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Der folgende Artikel aus der linken italienischen Tageszeitung "il manifesto" vom 16.6.2000 befaßt sich mit der Lage in Deutschland und Italien nach den Streiks in Bochum und in Turin-Mirafiori gegen die Konsequenzen des GM-FIAT-Abkommens und gibt einen guten Einblick in die Diskussion der italienischen politischen und Gewerkschafts-Linken über den 2tägigen Streik in Bochum und die kommenden Aufgaben.

 

Italien – Deutschland 1:1

Streiks angesichts der Konkretisierung des Abkommens zwischen FIAT und GM.

Loris Campetti

"Wir haben mehr Informationen aus den Zeitungen bekommen als von der Unternehmensleitung." Dies ist das Urteil eines der Gewerkschaftsführer, die an dem Treffen vor zwei Tagen teilgenommen haben, bei dem FIAT FIM, FIOM und UILM über den Fortgang des Prozesses informiert hat, der das finanzielle und industrielle Abkommen mit General Motors wirksam macht. Der Augenblick ist sehr heikel für die Arbeiter und für diejenigen, die sie repräsentieren. Und das nicht nur in Italien. Der Streik der deutschen Blaumänner bei Opel vor zwei Tagen signalisiert gerade die Beunruhigung derjenigen, die fürchten das heilige Opfer des Abkommens zwischen dem amerikanischen Mutterhaus GM und dem italienischen Multinationalen zu werden. Was auch immer man darüber sagt, die Flexibilität in Italien ist größer als in Deutschland, wo sich die Arbeiter sowohl vom Lohn-Gesichtspunkt als auch vom normativen Gesichtspunkt aus geschützter fühlen. Insbesondere die Opel-Arbeiter wissen, daß einige der italienischen Fertigungsanlagen Tag und Nacht in drei Schichten arbeiten (die Werke Termoli und Pratola Serra) und die anderen dasselbe machen könnten. In Deutschland spricht man darüber nicht, mit dem Ergebnis, daß die Motorenproduktion in Italien – mit einer größeren Auslastung der Anlagen – konkurrenzfähiger sein könnte. Es könnte die italienischen Arbeiter in Verlegenheit bringen, das einzugestehen, da es dazu angetan ist, daß ihre deutschen Genossen das Sozialdumping fürchten, weil der benachbarte Arbeiter immer flexibler und sparsamer ist. Was für die Italiener in bezug auf die Kroaten oder die Rumänen gilt, gilt für die Deutschen bezogen auf die Italiener.

Diese Besorgnis der deutschen Arbeiter sollte nicht als neokorporativ betrachtet werden, weil das was die Mitglieder der IG Metall zu verteidigen versuchen keine Privilegien, sondern Rechte sind. Und ihre Argumentation ist vollkommen zu teilen: In einem Abkommen zwischen Unternehmen, das auf Ersparnissen und wirtschaftlichen Synergien basiert, müßte das Abkommen die Arbeitsbedingungen und die Löhne (kurz: die Rechte) der Arbeiter der beiden vertragschließenden Gesellschaften auf dem höheren und nicht auf dem niedrigeren Niveau bestätigen.

Aber vielleicht ist das eine übermäßige Vereinfachung. Laut dem Sekretär der piemontesischen FIOM, [1] Giorgio Cremaschi, "ist das Problem nicht so sehr das Sozialdumping als vielmehr die Angst um die Beschäftigung, die von einem Abkommen auf’s Spiel gesetzt wird, das auf Ersparnissen und auf der Reduzierung der Kosten basiert". Kurz gesagt, das Problem betrifft die Synergien und die Art wie sie verwirklicht werden. Jenseits der Tatsache, daß die Arbeit in Deutschland oder in Italien mehr kostet, "muß die Beschäftigung für alle garantiert werden".Und mehr noch, fügt Cremaschi mit einer Prise gewerkschaftlichen Stolzes hinzu: "Es sind nicht nur die deutschen Arbeiter bei Opel gewesen, die gestreikt haben, sondern auch die italienischen in den Mechaniken von Turin-Mirafiori, wie es vor zwei Tagen geschehen ist. Nur, daß die Ersteren Schlagzeilen machten und die Zweiten nicht." [2]

Aber wird man die Motoren am Ende in Deutschland, in Italien oder in beiden Ländern bauen ? Sowohl GM als auch FIAT versprechen, daß die Arbeiter zwar die Farbe der Overalls wechseln werden, aber sich am Ende die Zahl der Overalls nicht verringern wird. Bei der Information der Gewerkschaft hat die Leitung der Turiner Gesellschaft wiederholt, daß es auf Grundlage der industriellen Seite des Abkommens die Bildung zweier Joint Ventures geben wird: Eines für die Getriebe- und Motorenproduktion und eines für den Einkauf. ("Wir müssen die jeweiligen Kräfte zusammenführen, um abgestufte Kosten zu verwirklichen.") 10 000 Arbeiter der FIAT-Mechaniken werden die Jacke wechseln und das sind die in den Werken von Turin, <Mailand->Arese, Verrone und Pratola Serra beschäftigten plus die Arbeiter der Planungsabteilungen in Turin und Arese. Sie werden in einem neuen Unternehmenszweig ("Leitung Mechaniken") landen, der von einem der beiden vom Abkommen vorgesehenen Joint Ventures geschluckt wird. 500 FIAT-Beschäftigte dagegen werden denselben Slalom durchlaufen, um in das zweite Joint Venture einzugehen, das den Einkauf betreffende (Komponenten und Komponententeile, die in großer Zahl gekauft werden – immer um die allgemeinen Kosten zu reduzieren). Einen analogen Weg werden die deutschen Arbeiter bei Opel durchmachen.

 

Übersetzung und erläuternde Fußnoten: Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover

1) ...und führenden Apparatlinken im Gewerkschaftsbund CGIL, dessen Metallarbeitergewerkschaft die FIOM ist.

2) Den angesprochenen Streik in Mirafiori hat es tatsächlich gegeben und er ist auch bemerkenswert, doch heftet sich die (landesweite) Nummer 2 der FIOM, Cremaschi, hier fremde Federn ans Revers. Denn es war nicht die FIOM, die diesen Streik initiierte. Vielmehr brach er in dem Teil des historischen FIAT-Werkes von Turin-Mirafiori (den sog. Mechaniken) aus, in dem die linke Basisgewerkschaft S.in.Cobas (=Branchenübergreifende Gewerkschaft der Basiskomitees) seit langen Jahren fest verankert und einflußreich ist !


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