dutzend Menschen.

Hinzu kam die nicht alltägliche Teilung der Arbeit, wenn dörfliche Spezialisten gefragt waren. Hier wurden Produkte getauscht, die die Produzenten nicht für den eigenen, sondern für einen fremden Gebrauch verfertigt hatten. Das Produkt begann, eine Ware zu werden."

Waren sind Produkte voneinander unabhängig betriebener Privatarbeiten. Die zur Produktion der Waren gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit und die Nützlichkeit der Waren spricht sich zwar herum, doch erst im Austausch zeigt sich, ob und wieweit die einzelne Ware einen Nutzen hat, ob sie die eingesetzte Arbeitszeit wert ist. "Nur vermittels der Entwertung oder Überwertung der Produkte werden die Produzenten mit der Nase darauf gestoßen, was und wieviel davon die Gesellschaft braucht oder nicht braucht." (F. Engels)

Diese Einsicht könnte früher kommen, würde man vorher untereinander klären und verabreden, was wie und wozu zu produzieren sei. Doch, dies ist ziemlich zeitaufwendig und wird nur in dem Maß geleistet, wie sich ein Nutzen erwarten läßt, wie sich ein Vorteil gegenüber unverbundener privater, das heißt nicht abgesprochener Arbeit einstellt.

 

Vernetzung pro und contra Tauschwert

"Die Organisierung von Konstruktion, Produktion und Handel war lange Zeit nur ein notwendiges Zubehör der kapitalistischen Vervollständigung der Welt. Seit 30 Jahren wird die - weit verstandene - Organisationstechnik zu einem eigenen, besonderen, enorm wachsenden Element der kapitalistischen Warenproduktion entwickelt. Die Möglichkeiten, die drei zweige Konstruktion, Kommunikation und Produktion zusammenzuführen und auf eine einheitliche Grundlage zu stellen, sind erheblich gestiegen - und werden genutzt.

...Vernetzung soll Produktion und Absatz von Tauschwerten stützen, Vorteile im Wettbewerb einbringen, also isoliertes, privates und trotzdem bedarfsgerechtes, auf die Gesellschaft gerichtetes Produzieren ermöglichen.

Unternehmen verbinden sich elektronisch mit Kunden, Verbrauchern, Konsumenten, und zwar gleichgültig, ob es individuelle Endverbraucher oder andere Unternehmen sind, ...

Wettlauf um Kunden, Customer-relationship-manage-ment, Manufacturing-on-demand, Kundenfocus als Wettbewerbsfactor sind einige der Stichworte, unter denen Vernetzung angesagt ist, die auch Lieferanten einbezieht ...

Die Produktion von Tauschwerten ist darin noch nicht aufgehoben. Im Gegenteil, man bemüht sich "nur" um ihre Vervollkommnung. Es fließt also nach wie vor Geld, "natürlich" elektronisches Geld, leichter herzustellen als Banknoten ...

Sicherlich ist diese Vernetzung noch nicht vollständig, aber die Konkurrenz um die Realisierung der Tauschwerte erzwingt es, diese Vernetzung ständig zu erweitern und bis in den Freizeitbereich zu öffnen. Wenn die Individuen als Produzenten die Informatisierung verbollständigen und vollkommen nutzen sollen, um konkurrenzfähige Tauschwerte zu produzieren, so werden die Individuen als Konsumenten mittels der Vernetzung günstig an günstige Tauschwerte herankommen wollen.

Zusammen mit den Transportmitteln ergeben sich neue Verkehrsverhältnisse, die auf den Punkt zuführen könnten, von dem an nicht mehr einsichtig ist, warum isoliert, unabhängig voneinander und aneinander vorbei produziert werden soll, obwohl die Produktion sichtlich vernetzt ist, obwohl die Pflege der "Customer-relationship" auch die Konsumtion mit der Produktion verbindet sowie Konsumenten und Produzenten - diese zwei Seiten der Individuen - miteinander diskutieren läßt. Soll man die Produktion weiterhin in Isolation und Unabhängigkeit halten und dadurch zufällige und schwankende Austauschverhältnisse provozieren, wo man anderserseits mittels Informatisierung und Vernetzung der Produktion alles unternimmt, um diese Zufälle und Schwankungen auszuschließen?

 

Dokumente findet ihr im internet

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