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Updated: 18.12.2012 16:22 |
liebe KollegInnen, Sondermeldung im LabourNet Germany am Samstag, 22. Dezember 2007: Diskussion > Gewerkschaften und die neuen alten Rechten > AntifaschistInnen als Opfer > Wird Angelo Lucifero von den Gewerkschaften vom Opfer zum Täter gemacht? Kündigung des Thüringer Gewerkschaftssekretärs und Antifaschisten Angelo Lucifero verhindern! Wir haben in den letzten Tagen die Information zurückgehalten, dass der ver.di Landesbezirk Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen Angelo Lucifero fristlos kündigen will, nachdem kurz zuvor Suspendierung und Hausverbot ausgesprochen wurden. Wir haben diese Information zurückgehalten, um Angelo in der arbeits- und strafrechtlichen rechtlichen Auseinandersetzung nicht zu schaden. Diese Rücksichtnahme fehlte dem Landesbezirksleiter Thomas Voss. Am 22. Dezember gab es den ersten Artikel bei indymedia und in der Jungen Welt und es ist zu erwarten, dass die Thüringer Lokalmedien in den nächsten Tagen nachziehen. (Hinweis: Der Zeitpunkt der Veröffentlichung war ungünstig. Wir bitten alle Journalisten darum, besonders sorgsam in der Veröffentlichungspraxis zu sein.) Die Kündigung erfolgt katastrophal kurz vor dem Prozess, den Staat und Nazis gegen Angelo am 16. Januar führen (siehe die Meldung vom Freitag und http://ggr.blogsport.de/ ). Ver.di lässt es sich nicht nehmen, Fakten zu schaffen und kommunizierte die beabsichtigte Kündigung bereits gegenüber den anderen DGB-Gewerkschaften - ohne Zustimmung oder Widerspruch des Betriebsrates und des Integrationsamtes, das bei Kündigung Schwerbehinderter Stellung nehmen muss, abzuwarten. Wenn Thomas Voss der JW sagt, dass Angelo gekündigt wird, weil er "in unzulässiger Weise persönliche politische Arbeit auf Kosten und mit Mitteln der Gewerkschaft ver.di betrieben" habe, dann geht es dabei unter anderem um die Antira Mailingliste. Am 14. Dezember haben zahlreiche ver.di-Mitglieder bereits bei ver.di interveniert (siehe Anlage 1), um deutlich zu machen, dass diese Liste nicht Angelos "persönliche politische Arbeit" ist, sondern eine kollektive Infrastruktur, deren weitere Unterstützung durch ver.di wir fordern. Antworten: keine! Diese Forderung interessiert ver.di genau so wenig, wie alle ver.di-Beschlüsse zur praktischen Unterstützung von Angelo beim bevorstehenden Prozess (Zum Prozess siehe http://ggr.blogsport.de/ und im LabourNet Germany "Infomail der GewerkschafterInnen gegen Rechts (GGR) vom 18.12.07"). Noch ist es nicht zu spät, diese Kündigung zu verhindern! Wir rufen auf zu Protesten an:
ver.di-Mitglieder könnten sich übrigens auch dafür interessieren, wie die Beschlüsse zur Solidarität mit Angelo beim bevorstehenden Prozess umgesetzt werden. Auf Antrag der Bundesjugendkonferenz hat der ver.di-Bundeskongress eine entsprechende Entschließung angenommen (Antrag Nr. A 121: "Für gewerkschaftliche Solidarität mit aktiven Antifaschistinnen und Antifaschisten! Für die Unterstützung des Gewerkschaftssekretärs Angelo Lucifero" , siehe auch Anlage 2). Der für die Umsetzung zuständige Bundesvorstand scheint den Beschluss zu ignorieren, denn es gibt bislang keinerlei Initiativen zur Unterstützung von Angelo. Und die Anfrage der GewerkschafterInnen gegen Rechts, ob der ver.di Bundesvorstand eine/n Prozessbeobachter/in entsenden wird, wurde schlichtweg nicht beantwortet. Mag Wompel, LabourNet Germany Dokumentation eines Schreibens von ver.di-Mitgliedern vom 14. Dezember 2007 An Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind ver.di Mitglieder überwiegend im Landesbezirk Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen und nutzten in der Vergangenheit für unsere gewerkschaftliche Arbeit gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus die Antirassismus-Mailingliste antira@verdi.de. Diese Liste entstand mit Unterstützung der Gewerkschaft HBV und wurde mit Gründung von ver.di zu einer Informations- und Kommunikationsplattform von Mitgliedern aller Gründungsgewerkschaften mit Menschen aus anderen Gewerkschaften, Initiativen und Organisationen der Zivilgesellschaft. Viele Aktionen gegen Rechtsextremismus v.a. in Thüringen wurden mit Hilfe dieser Mailingliste (bzw. ihres Partners, des antira-kalenders) koordiniert. Ver.di schärfte damit sein Profil, was wir angesichts der erschreckenden Ergebnisse der Studie "Gewerkschaften und Rechtsextremismus" für dringend notwendig erachten. Dass die Gewerkschaften in Thüringen zu einem auch kurzfristig ansprechbaren Akteur im Kampf gegen Rechtsextremismus wurden, hat auch etwas mit dieser Kommunikationsplattform zu tun. Für uns als ver.di-Mitglieder waren und sind diese Listen unentbehrlich. Seit einigen Monaten funktioniert die Liste antira@verdi.de nicht mehr. Wir gehen davon aus, dass dies keine politische Entscheidung war, sondern Folge eines technischen Problems mit dem Server/Provider der ver.di-Bundesvorstandsverwaltung. Leider hat dieses technische Problem bei der notwendigen Neueinrichtung der Liste auf einem anderen Server weitere technische Probleme nach sich gezogen. Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Listenadministrator mit antira@lag-antifa.de die verlorene Liste ersetzt hat, auch wenn wir es bedauern, dass sich unsere Gewerkschaft ver.di nun nicht mehr selbst als Domaininhaber profiliert. Wir sind selbstverständlich weiterhin Mitglied der Liste und werben andere ver.di-Mitglieder, ebenfalls Mitglied zu werden. Wir hoffen und erwarten, dass sowohl die ver.di Landesleitung als auch der ver.di Bundesvorstand das inhaltliche und technische Engagement auf den Listen wertschätzt und nach Kräften unterstützt. Einer Antwort und weiteren Initiativen von euch blicken wir erwartungsvoll entgegen. Sebastian Bach, Gotha Für gewerkschaftliche Solidarität mit aktiven Antifaschistinnen und Antifaschisten! Für die Unterstützung des Gewerkschaftssekretärs Angelo Lucifero Antrags-Nr. A 121 Der Bundeskongress beschließt ver.di zeigt sich solidarisch mit aktiven Antifaschistinnen und Antifaschisten. Unsere Solidarität gilt allgemein und besonders in solchen Situationen, in denen Antifaschistinnen und Antifaschisten von militanten Nazis angegriffen werden. Vor diesem Hintergrund erklärt sich ver.di solidarisch mit dem von Nazis angegriffenen Kollegen Angelo Lucifero und lässt ihm jede mögliche Unterstützung, auch juristischer Art, zukommen. Begründung Aus der Geschichte haben wir gelernt, dass gewerkschaftliche Solidarität mit aktiven Antifaschistinnen und Antifaschisten für uns als ver.di ein unumstößlicher Grundsatz sein muss. Nur wenn wir uns gemeinsam gegen Ideologien der Ungleichheit und Angriffe der Nazis wehren, haben wir gegen diese menschenverachtenden Ideen und Praxen eine Chance! Was ist passiert? Am 15. März 2007 kam es zum wiederholten Male zu Angriffen von Neonazis auf den Kollegen Angelo Lucifero, Gewerkschaftssekretär in Thüringen. Auf der Kundgebung "Für ein Erfurter Bündnis gegen Rechts!" des Sozialbündnisses wurde Angelo plötzlich von drei Jugendlichen auf den Rücken geschlagen, die wegrannten, als er sich zu ihnen umdrehte. Leider blieben die drei betreffenden Personen unerkannt. Angelo sah kurz darauf, dass die NPD mit zirka 40 Personen versuchte, sich in die Kundgebung reinzudrängeln, welche sich an diesem Donnerstag aber explizit gegen Rechtsextremismus richtete. Angelo rechnete in diesem Moment damit, dass sich der Übergriff wiederholen könnte und holte eine kürzlich zur Selbstverteidigung angeschaffte Schreckschusspistole aus seinem Auto. Er verteilte zu dieser Zeit Flugblätter, die unter anderem dazu aufriefen, am 1. Mai in Erfurt aktiv gegen Nazis, Rassismus und Antisemitismus zu werden. Als die Neonazis mit ihren Fahnen versuchten, ein Transparent des Sozialbündnisses zu verdecken, warf Angelo ihnen symbolisch die Flugblätter vor die Füße und versuchte, die Nazis vom Transparent abzudrängen. Diese schlugen Angelo daraufhin auf die Brust, den Bauch und mit einer Kamera ins Gesicht. In dieser Situation sah sich Angelo genötigt, die Schreckschusspistole zu ziehen. Angelo schoss dreimal in Richtung der Nazis, weil er befürchtete, erneut körperlich angegriffen zu werden. Wenige Zeit später wurde Angelo von der Polizei in Gewahrsam genommen und anschließend auf der Polizeiinspektion verhört. Der Hintergrund/Chronologie der Ereignisse Angelo gehört zu den bekanntesten Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern in Thüringen. Seit er im Jahr 1991 nach Thüringen kam, um dort die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen mit aufzubauen, ist er der Thüringer Öffentlichkeit als konsequenter Antifaschist bekannt. Angelo ist zudem in herausgehobener Funktion im Fachbereich 12 tätig (erst war er stellvertretender Landesbezirksleiter, dann "nur" noch Fachbereich 12 Leiter in Thüringen, jetzt, nach der Fusion, ist Angelo Verhandlungsführer im Einzelhandel in den Tarifauseinandersetzungen). Als engagierter Antifaschist wurde Angelo vielfach Opfer von Angriffen von Faschisten:
Neben dieser "kleinen" Auswahl an Übergriffen hat Angelo in den letzten Jahren auch mehrfach die Erfahrung machen dürfen, dass man sich nicht in jeder Situation auf die Polizei verlassen kann (vergleiche dazu die angeführten Beispiele 1997 in Saalfeld bzw. 2007 in Erfurt)! Auf dem im Jahr 2006 in Pößneck stattfindende Ratschlag gegen Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus wurden erstmals Bodyguards eingesetzt, da es zuvor wiederholt Drohanrufe bei Angelo gegeben hat. Hier außerdem noch ein paar Zahlen aus aktuellen Studien, welche die gesellschaftlichen Verhältnisse in Thüringen kurz charakterisieren: Laut einer 2006 von der Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlichten Studie zu "Rechtsextreme[n] Einstellungen und ihre[n] Einflussfaktoren in Deutschland" sind 21,8 Prozent der Thüringer ausländerfeindlich und 10,9 Prozent antisemitisch eingestellt. Im ebenfalls 2006 erschienenen "Thüringen Monitor" der Landesregierung stimmten der Aussage, dass die Bundesrepublik durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet sei, 53 Prozent der Befragten zu. Fazit Innerhalb der ver.di gibt es eine Vielzahl von Anträgen, die Antirassismus als Aufgabe der Organisation beschlossen haben. Schließlich ist klar, dass ver.di ihre Arbeit als Interessenvertretung der abhängig Beschäftigten, welche versucht, die zwischen ArbeitnehmerInnen existierende Konkurrenz durch Mindeststandards abzustellen, nur effektiv durch Solidarität und nicht durch Ausgrenzung durchsetzen kann.
Mit antifaschistischem Gruss, Mag LabourNet Germany: http://www.labournet.de/ |