letzte Änderung am 21. Juli 2003 | |
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"Persönlich werfe ich Dir und Deinen Intriganten antigewerkschaftliches Verhalten vor. [..] Weil ich kein Vertrauen mehr in Deine Person habe [..] fordere ich Deinen sofortigen Rücktritt", schimpft der Bochumer Opel-Vertrauensmann Andreas Felder in einem offenen Brief an den IG-Metall-Chef Klaus Zwickel. Direkt und mit klaren Worten schreiben sich Gewerkschaftsmitglieder auf den Internetseiten des Labournet Germany die Wut von der Seele. Wer mit seinem Browser durch die Seiten blättert wird schnell feststellen, dass es sich hier um das Sprachrohr der kritischen Gewerkschaftsmitglieder handelt. Bundesweit und branchenübergreifend melden sie sich zu Wort: Betriebsräte, Vertrauensleute, einfache Mitglieder und manchmal auch Gewerkschaftsfunktionäre. Das Labournet bringt "Gewerkschaftsnews, die in keiner Zeitung stehen" das gestand sogar das DBG-Mitgliedermagazin der engagierten Homepage zu, die dieses Jahr ihren fünften Geburtstag feiert und deren News täglich von mehr als 5000 Besuchern gelesen werden.
Allein zur jüngsten Niederlage der IG Metall beim Arbeitskampf für eine 35 Stunden Woche in Ostdeutschland finden sich insgesamt mehr als fünfzig Beiträge: neben verlinkten Zeitungsartikeln mehrere Dutzend Meinungsäußerungen und Unterschrifteninitiativen. Zu lesen sind dort kämpferische Appelle von Ost-Kollegen und Vor-Ort-Berichte von und über West-Kollegen, die den Streik unterstützten: Zum Beispiel der Bericht einer oppositionellen Betriebsratsgruppe von Opel Bochum, die eine Solidaritätsbrigade zu ihren Kollegen ins Opel-Werk nach Eisenach organisierte; über Andreas Blechner, den Betriebsratsvorsitzenden von VW Salzgitter, der verhinderte, dass in Salzgitter nach Streikbrechermanier Motoren produziert werden, die eigentlich ihre Kollegen im Volkswagen Motorenwerk in Chemnitz herstellen; oder ein Brief der berlin-brandenburgischen ver.di Vorsitzenden im Fachbereich Medien, die sich auch nach Abbruch des Streiks mit ihrem Kollegen Hasso Düvel solidarisch erklärte, der als IG Metall Bezirksvorsitzender den Streik geleitet hatte.
Besonders viel Aufsehen und Resonanz gab es in den vergangenen Tagen für den anonymen Bericht eines Unternehmensberaters, der für die Automobilzulieferindustrie arbeitet, berichtet die Industriesoziologin Mag Wompel, die redaktionell verantwortliche Herausgeberin des Labournet Germany. Der Unternehmensberater führt darin aus, dass es keine streikbedingten Produktionsausfälle bei westdeutschen Autoherstellern gegeben habe. Die unterbrochene Produktion bei VW sei reine Inszenierung gewesen und die Kurzarbeit bei BMW sei auf konjunkturbedingten Absatzproblemen ihrer 03er-Reihe zurückzuführen nicht aber auf den Streik im Zulieferbetrieb Brandenburg. Dieser Betrieb stelle zwar Getriebe für BMW her, nicht aber für die 03er-Reihe. Das ist starker Tobak, waren diese Produktionsausfälle in den Westbetrieben für Klaus Zwickel doch gewichtige Gründe, den Streik abzublasen. Mehrfach hat sich Zwickel in den letzten Tagen auf einen Vorstandsbeschluss der IG Metall berufen, der die Vermeidung einer Fernwirkung der Streiks auf West-Betriebe beinhaltete.
Für die Leser und Leserinnen des Labournets ist das nichts Neues es vergeht kaum ein Monat, in dem es nicht einen Anlass zu scharfer Kritik an Gewerkschaftsentscheidungen gibt, die gewerkschaftliche Solidarität oft der Standortlogik und Wettbewerbsfähigkeit ihrer sogenannten Sozialpartner unterordnen. Trotzdem käme es der Redakteurin Mag Wompel nicht in den Sinn, unzufriedene Mitglieder zum Verlassen ihrer Gewerkschaft aufzufordern. Sie sollten im Gegenteil dort organisiert bleiben und Druck ausüben. Ziel sei es, mit dem Labournet Gewerkschaftsmitglieder zum eigenständigen Handeln aufzufordern. Das sei leider keine Selbstverständlichkeit, meint Mag Wompel, denn die Stellvertreterpolitik der Gewerkschaften sei auch für viele Mitglieder sehr bequem.
Front macht das Labournet Germany gegen die faktische Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, die Sparpolitik, die Privatisierung öffentlicher Dienste und die Ausweitung des Niedriglohnsektors, die von einer großen Allianz der rot-grünen Bundesregierung, der CDU und der FDP betrieben werden. In welche Richtung sich die Gewerkschaften auch in Deutschland entwickeln könnten, eröffnet ein Blick auf die internationalen Seiten des Labournet. Zum Beispiel in Großbritannien. Dort sind viele Mitglieder der großen Gewerkschaftsverbände dermaßen über New Labour verärgert, dass nur noch die Kandidaten in gewerkschaftliche Führungspositionen gewählt werden, die sich als konsequente Gegner von Tony Blair und seiner neoliberalen Politik profilieren. Diese Entwicklung entspricht allerdings ganz und gar nicht den Wunschvorstellungen des deutschen Bundeskanzlers, der die Gewerkschaften zu braven Co-Managern der Unternehmenspolitik zurechtstutzen will.
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