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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Mag Wompel LabourNet Germany: „Spinne im Netz“ zwischen Gewerkschaften und sozialen Bewegungen LabourNet Germany ist 1998 entstanden. Es ist Teil eines internationalen Verbunds im Medium Internet, der Computerkommunikation nutzen will, um den Aufbau gewerkschaftlicher Organisation zu fördern und zu stärken. Zum damaligen Zeitpunkt war noch keine Gewerkschaft auf die Idee gekommen, dies zu tun. Zu Beginn unserer Arbeit stand entsprechend die (schnelle und kostengünstige) Verbreitung von Informationen im Vordergrund. Selbstverständlich ist es auch heute eine wichtige Aufgabe, sind doch Informationen eine Grundvoraussetzung für jedes Handeln. Eine wichtige Rolle spielte damals auch, dass viele der für gewerkschaftliche Arbeit wesentlichen Informationen nicht nur von den bürgerlichen Medien, sondern auch von den Gewerkschaften unterdrückt wurden. Heute verfügen nicht nur die Gewerkschaftszentralen, sondern auch fast alle Gewerkschaftsniederungen bis auf die Ortsebene über eine eigene Homepage, und der Informationsfluss hat sich dadurch erheblich verbessert. Doch immer noch werden nicht alle Informationen verbreitet! Wesentliche – von uns zu beseitigende – Defizite bestehen darin, Nachrichten aus der internationalen Gewerkschaftsbewegung zu erhalten, Solidarität (z.B. bei politischen Kündigungen) zu organisieren und (fast selbstverständlich) Minderheitenmeinungen oder gar innergewerkschaftliche Kritik zu verbreiten. Zu unseren Themen gehören aber auch Arbeits- und Lebensbedingungen, Nachrichten aus Branchen und Konzernen, internationale wirtschaftspolitische Alternativen sowie Gewerkschaftsstrategien jenseits nationaler Wettbewerbsfähigkeitsbündnisse und viele mehr. Kennzeichnend für unser journalistisches Konzept ist es, dass wir unsere LeserInnen für mündige und kluge Menschen halten, die sich ihr Urteil selbst bilden wollen und können – sicher im Gegensatz zum Menschenbild vieler Gewerkschaftsfunktionäre, die auch beim Einsatz vom Internet immer noch darauf bestehen, zu definieren, welche Informationen Funktionären und Mitgliedern zustehen. Daher stellen wir möglichst viele Originalinformationen – durchaus auch aus dem Regierungs- oder Arbeitgeberlager – zur Verfügung, anstatt Meinung zu „machen“. Eine weitere wichtige und bis heute wesentliche Funktion bekam das LabourNet Germany durch die sukzessiv steigende Verbreitung von Internetanschlüssen und der e-mail-Korrespondenz. Immer mehr unserer LeserInnen – zunächst überwiegend aus dem gewerkschaftlichen Spektrum, das immer noch die Mehrheit darstellt – sahen im LabourNet Germany eine Möglichkeit, die Rolle des Nachrichtenportal-„Kunden“ zu verlassen, und selbst zum Informanten zu werden, eigene Belegschaftszeitungen oder Kommentare einer bis dahin unerreichbaren Menge an LeserInnen bekannt zu machen. Der größte Teil der täglichen Redaktionsarbeit besteht in der Begutachtung und Bearbeitung zugesandter Beiträge. Denn selbst im Zeitalter von Millionen auch persönlicher Homepages kommt es darauf an, dass der jeweilige Beitrag die Leserschaft über ein bekanntes Portal erreicht. Die Informationsgrundlage „über die Basis“ wird durch die „Aktivierung“ der Leserschaft verbessert, aber auch das eigene politische Tun durch die Kenntnis positiver Beispiele und die Belege für das Vorhandensein Gleichgesinnter angeregt. Die Rolle als Informationsportal hat allerdings weder uns noch unserer Leserschaft lange genügt. Sowohl aus unserem gewerkschaftspolitischen Verständnis als auch aus dem Bedürfnis unserer Leserschaft heraus spielte bald die nationale und internationale Vernetzung eine wichtige Rolle. Da die Redaktion sich immer auch als Teil der Gewerkschaftsbewegung verstand und darstellte, war es ein geradezu selbstverständlicher Schritt, z.B. an der Autokoordination zur Vernetzung oppositioneller Gruppen globaler Konzerne wie GM oder DaimlerChrysler teilzunehmen. Auch für postalische oder telefonische Vernetzung werden wir nach wie vor in Anspruch genommen. Hierbei spielt nicht nur das Medium und unser Bekanntheitsgrad eine Rolle, sondern ebenso die langjährige nationale und internationale Arbeit mit ihrer Fülle an Kontakten – hier hat der Begriff „Spinne“, nicht nur im Netz, seinen Ursprung. Diese Inanspruchnahme als Kontaktvermittlungsstelle spiegelt die nicht zufrieden stellende Aufgabenerfüllung durch die Gewerkschaften. Entsprechend unserem Selbst¬verständnis wollen wir die entstandenen Kontakte keinesfalls an uns binden oder kontrollieren, veröffentlichen allerdings gerne positive Erfahrungen, um zur Nachahmung anzuregen, wie es für betriebliche, autonome Kämpfe auch gilt. Durch diese Funktionen der Information, Publizierung und Vernetzung wurden wir zum „virtuellen Treffpunkt der Gewerkschafts- und Betriebslinken“. Die wachsende Bekanntheit und Akzeptanz machte uns zunehmend kampagnenfähig, so z.B. bei der Kürzung des Bildungsurlaubs in NRW oder bei der Tarifierung von Leiharbeit. Wären die Gewerkschaften und die Gesellschaft so, „wie sie sein sollten“, müsste es das LabourNet Germany nicht geben und gäbe es dieses sicherlich nicht. Entsprechend spiegelt unsere redaktionelle Arbeit unser (gewerk¬schafts)politisches Verständnis. Wir arbeiten daran, dass Menschen sich einmischen, vernetzen und solidarisch aktiv werden – wir streben Emanzipation und Solidarität an. Wir wollen eine Globalisierung der Lohnabhängigen und arbeiten an der internationalen Vernetzung nicht nur der Gewerkschaftsbewegung. Und weil wir die Zukunft der Gewerkschaftsbewegung nur als Teil einer internationalen sozialen Bewegung sehen, arbeiten wir an der Vernetzung aller Lohnabhängigen: von Beschäftigten, Erwerbslosen, Sozialhilfeempfängern oder MigrantInnen – mit Gewerkschaften und mit den sozialen Bewegungen, national und international. So wie unsere aktive Beteiligung an nationaler wie auch internationaler Gewerkschaftsopposition und ihrer Vernetzung Hand in Hand mit der redaktionellen Arbeit als „virtueller Treffpunkt der Gewerkschafts- und Betriebslinken“ einhergeht, sind wir auch an entsprechenden Initiativen der sozialen Bewegungen beteiligt (z.B. Anti-Hartz-Bündnisse, Demo-Vorbereitungen, Europäisches Sozialforum, Weltsozialforum). Durch die selbstverständliche Verbreitung dieser Themen neben den „klassisch“ gewerkschaftlichen sind wir zum einzigartigen Scharnier zwischen der Gewerkschaftslinken, den Menschen ohne Erwerb sowie den sozialen und Friedensbewegungen im deutsch¬sprachigen Raum geworden. Information und Intervention (auch durch immer häufigere Beteiligung und Mitorganisation von Veranstaltungen) gehen zunehmend ineinander über. Doch dieses breite Selbstverständnis stößt auch auf Grenzen der Realisierung. Ein wichtiger Engpass besteht in den sehr begrenzten Arbeitskapazitäten der auf Spenden angewiesenen, weitgehend ehrenamtlichen Arbeit. Hier wirkt sich die wachsende Bekanntheit und Akzeptanz als schier unüberwindliche Überlastung aus. Darunter leidet bisweilen eine weitere wichtige Funktion des LabourNet Germany: die Initiierung und Führung von Debatten über Zukunftsfragen jenseits des akuten Reparaturbetriebs von Gewerkschaft und Gesellschaft. „Welche Gesellschaftsordnung wollen wir?“ „Welchen Stellenwert wird darin die (gesellschaftlich notwendige) Arbeit einnehmen?“ „Welche Lebens- und Arbeitsbedingungen wollen wir dann?“ Und schließlich: „Was könnte eine emanzipatorische, internationale Gewerkschaftsbewegung aller Lohnabhängigen zu einem Kampf für eine solche Gesellschaft beitragen?“ Im Rahmen aktuell erwachsender neuer außerparlamentarischer Bewegung werden solche Debatten immer wichtiger. Alle sind herzlichst eingeladen, diese Debatten mitzuführen, die zum „Alltagsgeschäft“ werden sollten. Ebenso, wie wir einladen, das LabourNet Germany als ein Organ von und für uns alle zu betrachten und mitzugestalten (http://www.labournet.de/). labournet.de e.V. Erschienen in: Komitee für Grundrechte und Demokratie (Hg): Eine Politik sozialer Menschenrechte in Zeiten von Verarmung und Repression. Dokumentation einer Tagung des Komitees vom 12. bis 14. September in Arnoldshain (ISBN 3-88906-107-9) |