letzte Änderung am 23. Dez. 2002 | |
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Mein Name ist Anatole Braungart, ich bin befristet eingestellt, arbeite in der Verpackung Kostenstelle 0495 und habe auf der letzten Betriebsversammlung das erste Mal zur Übernahme der befristeten Kollegen gesprochen. Für die Reaktion vieler Kollegen möchte ich mich herzlich bedanken. Eine Kollegin kam zu mir und hat gesagt: Du hast uns allen aus dem Herzen gesprochen. Ein anderer Kollege hat mir berichtet: Deine Rede ist bei den Angestellten sehr beachtet worden. Die waren begeistert. Aber du gefährdest auch deine Übernahme.
Wie ist das Herr von Maltzan, ist man vorgemerkt, wenn man hier den Mund auf macht? Diese Antwort sind sie uns allen noch schuldig.
Ein Vertrauensmann hat zu mir gesagt: BMW geht es um noch ein paar Prozente mehr bei den Aktien, aber für uns geht es darum, dass wir unsere Familie ernähren können. Und ein anderer Vertrauensmann meinte: Das Anliegen ist klar, was kann man tun?
Ich habe deshalb den Vertrauensleuten als ersten Schritt eine Unterschriftensammlung zur Festeinstellung aller befristeten Kollegen vorgeschlagen. Das hat viele ernsthafte und notwendige Diskussionen heraus gefordert. Ein Kollege in der Vertrauensleutesitzung brachte seine Bedenken gegen eine Unterschriftensammlung so auf den Punkt: Wenn die zukünftige Produktionsplanung nur 2100 Leute vorsieht, dann sind das Fakten. Dann ist es noch besser Befristungen laufen aus, als dass Kollegen entlassen werden.
Aber ist das für uns die Alternative? Gehören wir befristeten Kollegen nicht ebenfalls zu Belegschaft? Ist das was BMW plant bereits Fakt, oder müssen wir nicht unsere eigene Rechnung aufmachen? Wir haben heute ja bereits gehört,, dass wir das nicht akzeptieren müssen. Folgen wir dieser Logik, dass das was BMW plant, unumstößliches Gesetz ist, dann müssen wir heute und in Zukunft jede Verschlechterung und jeden Abbau von Arbeitsplätzen akzeptieren, egal ob befristet oder unbefristet. Dann werden wir immer gegeneinander ausgespielt. Alles was heute schon gesagt wurde, zeigt das wir den Zusammenhalt brauchen.
Die Geschäftsleitung trägt den Befristeten besonders eine weiteren Befristung aus besonderem Grund an. Natürlich erscheint für den einzelnen Kollegen eine neue Befristung auf dem Schleudersitz als "kleineres Übel" , wenn er von der Geschäftsleitung vor die Alternative gestellt wird, sonst arbeitslos zu werden. Was soll er allein auch anders machen? Ich glaube die richtige Antwort kann keiner alleine geben, die können wir nur als Belegschaft gemeinsam geben. Tatsächlich wird mit den "Befristungen aus besonderem Grund" der Kündigungsschutz immer weiter ausgehölt und damit das vorweg genommen, wass mit den Vorschlägen der sogenannten Hartz-Kommission in Zukunft Regierungspolitik werden soll.
Tatsächlich werden mit diesen "Befristungen aus besonderem Grund" nur genau so viel und solange Kollegen weiter beschäftigt, wie BMW für die Produktion braucht und kein einziger mehr. Das waren viele wirklich Neuigkeiten heute. Da müssen wir uns erstmal alle mit beschäftigen, was das im Einzelnen bedeutet. Ich finde es auch gut wenn die Arbeitsplätze in der Bremsscheibe erhalten bleiben. Aber ich habe z.B. gehört das in der Bremsscheibe jetzt von 10 befristeten Kollegen nur 5 eine Befristung aus besonderem Grund erhalten haben, davon nur 2 in der Bremsscheibe und 5 entlassen wurden. Ich möchte von ihnen, Herr von Maltzan, konkret wissen, wie viele Kollegen im ganzen Werk in den letzten Monaten bereits abgebaut wurden und nach ihren Plänen weiter abgebaut werden sollen. Bei uns in der Verpackung sind wir z.B. 10 Kollegen, deren Verträge auf den 31.12.2002 datiert sind. Bei wieviel Kollegen präzise laufen am Ende des Jahres die Befristungen aus und was gedenken Sie hier zu tun? Unsere Forderung bleibt: Übernahme aller befristeten Kollegen in unbefristete Arbeitsverhältnisse!
Man macht uns Hoffnungen, nach der Befristung aus besonderem Grund dann wieder eine Übernahme in den Motorradbereich erfolgen soll. Ich halte das nicht für realistisch, denn es würde bedeuten, das BMW auf Jahre weiter Rekordsteigerungen vollzieht. Wir befinden uns aber in einer tiefen Weltwirtschaftskrise. Im 2. Quartal dieses Jahres ist der Motorradverkauf erstmals zurückgegangen, während aus uns immer mehr herausgeholt wird.
Es ist doch ein Aberwitz, dass auf der einen Seite Kollegen vor die Tür gesetzt werden sollen, während die verbleibende Mannschaft immer länger arbeiten soll - nach den neusten Vorschlägen der GL mit Schichten bis 15:30 und bis 1:00 Uhr nachts und 10 Samstagen pro Schicht im ersten Halbjahr. Da können die Mütter und Väter unter uns ja gleich ein Photo auf den Küchentisch stellen, damit sie am Ende des Halbjahres von ihren Kindern nicht "Onkel oder Tante" genannt werden. Diese Nutzung des Produktivitätsfortschritts produziert Massenarbeitslosigkeit, weil die Arbeit nicht verteilt, sondern auf immer weniger Leute konzentriert wird. Für mich ist das eine elementare Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen. Mann kann die Zahlen aber auch anders herum lesen. Sie zeigen das Potential für eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Warum soll der Produktivitätsfortschritt nicht von denen beansprucht werden, die ihn erschaffen? Der 6-Stundentag bei vollem Lohnausgleich als Regelarbeitstag von Montag bis Freitag schafft Arbeitsplätze auf Kosten der Profite. Er schafft für uns Zeit, uns wieder um unsere Familien zu kümmern, für Kultur und Sport und um uns gesellschaftlich einzumischen. Er kann als Betriebsvereinbarung in unserem Werk, als Konzernvereinbarung bei BMW, in ganz Deutschland - wie als Tarifoption vom Gewerkschaftstag der IG Metall beschlossen - und auch in verschiedenen Ländern gleichzeitig gefordert und durchgekämpft werden. Wenn wir uns dafür einsetzen, übernehmen wir damit Verantwortung gegenüber dem drängensten Problem der Massenarbeitslosigkeit. Allein in unserem Werk würde die Durchsetzung 450 neue Arbeitsplätze schaffen oder sichern. Ich habe mir die Mühe gemacht und noch ein bißchen weiter gerechnet: Setzt man eine Einstellung bzw. Sicherung dieser 450 Arbeitsplätze mit angenommen - E5/Sollstufe, an, würde dies den Gewinn in einem halben Jahr um 7,281 Mio € schmälern. Nur zum Vergleich: für die Motorradproduktion weist BMW für das 1.Halbjahr 2002 ein Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit vor Steuern von 89 Mio € aus, und ganz BMW einen offiziellen Gewinn von 1,261 Milliarden €. Die Kosten einer Arbeitszeitverkürzung haben wir längst erarbeitet. Ist das was ich vorschlage, wirklich so undenkbar? Was ist eigentlich für uns Arbeiter und Angestellte vernünftig: Unsere eigene Rechnung aufzumachen oder so weiter zu machen wie bisher?
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