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– Diskussionsvorlage AG Tarifpolitik Gewerkschaftslinke –

Auch nach dem 11. September: Gute Gründe für eine hohe Forderung in der Tarifrunde 2002

 

Wir machen seit Jahren bei den Reallöhnen und Gehältern rückwärts. 2001 war der bisherige Gipfel mit Tariferhöhungen unter der Inflationsrate.

Der Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen ist auf das Niveau der 50er Jahre zurückgegangen und die Vermögensverteilung wird immer krasser: Die Reichen werden immer reicher, die Armen ärmer und zahlreicher.

Wenn Gewerkschaften auch nur 5% fordern, heulen Arbeitgeber und Medien auf. Von Unternehmern geforderte Kapitalrenditen von 10, 15 oder 20% brauchen nicht begründet zu werden – Gewinnsteigerungen um ein Mehrfaches finden sie völlig in Ordnung. Verdopplung der Managergehälter in wenigen Jahren werden mit abenteuerlichen Behauptungen verteidigt: diese obszönen Gehälter erfordere der Wettbewerb, sonst verlagern sich die tollen Manager ins Ausland.

Die Pilotenvereinigung Cockpit hatte bei der Aufstellung ihrer Forderungen die richtige Konsequenz gezogen und versucht, Verlust und Verzicht aus zehn Jahren auszugleichen. Es liegt an uns, in allen anderen Branchen genauso vorzugehen. Wie bei den Piloten muß schon die Forderung für die Beschäftigten und Gewerkschaftsmitglieder ein Signal sein: Ende der Bescheidenheit!

Auch aus den DGB-Gewerkschaften, wurde Cockpit vorgeworfen, ohne Verantwortung zu handeln und ihre Stärke auf Kosten anderer Beschäftigter zu gebrauchen. Diese Argumentation stellt die Wirklichkeit auf den Kopf: die Tarifpolitik der meisten DGB-Gewerkschaften, auch im Bereich der Lufthansa, hat darauf verzichtet, die eigenen Kräfte einzusetzen um akzeptable Lohnerhöhungen für alle durchzusetzen.

 

Umverteilung auf die Tagesordnung!

Wir sehen vielmehr, dass der Cockpit-Abschluß ein Signal bei den KollegInnen aller Branchen gesetzt hat, daß die Umverteilung zum Kapital zu stoppen und umzukehren ist.

Wir rufen auf, dort den gemeinsamen Kampf am heftigsten zu führen, wo wir stark sind, und so allen zu helfen, mehr raus zu holen.

Verantwortung heißt dann, daß die IG Metall als Tarifführer nicht wieder einen Verlustabschluß wie 2000/01 vorgibt, und so Branchen wie den Handel völlig im Regen stehen läßt.

Verantwortung heißt auch, beim Exportweltmeister Deutschland hohe Abschlüsse zu erstreiten, damit in anderen Ländern nachgezogen werden kann, anstatt eine Abwärtsspirale in Gang zu setzen.

Verantwortung heißt, das Lohngefüge wieder deutlich nach oben zu drücken und denen einen Riegel vorzuschieben, die mit Löhnen unterhalb der Sozialhilfe einen Niedriglohnsektor propagieren.

Daß Unternehmer und ihre Verbände, ihre Lautsprecher in Medien und Politik gegen jede nennenswerte Erhöhung trommeln, ist "normal", weil interessengeleitet, und für Gewerkschaftsmitglieder–und Aktivisten kalkulierbar.

Daß aus den Gewerkschaftsspitzen gelegentlich mit kräftigen Lohnforderungen gedroht wird, das ganze aber nach dem nächsten Treffen beim Kanzler wieder vergessen ist, hat mit den Interessen der Mitgliedschaft nichts zu tun.

Die drohende Abwertung von Lohnrunden zum im schlechten Sinne kalkulierbaren Ritual wird von den KollegInnen auch nicht für "normal" gehalten. Sie entfremdet vielmehr die Mitglieder von ihren Gewerkschaften.

Wer die Durchsetzungs- und Bindekraft der Gewerkschaften stärken, den Mitgliederschwund stoppen will, braucht keine Millionen für PR-Agenturen, sondern als erstes ein Konzept für eine kämpferische Tarifrunde 2002!

Für ein solches Konzept sind, bei Beachtung der jeweiligen Besonderheiten der einzelnen Gewerkschaften, nach unserer Auffassung folgende Eckpunkte notwendig:

Es genügt folglich nicht, die Forderung aus "Produktivitätswachstum plus Inflationsausgleich" zu begründen. Rück-Umverteilung zu Gunsten der Löhne steht auf der Tagesordnung! Eine zweistellige Lohnforderung steht an, die sich aus Preisteigerung + Produktivitätsfortschritt + Umverteilungskomponente errechnet.

Mitgliederbeteiligung statt Medien-Instrumentalisierung von oben! Demokratische innergewerkschaftliche Meinungsbildung über Forderungshöhe- und Struktur sowie Bewertung von Verhandlungsergebnissen.

Sie machen darüberhinaus ein Erfolgsprinzip zunichte: daß durchsetzungsstarke Belegschaften in einer Gewerkschaft Vorreiter für die Fläche sind, und durchsetzungsstarke Gewerkschaften "Marken" setzen für weniger starke Bereiche. Differenzierungskonzepte dürfen deshalb nicht Bestandteil unserer Tarifpolitik werden – auch nicht in der Tarifrunde 2002.

 

Anti-Kriegs-Bewegung und kämpferische Lohn-Tarifrunde!

Wir brauchen Gewerkschaften, in denen um den besten Weg gestritten wird, wie die Lebens- und Arbeitsbedingungen verteidigt und verbessert werden können. In denen Kampffähigkeit vorbereitet und eingesetzt wird statt nur gedroht. In der Tarifrunde 2002 geht es nicht nur Prozente, es geht auch darum die Gewerkschaften wieder voran zu bringen!

Die Realisierung dieser Zielsetzung hat seit den Anschlägen vom 11. September jedoch gravierend neue Voraussetzungen bekommen:

Seit den Anschlägen vom 11.September wächst die Gefahr eines heraufziehenden Krieges. Wir wissen es alle: das nächste Opfer nach der Wahrheit sind unter Kriegsbedingungen unsere demokratischen Rechte und die Interessen der Lohnabhängigen. Umverteilung von unten nach oben würde beschleunigt werden. Im Trommelfeuer der Propaganda wird versucht, das Bewusstsein gegensätzlicher Interessen zu verschütten und so die Kräfteverhältnisse drastisch zu Lasten der Arbeitnehmer zu verschlechtern

Wir halten es deshalb für unabdingbar, daß die Gewerkschaften sich laut und deutlich gegen jede militärische Auseinandersetzung und gegen jede Beteiligung der Bundeswehr aussprechen und ihre Mitglieder im Bündnis mit der Friedensbewegung dagegen mobilisieren!

Stuttgart, 22.9.2001


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