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Im Folgenden ein Bericht über die erste durch das FIAT-GM-Abkommen vom März 2000 hervorgerufene Maßnahme zum Personalabbau in Turin und ein Interview mit der zuständigen CGIL-Gewerkschaftsfunktionärin Ornella Banti zur Reaktion darauf und überhaupt zur Gewerkschaftsarbeit unter Zeitarbeitern. Wobei es wichtig ist zu wissen, daß die sogenannte "Arbeitnehmerüberlassung" durch Zeitarbeitsfirmen und die damit einhergehende nochmalige Verschärfung der Flexibilisierung in Italien (im Vergleich zu den Niederlanden oder GB, aber auch der BRD) ein noch sehr neues Phänomen ist, das dementsprechend auch in den Gewerkschaften und der Linken erst seit kurzem wirklich diskutiert wird. Der Bericht bzw. das Interview erschien in der unabhängigen linken italienischen Tageszeitung "il manifesto" vom 4.6.2000.

Die Gekündigten von Mirafiori

Nachdem 500 gemietete Jugendliche alles gegeben haben, sollen sie FIAT verlassen.

Gabriele Polo

"Arbeite viel und gut, sei brav und Du wirst sehen, daß wir Dich am Ende übernehmen." Die 500 Zeitarbeiter, von denen sich FIAT ab dem 23.Juni befreien wird, haben sich diesen Satz oft wiederholen hören, der heute wie ein Witz erscheint, weil es in Turin-Mirafiori und Turin-Rivalta keinen Platz mehr für diese über drei Zeitarbeitsfirmen (Adecco, ALI und Quandoccorre) engagierten Jugendlichen gibt. Nun wo FIAT einen Personalüberschuß beklagt. Die gemieteten Arbeiter fallen weg und jenen Jugendlichen erschien die Ankündigung angesichts der gemachten Versprechungen wie ein Hohn und war angesichts der Erwartungen eine große Enttäuschung. Ja, weil trotz dem was die landläufige Meinung besagt, eine "feste Arbeit" das von den meisten angestrebte Ziel ist und – nach dem was die offizielle Propaganda behauptet – die Aufgaben als Arbeiter die gefragtesten in der Welt der Zeitarbeit sind. (Das bestätigt selbst die Adecco: 69% der Nachfragen sind solche nach allgemeinen Arbeitern, 27,6% nach spezialisierten Arbeitern und das angesichts des von dem Gesetz, das die Vermietung der Leute festgeschrieben hat, verheißenen "neuen Berufsbildes".)

Ornella Banti ist die Verantwortliche der Turiner NIDIL [1], der Gewerkschaft der CGIL, die sich mit den "atypischen" Arbeitern beschäftigt. Was das Hinausjagen der 500 aus FIAT anbelangt, will sie sich nicht mit der formalen Unvermeidlichkeit des Gesetzes abfinden, "weil" – sagt sie – "man ein Problem sichtbar machen muß, das sich immer mehr ausweitet – eine konkrete Nutzung der Flexibilität, die jedwedes Recht beseitigt und die die Personen wie Objekte behandelt". Formal gesehen ist die Ausweisung der 500 aus FIAT keine Massenentlassung, sondern stellt die Normalität der Zeitarbeit dar.

"Es stimmt, diese Jugendlichen werden FIAT mit dem Ablaufen ihrer Verträge verlassen. Das ist nichts Unnormales. So wie es formal normal ist, daß eine Person vier mal in Folge von demselben Unternehmen gemietet und <dazwischen /d.Ü.> für einige Tage zu Hause gelassen wird, um dann die Reihe der Anmietungen fortzusetzen. Für das Gesetz ist das einwandfrei, aber ich frage, ob das richtig / gerecht ist, ob es Sinn macht zu behaupten, daß die so genutzte Zeitarbeit der Logik entspricht Produktionsspitzen zu begegnen oder ob es nicht vielmehr eine Art ist Arbeiter, die es nicht gibt, zu ersetzen, um einem Personalmangel struktureller Art zu begegnen ? Und ich frage, ob man die Leute in dieser Weise (be-)nutzen kann, Übernahmeerwartungen entstehen lassen und von ihnen die Bereitschaft zu jeder Arbeit bis hin zu den anstrengdsten und niedrigsten Aufgaben verlangen und sie dann wegschicken kann ? Das ist nicht richtig / gerecht und sollte nicht normal sein."

Wie haben diese Jugendlichen auf den Rausschmiß reagiert ?

"Schlecht, sehr schlecht. Wir haben zusammen mit der FIOM-Gruppe der Fabrik Versammlungen der Zeitarbeiter einberufen, um ihre Eindrücke zu sammeln und um sie aufzufordern die Logik der Unvermeidlichkeit nicht zu akzeptieren. Aber das allgemeine Klima war eine Mischung aus Resignation und Verzweifelung. ‚Sie verschrotten uns‘ und ‚Wir sind Kanonenfutter‘ waren die immer wiederkehrenden Aussagen und mehr als einer weinte. Ein bißchen aus Enttäuaschung, ein bißchen wegen der Erniedrigung. Diese Jugendlichen haben sie gelehrt zu allem bereit zu sein, jede Vorstellung von Recht fallen zu lassen und ihnen dafür eine allgemein bessere Zukunft versprochen. Es gab welche, die mit Fieber zur Arbeit gingen, nur um sich eine Verlängerung <ihrer Arbeit bei FIAT /d.Ü.> zu ‚sichern‘. Aber die Enttäuschung angesichts der Realität ist dann sehr stark gewesen. Die größte Gefahr ist die der Resignation, die die Zerstreuung begleitet."

Was gedenkt Ihr zu tun ?

"Wir haben zumindest in diesem Fall keine rechtlichen Instrumente zur Verfügung. Wir können jedoch eine politische Initiative starten, um zumindest die wahre Natur der Zeitarbeit zu enthüllen, um die Realität anzuklagen und um zu verhindern, daß diese Jugendlichen alleingelassen werden. So werden wir nach den Versammlungen eine öffentliche Initiative starten, werden versuchen die Zeitarbeiter von FIAT zu einer Demonstration vor das Gebäude der FIAT-Hauptverwaltung in Turin-Lingotto zu bringen, auch um denjenigen, die in jener Atomisierung zerstreut sind, die alle schwächer und ohnmächtiger macht, einen kollektiven Sinn zu geben. Wir wollen das sichtbar machen, was von der Ideologie der Gelegenheiten, die die Flexibilität <angeblich /d.Ü.> schafft, verdunkelt wird. Das ist eine Art die – auch auf der Linken – landläufige Logik der Individualisierung des Arbeitsverhältnisses umzukehren. Und dann werden wir zusammen mit der Gewerkschaftsgruppe in der Fabrik von FIAT fordern, eine ‚Prioritätsliste‘ anzufertigen, die die 500 Entlassenen umfaßt und das Becken wird, dem die nächsten, die engagiert werden, entnommen werden, weil FIAT diese Arbeiter benutzt hat, um den Personalmangel zu decken und diese Jugendlichen daher in gewisser Weise als ‚FIAT-Beschäftigte‘ betrachtet werden müssen. Das sind kleine Schritte auf einem langen und schwierigen Weg, der die Zügelung der Prekarisierung und die Stabilisierung des Arbeitsverhältnisses zum Ziel haben muß. Aber irgendwo muß man ja beginnen."

 

Übersetzung und erläuternde Fußnote: Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover

1) Die erst vor knapp zwei Jahren gegründete NIDIL ist mit (Ende 1999) 4 737 Mitgliedern die zweitkleinste Mitgliedsgewerkschaft des größten italienischen Gewerkschaftsbundes CGIL (der den noch regierenden Linksdemokraten, d.h. dem noch weiter nach rechts gewendeten ehemaligen rechten Mehrheitsflügel der 1990 aufgelösten italienischen KP, eng verbunden ist). Die NIDIL steigerte ihre Mitgliederzahl im Vergleich zu Ende 1998 (1 524 Mitglieder) deutlich, wenn auch von einer sehr geringe Ausgangsbasis aus. Gleichzeitig nahm die Zahl der CGIL-Mitglieder sprunghaft zu, die aufgrund ihrer zeitlich begrenzten Beschäftigung auf ABM-Stellen (im Italienischen: LSU-Stellen = Gesellschaftlich nützliche Arbeiten) gemischte Mitgliedschaften aufwiesen. Am Jahresende 1998 waren das 20 013, Ende 1999 bereits 30 148.


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