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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Herzlichen Dank Wir kommentieren das eigentliche Urteil im Tortenprozess nicht. Es ist bereits treffend von vielen Beobachtern des Prozesses getan worden und alles ist auf der Webseite der KollegInnen von Bo-Alternativ nachzulesen . Was uns aber sehr interessiert, ist die Frage, wie es dazu kommen konnte und welche Folgen es hat. Denn die Tatsache, dass Martin Budich vor einem Jahr freigesprochen wurde, damals sogar mit Zustimmung des anwesenden Staatsanwaltes und jetzt von der gleichen Institution verurteilt wird, wirft ein sehr betrübliches Licht auf Teile des Justizapparates in Bochum. Natürlich kennen wir den Spruch "Frag zwei Juristen nach ihrer Meinung und du bekommst drei verschiedene Antworten" und so kann es eben kommen, dass Amtsrichter Dr. Axel Deutscher im ersten Prozess in der Torte absolut keinen Aufruf zur Gewalt sieht und einen Freispruch erteilt und nun Richterin Barbara Heller sowie Staatsanwältin Sabine Wenzel als Indiz für die Gewaltbereitschaft der Comicfigur die grimmigen Augenbrauen und die breitbeinige Haltung ins Feld führen und eine Verurteilung zu 30 Tagessätzen á 50 Euro erreichen. Letzteres mag man verurteilen oder den Kopf schütteln, aber es ist wohl juristischer Alltag. Auch die Meinung, dass schon allein die Aufforderung "NPD-Aufmarsch verhindern!" strafbar sei, weil eine Verhinderung einer nicht verbotenen Demonstration mit legalen Mittel nicht möglich sei, mag man ablehnen, aber auch unter JuristInnen wird sie seit Jahren kontrovers diskutiert. Dass also verschiedene JuristInnen zu völlig unterschiedlichen Urteilen oder Bewertungen kommen können, scheint also normal und damit wäre auch die jetzige Entscheidung des Bochumer Amtsgerichtes abgetan und als Provinzposse zu bezeichnen, die spätere Instanzen sicherlich korrigieren werden. Aber leider ist es nicht ganz so einfach, denn die anfängliche Frage, wie es dazu kommen konnte, ist nicht mit den unterschiedlichen Meinungen der JuristInnen untereinander zu erklären. Das erste Urteil war ein Freispruch erster Klasse und ein Fiasko für die Staatsanwaltschaft Bochum. Aber die Tatsache, dass eben jene Staatsanwaltschaft, die sich schon allein durch die Anklageerhebung vollständig lächerlich gemacht hat und im ersten Prozess sogar letztendlich selbst auf Freispruch plädierte, es dann dennoch wagt, in eine sogenannte Sprungrevision beim Oberlandesgericht in Hamm zu ziehen, lässt die zugrunde liegende Motivation offen erkennen: Es darf alles passieren, nur eines auf keinen Fall, dass nämlich Martin Budich mit einem Freispruch davon kommt. Aber auch der Vorsitzende Richter beim OLG, offensichtlich ein weiser Mann, erläutert gleich zu Beginn der Sitzung, dass das Gericht zwar Mängel in der Urteilsbegründung sähe, aber um das Verfahren zu beenden, vorschlage, es einzustellen. Die Gerichtskosten sollten von der Staatskasse übernommen werden, der Angeklagte aber seine eigenen Kosten (d. h. die Anwaltsgebühren) übernehmen. Auch hier wieder eine prinzipielle Niederlage der Staatsanwaltschaft. Aber Einstellung und Freispruch sind zwei unterschiedliche Dinge und Martin Budich besteht auf einem Freispruch! Das Verfahren wird also neu vor dem Amtsgericht Bochum aufgerollt. Und jetzt beginnt der eigentliche Skandal: Es gibt offensichtlich bei der Staatsanwaltschaft Bochum Menschen, die die Macht, den unbedingten Willen und auch den Einfluss haben, einen solchen Prozess zu ihren Gunsten zu steuern. Anders ist die jetzige Verurteilung von Martin Budich und die damit einhergehende Kriminalisierung von Protesten gegen Nazis in unseren Städten nicht zu erklären. Und es stimmt sehr traurig, wenn sich RichterInnen und StaatsanwältInnen, allein schon durch die Verhandlungsführung, vom Urteil gar nicht erst zu sprechen, nicht zu schade sind, sich vor den Karren derjenigen spannen zu lassen, die in dieser Stadt politisches Engagement und aktiven Antifaschismus um jeden Preis verhindern wollen. Richtiggehend schlecht wird uns allerdings bei dem Gedanken, wie sich die "sympathischen jungen Damen und Herren", hier auf dem Bild vor dem Schauspielhaus auf der Demo am 25.10.2008, gegen die zu demonstrieren sich Martin Budich erdreistet hat aufzurufen, nun freuen und sich einen weglachen. Es muß nämlich ein geiles Gefühl sein, Plakate wie "Multikulti ist Völkermord" unter dem Schutz von Hunderten von Polizeibeamten durch unsere Stadt zu schleifen zu dürfen, dafür letztendlich von der Justiz unbehelligt zu bleiben und dann auch noch genüsslich mit ansehen zu dürfen, wie die Gegner vor Gericht gezerrt und verurteilt werden. Wenn man sich dann auch noch ansieht, wie die Justiz die erfolgte Anklage wegen Volksverhetzung gegen das NPD-Bundesvorstandsmitglied Thomas Wulf damals abschmetterte (Siehe dazu den Artikel von Bernd Kiesewetter auf Der Westen vom 14.10.2009 : Zitat: "...Der Sprecher des Landgerichts, Thorsten Wienecke, begründete gegenüber der WAZ die Ablehnung der Anklage damit, dass die Strafkammer die angeklagten Äußerungen und Verhaltensweisen Wulffs "zwar für geschmacklos, aber nicht als strafbar erachtet, da diese von der Meinungsfreiheit gedeckt sind". Dabei sei es "von grundlegender Bedeutung", dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Grundsatz gelte: Soweit eine Aussage mehrere Deutungsmöglichkeiten zulässt, von denen nicht alle einen Straftatbestand erfüllen, ist zugunsten des Angeschuldigten diejenige zugrunde zu legen, die strafrechtlich nicht relevant ist..."), wird endgültig klar, wo der Hase lang läuft. Dafür herzlichen Dank ... Redaktion LabourNet Germany, 22.07.2010 |