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Updated: 18.12.2012 15:51
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Betriebsrat Heiko Barten muss die Bankgesellschaft nun doch verlassen, die II. Instanz stellt das Urteil der I. Instanz von den Füßen auf den Kopf.

Berufungsverhandlung im Kündigungsschutzverfahren Heiko Barten gegen Bankgesellschaft Berlin vor dem Landesarbeitsgericht Berlin vom 11. August 2004 in der 4. Kammer unter der Vorsitzenden Richterin Ingrid Arndt.

Der Saal am Magdeburger Platz war voll wie immer, wenn es um die Entlassung des Betriebsratsvorsitzenden Heiko Barten ging. Die Sitzplätze reichten nicht aus, eine Reihe von Prozessbesuchern musste sich mit Stehplätzen begnügen, dicht gedrängt neben der Tür zwischen Sitzreihen und Prozessparteien. Auf der einen Seite Heiko Barten mit Anwalt Burger, auf der anderen Personalleiter Hicke mit Anwalt Müller-Boruttau, im Rücken von Heiko Barten eine Sekretärin, die bei Bedarf dem Personalleiter geflissentlich Zustimmung signalisierte. Es herrschte eine äußerst konzentrierte Atmosphäre bei schwüler Hitze.

Vorne nahm Richterin Arndt in der Mitte Platz, eine ältere Dame, rechts von ihr nickte der Arbeitgebervertreter beim Vortrag der Richterin beifällig ohne Ende, links von ihr zeigte der Arbeitnehmervertreter keinerlei Reaktion.

Etwas mühevoll stellte Arndt die Entwicklung der verschiedenen Verfahren dar, bis sie dann endlich zur Sache kam. Das Gericht hatte sich offenbar bei der Vorbereitung eine feste Meinung gebildet. Die inkriminierte "Internet-Animation", die Sequenz von rasant wechselnden Bildern - u.a. ein Stofftier im Ruderboot, "Arbeit macht frei", ein Krokodil, ein Blitzschlag, Geld und einen "Leichenberg" einschließend - in Verbindung mit den Worten "Trennungsgespräche" und "Meinungsfreiheit" hatte Richter Dr. Ruberg in erster Instanz für ein wirres Bilderpotpourri gehalten, das sah diese Kammer völlig anders: Mehrere Male wiederholte Richterin Arndt in der Verhandlung denselben Ausspruch: "Wir haben das Banner mit einer gewissen Fassungslosigkeit gesehen, wir sind immer noch fassungslos!" Die Motive des Klägers wären ihnen nicht nachvollziehbar, wie man Trennungsgespräche und Meinungsfreiheit in die Nähe der verwendeten Bilder bringen könne. Sie wären immer noch fassungslos und im völligen Gegensatz zur Auffassung der ersten Instanz nicht der Meinung, dass die Animation sehr wirr und deshalb weniger verletzend sei. Das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber hielten sie für unhaltbar zerrüttet. Dass Heiko Barten monatelang bereits wieder im Unternehmen - wie zuvor auch - konfliktfrei gearbeitet hatte, störte bei dieser Auffassung nicht weiter.
Alles wäre überschritten, was man sich als Grenzen der Zusammenarbeit vorstellen könnte. Damit war eigentlich schon alles gesagt.

So erschien die Feststellung, dass der Kläger seit 1987 wohl verantwortungsbewusst und sehr zufriedenstellend für das Unternehmen tätig und vor diesem Hintergrund die Kündigung sehr bitterlich sei, nur noch wie eine Pflichtübung. Richterin Arndt gab die richterliche Vorentscheidung bekannt und betonte dabei noch einmal, dass das Banner eine Schockwirkung verursache, die anhalte. So geriet die Frage nach einer Vergleichsmöglichkeit zur Farce, sie gab allerdings dem Personalleiter noch einmal Gelegenheit zu einem Rundumschlag: Nach all dem, wie hier die Diffamierungen gegen die Bankgesellschaft in der Öffentlichkeit fortgesetzt worden wären, auch nach der Kündigung, sähe sich die Bankgesellschaft nicht in der Lage, auch noch eine Abfindung zu zahlen, zumal Hicke das auch „vor der Belegschaft rechtfertigen“ müsse, vor Mitarbeitern, die betriebsbedingt das Unternehmen ebenfalls mit einer Abfindung verlassen müssten.

Heiko Barten stellte in der Verhandlung überzeugend dar, wie Stillhalten und der Verzicht auf Gegenwehr in der Weimarer Republik dazu geführt haben, dass sich viele Menschen plötzlich in Dachau auf der Rückseite der zynischen Aufschrift "Arbeit macht frei" wieder fanden. Die allgemeine Betroffenheit, die nach seinen Ausführungen auch beim Gericht herrschte, konnte dessen vorgefasste Meinung allerdings nicht mehr ins Wanken bringen; auch nicht der Vorhalt eines kürzlich ergangenen Urteils des Bundesarbeitsgerichts durch Rechtsanwalt Burger, das in einem in Teilen vergleichbaren Fall - gar bei direkt erfolgter Nennung des Arbeitgebers - der Meinungsfreiheit absoluten Vorrang gegeben und eine fristlose Kündigung zurückgewiesen hatte.

Völlig ungeklärt blieb bei der Verhandlung, wieso Heiko Barten überhaupt mit der Animation auf der Homepage der Gruppe FrischerWind! (www.frischerwind-online.de externer Link) ohne direkten Bezug zur Bankgesellschaft diese verunglimpft haben sollte und wie diese sich dann als Beleidigte gefühlt haben konnte.

Letzten Endes konnte es in dieser Situation nur noch darum gehen, dass die Revision beim Bundesarbeitsgericht zugelassen würde. Wenigstens diesem Wunsch gab das Gericht wenigstens bei der Kündigungsschutzklage statt.

Die Anwesenden unterstützten Heiko Barten in angemessener Weise bei seinem Vortrag und mit Unmutsäußerungen gegenüber der Gegenseite und dem Gericht. Das Urteil verschlug ihnen jedoch größtenteils die Sprache.

Peter Vollmer
Für das Solikomitee: Angelika Wernick und Hans Köbrich

Berlin, 10.9.2004

www.berliner-bankenskandal.de externer Link
www.buerger-gegen-den-bankenskandal.de externer Link
www.labournet.de
www.frischerwind-online.de externer Link

 


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