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Rot-Grün hat es sich verscherzt

Verkorkste Sozialpolitik und Fixierung auf die Wettbewerbsfähigkeit: Mit der Bundesregierung ist kein Staat mehr zu machen, findet die Gewerkschaftslinke auf ihrem 3. bundesweiten Treffen und fordert ein Ende des Schmusekurses

aus Frankfurt/M. BEATE WILLMS

Es ist eine Weile her, dass jemand "Karl-Marx-Universität" an das Hauptgebäude der Frankfurter Johann-Wolfgang-Goethe-Universität geschrieben hat. Aber die Schatten sind immer deutlicher zu sehen, je länger man hinguckt. "Ein Omen", unkte jemand auf dem 3. bundesweiten Treffen, für das die Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken hierhin eingeladen hatte. Tatsächlich wurde auch den rund 170 Teilnehmern bis zum Abschluss am Samstag immer deutlicher, was sich zunächst nur in einzelnen Beiträgen und in Tischgesprächen abzeichnete: Die Gewerkschaften müssen raus aus dem Bündnis für Arbeit. "Vielleicht ist der Knoten jetzt geplatzt", sagte Mag Wompel, Initiatorin des Labournet, dem "virtuellen Treffpunkt der Gewerkschaftslinken".

Auf den vorangegangenen Treffen hatten die Teilnehmer aus so unterschiedlichen Bereichen wie der Betriebslinken und dem direkten Gewerkschaftsapparat keine gemeinsamen Erklärungen abgestimmt. Der Rückzug aus der Konsensrunde war unter anderem von Bernd Riexinger von der HBV Stuttgart und Tom Adler, Betriebsrat bei DaimlerChrysler Untertürkheim, propagiert worden. Vor allem Gewerkschafter mit höheren Funktionen hatten sich jedoch dagegen gewehrt.

Dabei sind sich die Gewerkschaftslinken in der Kritik an der Bundesregierung weitgehend einig: Der versprochene Politikwechsel habe stattgefunden - nur in die falsche Richtung. "Im Unterschied zur Kohl-Regierung hat Rot-Grün den friedlicheren, aber auch effektiveren Weg zum Abbau der sozialen Sicherungssysteme gefunden", sagte Martin Künkler von der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen. Dem erhöhten Druck auf Erwerbslose nach dem Aus für die originäre Arbeitslosenhilfe und den neuen Zumutbarkeitsbestimmungen in der Sozialhilfe folge nun der Versuch, das umlagefinanzierte Rentensystem in eine private Alterssicherung umzuwandeln - mit letztlich höheren Beiträgen und geringeren Rentenansprüchen für die Beschäftigten und Einsparungen für die Arbeitgeber. Dieser Systembruch wirke sich auch auf die Tarifpolitik aus.

Entsprechend richtete sich die Kritik auch an die Gewerkschaftsspitzen, die sich spätestens im Bündnis die Philosophie der Bundesregierung, nach der es allen gut gehe, wenn es nur der Wirtschaft gut gehe, zu Eigen gemacht hätten. So hätten sie den Verteilungsspielraum in den Tarifrunden kaum genutzt - auch entgegen Absprachen mit anderen europäischen Gewerkschaften, die eine Lohnkonkurrenz verhindern sollten. Das sei bei der günstigen Konjunktur fatal, erklärte der Frankfurter Soziologe Rainer Roth: "Was ist beim nächsten Abschwung?"

Aufgaben sahen die Gewerkschaftslinken nicht nur im Austritt aus dem Bündnis für Arbeit und dem Übergang zu einer offensiveren Umverteilungspolitik, sondern auch beim Betriebsverfassungsgesetz. Das Bundesarbeitsministerium hält den Referentenentwurf zurück, dafür setzt es immer wieder inoffizielle Papiere in Umlauf, die aus Sicht nicht nur der Linken in den Gewerkschaften immer schlechter werden. Offenbar soll der fertige Entwurf dann sehr schnell durchgesetzt werden. "Dagegen muss man sich wehren", hieß es. Und in Anspielung auf den DGB-Werbespot: "Und wer, wenn auch nicht wir?" www.labournet.de

Artikel erschienen in der taz vom 30.10.2000


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