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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Verse um Gott, Struck und Krieg, Scharping, Tod und Teufel Von Archibald Kuhnke, Düsseldorf Vor einigen Jahren erschien im Fouqué-Literaturverlag (Egelsbach und auch New York) in der Edition Trianon ein fünfzigseitiges handliches Heftchen der Autorin Heidrun Gemähling mit dem von humanitäre Katastrophen umwölkten Titel „Die Leiden Unschuldiger im Kosovokrieg und anderswo“. In den lletzten Wochen, drei Jahre später, sandte die Autorin dies Lyrikbändchen an LabourNet Germany mit der Bitte um Besprechung. Dem kommen wir zu gerne nach. Das Lesen der meist nur wenige Strophen langen 35 Einzelgedichte braucht nicht viel unserer wertvollen Zeit; sie eignen sich damit vorzüglich zur Lektüre für Menschen, die in der alltäglichen Hektik für Sekunden, wenn schon auch nicht eine heile Welt, so doch wenigstens gegen wohlausgesuchte Teile deren Unheil Klage sich zu Gemüthe zu führen gewillt sind. Die Autorin spielt mit einer beim flüchtigen lesen nur zu leicht als pazifistisch mißzuverstehenden Position gegen Despoten, Führungsleute, Herrscher, Teufelsmassen, Horden, den „Mann“ im Balkan, Teufel, hohe Herren, Böse, Machtarme, Machtstiefel. Das geht uns runter wie alle Lieder aus der Gefühlswelt des Festes der Liebe. Die Reime deuten auf ein relativ treffsicheres Beherrschen
des Erkennens von beinahe identischen Endlautungen hin: „egal ...
Fall“, „naß ... Freudenspaß“, “mehr
... mehr“, „zurück ... Abschiedsblick“, „Pardon
... Befehlerton“, „Haß ... Spaß“, „Reden
... leben“, Front ... belohnt“, „mehr ... Kriegermeer“,
„öd‘ ...tot“, „Orten ... Worte“, „Welt
... gewählt“, “Menschen ... Fremden“, „will
... Stil“, “Einheit ...Freiheit“, „warfen .. trafen“,
“grausam ... gemeinsam“, „populär ... Herrscherpläsier“,
„tobt ... droht“, „gebrauchen ... laufen“. Solche
originellen Mutwilligkeiten können als die Stärke der Arbeiten
gelten. Das Versmaß stellt unerwartet immer wieder einen Triumpf der menschlichen Fähigkeit dar, Nichtpassendes durch gewaltsame Apostrophiererei doch noch halbwegs zurechtoperiert zu bekommen – Sprachbeherrrschung nach Gutsfrauenart: „Leid‘s“, „Krankenstation’n“, „sich `ne Lösung find’t“, „Grenz‘ “, „begraben in Mass‘ “, „blutig‘ Hand“, „wahnsinnig‘ Horden“, „teuflisch‘ Mächte“. Die - nennen wir sie - lyrische Sprache ist insgesamt freilich -brav-konserviert- an weiten Teilen des neunzehnten und voll am zwanzigsten Jahrhundert vorbeigerettet worden. Eine meisterhaft praebaudelaire sprachhistorische Rekonstruktion. Die politischen Aussagen sind bis auf manche rein grammatikalischen Unklarheiten leicht verständlich und schweifen nicht aufdringlich, gar kritisch, aus, hin zu Hintergründen, Ursachen oder komplexen psycho-soziologischen oder politisch-historischen Aspekten des Massenmordens auf dem jugoslavischen Balkan. Die Tragik, in die Determinanten autoritär-hierarchischer Systeme wie sie Stalinismus und Kapitalismus zu ihrer Existenz brauchen, mitsamt dort nahezu tribalistischen Tendenzen hineingeboren zu sein und offensichtlich massenhaft unlösbar verwickelt zu bleiben – das läßt Heidun Gemähling nicht auch nur mit einem i-Punkt anklingen. Durch solches Abstrahieren bleibt dem deutschen Leser auch zudem erspart deutsche Mitverursachung, deutsches jahrhundertelanges Mitmischen an der fatalen Situation -bis auf den heutigen Donnerstag- zur Kenntnis nehmen zu müssen. Vielmehr kann sich der Leser mit chauvinistischer Selbstgerechtigkeit endlich als Mit-peace-maker in der Form der NATO-Aggression und deren Unterwerfung des Balkans nach vielfachen zuvor in der Geschichte fehlgeschlagenen Versuchen fühlen. Sogar der vom Volk freundlich begrüßte Panzersoldat aus den total deutschen Romanen von 1942, den wir fast schon vergessen hatten, er ersteht hier wieder fröhlich, wenn auch zunächst schüchtern, auf: „... In Panzern und in Spähern Erreichen ein Kosovostädtchen, Der Soldat im Panzer ...“ Bleibt dumm! Und wem das NATO-peace-making doch zu kollateralfolgenhaft ist, bekommt schon im Vorwort von Frau Gemähling auf Seite 7 die letzte Tröstung: „Aber unser himmlischer Vater wird eines Tages zu seiner festgelegten Zeit dafür sorgen, daß Kriege aufhören, und unschuldige Menschen nicht mehr leiden müssen.“ So sind wir hier also doch noch und schon wieder letztendlich nur in Gottes zielstrebiger Hand gelandet. Und mit solcher Aussage drängt sich dann allerdings auch die Frage auf, ob die Bestialitäten des jugoslavischen Bürgerkrieges nicht sehr wohl Gottes unverrückbarer Wille gewesen waren, nein, sogar die weitergehende Frage, ob der chauvinistische Hetzer Miloschewitsch nicht selbstverständlich nur der gebenedeite Vollstrecker des - immerhin- All-mächtigen gewesen sein kann. Das liegt um so näher, als es ja schon vergleichbare Erfahrungen mit diesem HErrn gibt, wie heilige Schriften eindeutig belegen: spaßeshalber die Schlachtung des eigenen Sohnes von mindestens einem Vater verlangt, allerdings dann seinerzeit doch noch mit einem 1.-April-happy-end für gut Wetter gesorgt zu haben. Solchermaßen über die Heilsbringer NAto und GOtt
aufgeklärt, schauen wir, die Heidrun-Gemähling-fan-Gemeinde,
mit großem Interesse dem Anschluss-Gedichtband über die Tätigkeiten
Heidrun Gemähling: „Die Leiden
Unschuldiger im Kosovokrieg und anderswo“ |