DGB-Spitze: Abmahnungen und Aufgabenentzug als Mittel im gewerkschaftlichen Meinungsstreit

Kammertermin 05. Oktober 1999: Aufgabenentzug ebenfalls "hinfällig" - stattdessen Maulkorb für tarifpolitische Kritik

Nach dem Bericht einer Beobachterin erklärte die Vertretung der DGB-Geschäftsführung gleich zu Beginn der Verhandlung, dass die am 29.03.99 gegen den DGB-Referatsleiter Joachim Kreimer-de Fries verfügte Entbindung von der Aufgabe einer Begleitung der europäischen Sozialpartner-Verhandlungen im Rahmen des Sozialen Dialogs sowie die Entziehung des Mandats im Arbeitsbeziehungsausschuss "hinfällig" seien.

Dem DGB-Sekretär sei durch das Putzhammer-Papier vom 18.08.99 (zu den Mobbing-Aspekten dieses betriebsöffentlich verbreiteten Papiers vgl. http://www.labournet.de/solidaritaet/pike.html) die Bearbeitung von Fragen der Koordinierung europäischer Tarifpolitik bestätigt, die Aufgabe der "Begleitung europäischer Sozialpartner-Verhandlungen durch Einbeziehung des Tarifpolitischen Ausschusses des DGB" wieder zugewiesen worden.

Allerdings sei gleichzeitig sichergestellt worden, dass aus der DGB-Zentrale keine "unterschiedlichen" Informationen und Stellungnahmen zu EU-Verhandlungsergebnissen an die DGB-Gewerkschaften mehr herausgehen könnten... Die Vertretung des DGB im EGB-Arbeitsbeziehungsausschuss durch Kreimer-de Fries sei obsolet geworden, da dieser Ausschuss "nicht mehr existiert". In dem vom EGB-Kongress (Ende Juni/Anfang Juli d. J.) vorgesehenen und vom EGB-Exekutivausschuss kürzlich beschlossenen "Koordinierungsausschuss für Tarifpolitik" werde der DGB durch GBV-Mitglied Heinz Putzhammer selbst vertreten.

Die vorsitzende Richterin Beckers machte deutlich, dass der Fall ihrer Auffassung nach damit erledigt, die Klage also gegenstandslos sei. Ein berechtigtes Interesse des Klägers an einer arbeitsgerichtlichen Feststellung, dass der Aufgabenentzug vom 29.03.99 zu Unrecht erfolgt sei, da dieser ausschließlich mit den (inzwischen auf dem Klagewege beseitigten) Abmahnungen begründet worden war, wollte Richterin Beckers nicht anerkennen.

Sie teile die Rechtauffassung des beklagten DGB-Arbeitgebers, dass ein Aufgabenentzug unabhängig von Rechtmäßigkeit seiner Begründung in jedem Fall aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers rechtens sei. Darüber hinaus offenbarte die Richterin, dass sie der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht folge, dass ein Aufgabenentzug dieses Umfangs und dieser Bedeutung eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne des § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes darstelle. (Die Rechtsvertretung des klagenden DGB-Sekretärs hatte auf entsprechende Entscheidungen hingewiesen, nach denen selbst eine 25prozentiger Entzug von Tätigkeiten nicht durch schlichte Weisung des Arbeitgebers erfolgen kann.)

Daraufhin zog die Rechtsanwältin im Einvernehmen mit dem DGB-Beschäftigten die Klage ohne Angabe von Gründen zurück.

LabourNet Germany, 5. Oktober 1999