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Updated: 18.12.2012 15:51
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Weder einen Cent noch eine Sekunde

Über vieles wurde beim sogenannten "Nationalen Integrationsgipfel" gesprochen [siehe dazu auch meinen Beitrag: "Das neue Zuwanderungsgesetz und die Gipfel-Show am 12. 07. 07 in Berlin"] . Über eines bestimmt nicht: Die "Ersatzleistung für Wehrpflicht in der Türkei " - im Folgenden kurz "Kopfgelderpressung" genannt - und vor allem die Folgen für den Einzelnen, wenn er sich weigert, genau dieser Erpressung nachzukommen. Und zwar "interessanterweise" nicht nur die Folgen in der Türkei selbst, sondern - sozusagen als kostenlose Zugabe - auch noch in Deutschland...

Türkisch für Anfänger

In der Türkei herrscht 15-monatige Wehrpflicht. Zivildienst gibt es nicht. Lebt ein türkischer Staatsangehöriger im Ausland, hat er bis zu seinem 38. Geburtstag die Wehrpflicht abzuleisten oder die Summe von 5100 € zu zahlen und 21 Tage in der Türkei unter militärischer Aufsicht abzusitzen. Überschreitet er die Altersgrenze von 38 Jahren, erhöht sich die Summe fürs Freikaufen auf 7.668 €. Nach dem Motto „je älter desto besser“ ist er mit über 40 Jahren dann 10.000 € wert. Jedenfalls muss er sich bis zu seinem 38. Geburtstag entscheiden, ob er sich dem Druck der „Republik Türkei“ beugt. Oder der „Auslandtürke“ lässt sich eben nicht freikaufen und stellt sich quer. Offiziell nennt man diese Problematik „Bedelli Askerlik“, Ersatzleistung für Wehrpflicht. Für die Mehrheit der militarisierten Gesellschaft der Türkei ist die ganze Angelegenheit eine Pflichterfüllung im Dienst des „Mutterlandes“. Man könnte denken, wo, bitte schön, ist das Problem, es geht hier doch um etwas Gutes, nicht um etwas Patriachialisches, sondern um etwas Matriarchalisches. [1]

Ist man nicht den nationalistischen Wahnvorstellungen verfallen, ist es nicht schwer zu erkennen, dass das Wesen dieser Regelungen ein gewaltiger Erpressungsversuch ist. Es geht um die Militärlogik und die Regelungen der „Republik Türkei“, auch wenn es dabei ums „Mutterland“ „(Anavatan“) geht. Es geht hier schlicht ums Kopfgeld der „Auslandstürken“.

Kriminalisierung oder türkisch-deutsche Praxis

Ist der „Auslandstürke“ nicht bereit, diese Kopfgelderpressung hinzunehmen, gilt es, den Antrag auf Einbürgerung möglichst rechtzeitig zu stellen. Dies muss im Idealfall geschehen, bevor er die magische Altersgrenze von 38 überschritten hat. Konnte er sich nicht rechtzeitig „befreien“ lassen, gehört er nach türkischer Gesetzgebung zur Kategorie der „Auslandstürken“, die als fahnenflüchtig gesucht werden. Die damit zusammenhängenden gesetzlichen und bürokratischen Hindernisse der Behörden stellen weitere Erschwernisse dar. Der Ausbürgerungsantrag beim Türkischen Konsulat Hamburg, der im Endeffekt mit einer Entlassungsurkunde des türkischen Innenministeriums aus der türkischen Staatsbürgerschaft endet, ist für die „Auslandstürken“ der letzte Schritt zum Erhalt eines deutschen Passes.

Diesen Antrag auf „Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit“ kann er erst dann stellen, wenn er davor die „Einbürgerungszusicherung“ [2] der Einbürgerungsbehörde hat. Er muss beim Ausbürgerungsantrag dem „Generalkonsul“ die „Einbürgerungszusicherung“ vorlegen. Danach hat das Türkische Konsulat den „Kopfball“ der „Auslandstürken“ in der Hand. So beginnt für die betroffenen die Konfrontation mit der „Republik Türkei“ frontal.

Der „Generalkonsul“ teilt das Ergebnis seiner Entscheidung dann persönlich mit. Statt einer schriftlichen Antwort auf seinen Antrag bestellt er den „Auslandstürken“ per Brief in das Konsulat, um ihm eine schriftliche Erklärung zu verlesen. So erfährt der „Auslandstürke“ über das Konsulatspersonal, was die Türkei entschieden hat, ob er aus der Staatsbürgerschaft entlassen wird oder eben nicht. In letzterem Fall wird er mit einem Dokument vom „Innenministerium der Türkischen Republik“ konfrontiert. Einen Blick darauf zu werfen ist erlaubt. In diesem „bildirim“ steht: „(Da) Herr X gemäß § 20 des Staatsangehörigkeitsrechts als fahnenflüchtig („Yoklama Kacagi“) gesucht wird, kann die Forderung (Ausbürgerung aus der türkischen Staatsangehörigkeit) nicht erfüllt werden. Liegt unserem Ministerium ein entsprechendes Dokument vor, das den Grund der Ablehnung aus der Welt schafft, steht der Erfüllung der Forderung nichts im Wege.“ Da es nicht erlaubt ist, dieses Dokument zu kopieren, bekommt man ein Ersatz-Dokument, das die Gründe der Ablehnung dokumentiert.

In dieser „Bescheinigung zur Vorlage bei der zuständigen Behörde“ liegt das „Schicksal“ des „türkischen Mannes“ aus der Perspektive Türkischen Republik: „Hiermit bescheinigen wir, dass Herr X … gemäß Beschluss des türkischen Innenministeriums nicht aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen werden kann, da er wegen nicht geleistetem Militärdienst gesucht wird.“ Der Vize-Konsul signiert diese Bescheinigung und informiert damit den „Auslandstürken“ offiziell, dass er in der Türkei als fahnenflüchtig gesucht wird.

In meinem Fall stellte ich dem Vize-Konsul die Frage: „Beyefendi,wie soll ich dieses Papier verstehen, bin ich nun für die Türkei kriminell?“ Beyefendi reagierte prompt: „Natürlich bist du kriminell. “ Ich reagierte meinerseits wütend, was ihm höchst respektlos erschien.

So ergab sich in Anwesenheit anderer „Auslandstürken“ im Raum ein hitziger Wortwechsel zwischen dem verehrten Herrn Vize-Konsul und mir. In derart klaren Machtverhältnissen hat selbstverständlich der Gastgeber das letzte Wort: „Defol git burdan!“- „Hau ab hier!“

So gilt man nun de facto laut § 20 des Staatsangehörigkeitsrechts der Türkei als kriminell. Der Grund der Ablehnung der Ausbürgerungsforderung durch das Innenministerium der Türkei bedeutet im Klartext: „Als ein türkischer Mann bist du verpflichtet, dem ‚Mutterland` zu dienen. Du wirst solange nicht aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen, bis du das Kopfgeld bezahlt und 21 Tage unter der Militärherrschaft der Türkei verbracht hast.“ Dennoch scheint die Prozedur des Generalkonsulats der Türkei in Fragen der „Bedelli Askerlik“ und Ausbürgerungsanträge paradox: Wie kann ein „gesuchter Krimineller“ von seinem Ermittler persönlich ein Papier erhalten, in dem steht, dass er als „fahnenflüchtig“ gesucht wird? Das Konsulat signiert ein Dokument -„Bescheinigung zur Vorlage bei der zuständigen Behörde“- und dokumentiert damit: Ein „fahneflüchtiger“ Mann wird vom Generalkonsulat der Türkei als „Krimineller“ betrachtet, weil er sich weigert, Militärdienst zu leisten. Andererseits bekommt er ein Papier, das vom Herrn Vize-Konsul ausgestellt ist - ein „Krimineller“ erhält so eine Urkunde persönlich von seinem Peiniger.

Und so kann ein „türkischer Mann“ jenseits der klischeehaften Projektionen der Öffentlichkeit, die ihm männliche Ehrenkodexe, Ruhm und Ehre für das „Mutterland“ und anderes, bescheren, halt auch nach 25 Jahre Aufenthalt in Deutschland „persönliche Probleme“ haben.

Diese „persönlichen Probleme“ bringen zusätzliche Erschwernisse mit sich. In der deutschen Gesetzgebung gibt es Blockaden, die den Migranten das Leben erschweren. Dazu gehört der Verlust des türkischen Passes als Voraussetzung für den Erhalt des deutschen Passes.

Die Regelungen, die die Einbürgerungsprozedur der potenziellen „Neu-Deutschen“ nicht nur verzögern, sondern vielmehr torpedieren, gehören dazu. So kann ein „Auslandstürke“ keinen Antrag auf Einbürgerung stellen, wenn er Hartz-IV-Empfänger ist oder als hier Geborener wegen seiner „Jugendsünden“ polizeilich registriert ist. Hierzu schweigen sowohl die Multi-Kulti-Freunde und -Freundinnen als auch die Organisationen der türkischen Communities.

Da es keine doppelte Staatsbürgerschaft geben darf, gibt es zwar einige Ausnahmeregelungen in Hinblickt auf die Einbürgerungsprozedur der zukünftigen „Neu-Deutschen“, jedoch nehmen die bürokratischen Maßnahmen der Behörde kaum Rücksicht auf die betroffenen Subjekte, die sich weigern, der Pflicht gegenüber ihrem „Mutterland“ nachzukommen. Da die Türkei den fahnenflüchtigen „Auslandstürken“ ab der Altersgrenze von 38 Jahren weder aus der türkischen Staatsbürgerschaft entlässt noch den türkischen Pass konsularisch verlängert, kann er plötzlich einen ungültigen türkischen Pass mit deutsche Aufenthaltsberechtigung. Falls die Einbürgerungsbehörde nicht rechtzeitig einen deutschen Pass aushändigt, fehlt ihm, wie B. Brecht es einst formulierte: „Der edelste Teil eines Menschen". Ein ungültiger türkischer Pass hat auch mit deutscher Aufenthaltsberechtigung keine Bedeutung für die hiesige Bürokratie.

Militarismus: Türkei – historisch und aktuell

Der Wehrdienst wird allgemein in der türkischen Gesellschaft sehr hochgehalten. Bereits in der Grundschule wird den Kindern beigebracht, dass jeder Türke als Soldat zur Welt kommt! Auf Kommando strammstehen und marschieren gehört auch heute noch zum wichtigen Bestandteil des Sportunterrichts. Für den Prozess der Sozialisation der Jungen wird der Wehrdienst als die wichtigste Stufe zum richtigen „Mannsein“ erachtet. So hat der Spruch „Wer seinen Wehrdienst nicht hinter sich hat, ist kein richtige Mann!“ in der türkischen Gesellschaft seinen festen Platz. Seit der Gründung der Republik Türkei ist das Militär damit beschäftigt, die Opposition im eigenen Land in Schach zu halten und im Notfall zu zerschlagen. Seitdem hat es mehrere Aufstände der Kurden für Demokratie blutig niedergeschlagen. Das türkische Militär gilt seit 1975 als Besatzungsmacht auf Zypern. Es verhindert jegliche Annährung der „Türken“ mit den „Griechen“ auf der Insel. Darüber hinaus versteht es sich als „Garant der Republik“ bzw. des Schein-Laizismus. Es steht auch über dem Parlament und hat 1960, 1972, 1980 geputscht, wonach jegliche demokratische Entwicklung des Landes zunichte gemacht wurde.

Laufen die gesellschaftlichen Prozesse nicht nach der Laune des Militärs, kommt ein Putsch jederzeit infrage. So haben die Militärs am 27. 04. 07 per E-Mail „geputscht“ und machten erneut unmissverständlich klar, wer der Boss ist: „Wer sichgegen das Verständnis des unantastbaren Führers Atatürk stellt, ist Feind der Republik Türkei, und so wird es auch bleiben.“ Der Generalstab meinte damit einen in der Türkei gebetsmühlenartig ritualisierten Spruch von „Atatürk“ („Vater der Türken“); „Wie erhaben ist es zu sagen: Ich bin ein Türke.“ Als Vorwand für diese E-Mail-Intervention galt die Trotz-Haltung der regierenden Partei AKP, die im Parlament die absolute Mehrheit besitzt. Die AKP handelte nicht den Erwartungen des Militärs entsprechend und nominierte den heutigen Außenminister zum Bundespräsidenten. Ermutigt [3] u. a. dadurch, folgte die Fortsetzung am 08. Juni 2007. Erneut meldete sich der Generalstab der Türkei per E-Mail und rief die türkische Nation auf, „massenhaft Reflexe“ zu zeigen. „Die Erwartung (der Armee) ist, massenhaft Reflexe der türkischen Nation gegen die terroristischen Ereignisse zu zeigen.“ In der Türkei läuft so was fast ohne Kritik ab.

Diese Methode kennen wir von faschistischen Parteien. Die gibt es zwar auch in der Türkei, aber nicht nur sie standen hinter den Militärs. Der jüngste Aufruf des Generalstabs, die „hohe türkische Nation“ solle „massenhaft gegen den PKK-Terror“ vorgehen, ist insofern von neuer Qualität, als die Bevölkerung selber angerufen ist, aktiv gegen die von den Militärs als nicht türkisch definierten Teile der Bevölkerung vorzugehen. Schon heute ist ein Anstieg der offenen rassistischen Aggressionen des aufgehetzten Mobs gegen die Opposition, besonders in den Provinzstädten der Türkei, in denen kurdische Bürger leben, zu verzeichnen. Und Lynchjustiz und Massaker aufgehetzter Massen sind per E-Mail der Paschas gedeckt. Offensichtlich wollen die Militärs bewusst die Lage zuspitzen. Insbesondere geht es dabei um den Plan, die Kreise um die „Rote-Apfel-Fraktion“ [4] (MHP, CHP und die militärnahe mächtige Bürokratie) an die Macht zu bringen. Der Ausnahmezustand in den drei kurdischen Provinzen Sirnak, Hakkari und Siirt, der Aufruf zu antikurdischen Demonstrationen sowie Mobilmachungsprotokolle rufen Assoziationen zum Bürgerkrieg wach. Die Gesellschaft zerfällt Schritt für Schritt in zwei Lager. Darüber hinaus sind geheimdienstliche Aktionen bis zum Mord an der Tagesordnung.

Es bedarf also keiner weiteren Erklärung, wofür der türkische Staat bzw. das Militär das Kopfgeld als „Ersatzleistung“ benötigt: Die Türkei will den „türkischen Mann“ (ab 38 Jahren) nicht entlassen, weil sie auf das „Kopfgeld“ u. a. für die Kriegsführung nicht verzichten will.

Das Serviceangebot für „Auslandstürken“ ...

In den Schriften des Militärs oder des Innenministeriums ist immer die Rede von „Service“. Für die herrschende Politik der Türkei gilt diese Prozedur also tatsächlich als „Serviceangebot“ für ihre „Auslandstürken“. „Fahnenflüchtige Auslandstürken“ gehören ebenso zu den Kunden des türkischen Militärs wie die willigen. Je älter der Kunde, desto teurer ist der Service. In dem Gebrülle in den Kasernen - wie etwa der paranoide Spruch am Anfang des Nationalhymne „Korkma Sönmez… “ („Hab keine Angst vor dem Erlöschen (der Nation)“) bzw. „Türküm, Dogruyum“ („Ich bin aufrechter Türke“) oder „Her sey Vatan icin.“ („Alles für die Heimat“) - können sich heimattreue „Auslandstürken“ bestens wiederfinden. Der Mörder von Hrant Dink oder die Killer von Malatya sind eben nicht nur mit dem „Tal der Wölfe“ im türkischen Fernsehen aufgewachsen, sondern u. a. mit solchem Lehrstoff vergiftet. Insofern ist es für die antimilitaristischen „Auslandstürken“ eine psychologische Belastung, es mit solchen Rassisten und Ultra-Nationalisten auszuhalten. Nicht wenige „Auslandstürken“ der sogenannten „zweiten Generation“, die nach dem Militärputsch vom 12. 09. 1981 nach Deutschland kamen, erfuhren während der Militärherrschaft in den 80ern als Jugendliche Gewalt durch die Soldaten.

Der Aufenthalt in einer türkischen Kaserne ist deshalb für diese antimilitaristischen „Auslandtürken“ eine Situation, die als Folter zu bezeichnen kaum übertrieben wäre.

Laut „DiePresse.com“ dürfen „Auslandstürken ihren verkürzten Militärdienst in Antalya ableisten.“ Nun müssen sich die heimattreuen „Auslandskunden“ nicht mehr nur darauf beschränken, die Heldengeschichten der Generäle über ihren Kampf gegen die „Terroristen“ in der Militärkaserne der Provinzstadt Burdur ohne Meeresblick anzuhören oder sich mit Bauchtanzangeboten zu langweilen. Mag sein, dass dieses attraktive Neu-Angebot „toll“ ist, jedenfalls ändern sich dadurch die Tatsachen nicht: „Bedelli Askerlik“ bleibt ein gewaltiger Erpressungsversuch und eine Zwangsmaßnahme des türkischen Staates und seines Militärs. Erpresst werden nicht nur jene „Auslandstürken“, die sich als stolze Türken begreifen, sondern auch die Kurden, Armenier, Süryanis, Ezidis... Sie werden auch als wehrpflichtige „Auslandstürken“ dazu gezwungen, finanzielle Mittel und Zeit für ihre Peiniger zur Verfügung zu stellen. Für „sogenannte Bürger“ („sözde Vatandaslar“- Begriff des Generalstabs für Kurden) stellt dieser „hizmet“ einen besonderen Zynismus und eine schmerzvolle Realität dar. Nicht wenige dieser Männer werden in die Knie gezwungen, da sie keinen anderen Ausweg sehen, als dieses Kopfgeld als Preis ihrer Sehnsucht zu zahlen, ihrer Sehnsucht nach ihren Familienangehörigen, die in Kurdistan oder den Metropolen der Westtürkei leben.

Ausblick oder Sackgasse

Die Kopfgeldpflicht endet jedoch nicht mit dem Erhalt des deutschen Passes. Die Türkei gewährt auch trotz deutschen Passes nicht die Grenzpassage. Solange man nicht ausgebürgert ist, gilt die „Militärpflicht“, und damit bleiben die Erpressungsversuche der Türkei bestehen. Beabsichtigt der „Auslandstürke“, die Türkei zu besuchen, kann er vom Flughafen aus in die Kaserne eingezogen werden, „Fahnenflüchtige“ sollten eine Reise in die Türkei vermeiden.

Solange du das Kopfgeld nicht zahlst, quälen wir dich“, das ist die Position der Türkei.

Es ist für mich eine Horrorvorstellung, diese ganze Prozedur über mich ergehen zu lassen. Politische, prinzipielle und menschliche Gründe sprechen dagegen. Der Kopfgeldpflicht nachzugeben, dazu unter Militär-Herrschaft zu dienen, um sich zu „befreien“, bedeutet, diesen Staat bzw. sein Militär aktiv zu unterstützen. Weder einen Cent noch eine Sekunde für diesen Staat und sein Militär, das ist meine Haltung. Mit den Konsequenzen werde ich leben müssen.

Unabhängig von der Entscheidung der Einbürgerungsbehörde Hamburg gehört diese Kopfgeld-Problematik an die Öffentlichkeit und ist keine private Angelegenheit. Es fehlt an Mitstreitern!

„Türkische Männer“ als Don Quichottes sind gesucht!!

Gürsel Yildirim, 11. 07. 07, Hamburg

Email: guersel2@gmx.de

Anhang 1:

Seitdem ich die Voraussetzungen für die deutsche Staatsangehörigkeit erfüllt habe, bemühte ich mich um Einbürgerung. Den Antrag konnte ich jedoch aus verschiedenen Gründen nicht rechtzeitig stellen, u. a. deshalb, weil ich im März 1992 bei einem Gerichtsprozess im Zusammenhang mit einer Demonstration gegen die „Nationale Liste“ (damals eine legale Nazipartei) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt wurde, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Laut dieses Urteils galt ich zehn Jahre lang als „vorbestraft“. So hatte ich keine rechtliche Grundlage für den Antrag bei der Einbürgerungsbehörde, weil mir das notwendige saubere polizeiliche Führungszeugnis fehlte. Nach dem Abschluss des Soziologie-Studiums in Hamburg im Jahre 2001 war ich ein Jahr lang beschäftigt und wurde dann „arbeitslos. In der Zeit konnte ich keinen Antrag stellen, da ich noch als „vorbestraft“ galt. Ab September 2003 bis Ende März 2004 war ich wochentags außerhalb Hamburgs beschäftigt. In der Zeit hätte ich den Antrag auf Einbürgerung in Hamburg stellen müssen, was mir nicht möglich war, da mir nach sieben Monaten Beschäftigung gekündigt wurde.

Ab Januar 2005 hatte ich erneut Lohnarbeit in Hamburg. Erst nach sechs Monaten Beschäftigung hatte ich die Voraussetzungen für die Einbürgerung erfüllt, am 20. Juni 2005 stellte ich dann den Antrag. Den Zuständigen bei der Behörde hatte ich mein Anliegen offen dargestellt und sie darum gebeten, die auf mich zukommende Altersgrenze von 38 Jahren zu berücksichtigen. Die Behörde konnte die Prozedur aus „personellen Gründen“ nicht rechtzeitig erledigen. „Andere Anträge warten auch noch auf uns“, lautete lapidar die Begründung.

So musste ich mehr als ein Jahr auf die „Einbürgerungszusicherung“ warten und überschritt so die Altersgrenze.

Hätte die Einbürgerungsbehörde Hamburg auf meine Situation in Bezug auf die Kopfgelderpressung der Türkei damals mit Sorge reagiert, hätte ich die Probleme mit der „Republik Türkei“ heute nicht. Seitdem ich die Altersgrenze von 38 Jahren überschritten habe, kann ich nicht mehr in die Türkei.

Anhang 2:

Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Parlamentswahlen am 22. Juli überbieten sich zurzeit die Parteien in der Hetze gegen die kurdische Bevölkerung. Es gibt kaum noch Unterschiede zwischen den Äußerungen des Führers der als sozialdemokratisch geltende Partei CHP und dem MHP-Führer Bahceli, der die als „graue Wölfe“ bekannte Partei führt.

So fordert die „Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) auf Wahlversammlungen Öcalans Hinrichtung, den Verzicht auf die Gewährung von Rechten für die kurdische Bevölkerung sowie eine Abkehr von den Kopenhagener Kriterien als Voraussetzung für einen Beitritt der Türkei zur EU. Die MHP kann sich mit derartigen Forderungen der Unterstützung der militärischen Elite des Landes sicher sein. Generalstabschef Yasar Büyükanit, MHP-Führer und CHP-Führer haben inzwischen das gleiche Vokabular, wenn es dabei um „Untürkisches“ geht.

Das Militär reagiert auf die berechtigten Forderungen der kurdischen Bevölkerung grundsätzlich mit Gewalt und Blockaden, und seit 1984 hat der sogenannte „Kurden-Konflikt“ Tausende Kurden und Soldaten im Krieg mit der PKK das Leben gekostet. Nun beabsichtigt es, in den Irak einzumarschieren, um die kurdische Autonomie zu zerschlagen, aber die USA erlauben es nicht.


(1) Nicht das Gute, sondern das Schlechte ist der Gegenstand dieses Textes. Sein Element ist die Freiheit.

(2) Seitdem ich die Voraussetzungen für die deutsche Staatsangehörigkeit erfüllt habe, (siehe Anhang)

(3) Laut Milliyet sind 76 % der Bevölkerung nicht der Meinung, dass die Aktion der Militärs der Demokratie schade.

(4) Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Parlamentswahlen am 22. Juli (siehe Anhang 2) .


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