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Updated: 18.12.2012 15:51
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Argumente zum drohenden Krieg gegen den Iran

Die Vorbereitungen für einen Krieg gegen den Iran werden fortgesetzt. Mit der jüngsten Resolution des UN-Sicherheitsrats vom 24. März 2007 (Nr. 1474) gewinnen Argumente für einen „Militärschlag“ an Gewicht. Sie müssen ernst genommen – und beantwortet werden.

Argument 1: Der Iran ist isoliert. Die Regierung Ahmadinedschad steht am Pranger.

Antwort: Der westlichen Diplomatie ist es – im Verbund mit dem plumpen Verbalradikalismus des iranischen Präsidenten – gelungen, diesen Eindruck entstehen zu lassen. Das war auch das Ziel der Regierungen in Washington, Paris, London und Berlin. Wichtig an der neuen UN-Resolution, die „nur“ verschärfte wirtschaftliche Sanktionen gegen den Iran verhängt, ist, dass sie einstimmig verabschiedet wurde, nachdem der Westen in diesem Sinne auf zunächst kritische Mitglieder des Sicherheitsrats massiven Druck ausübte. Am Ende haben auch die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates Russland und China – und selbst Südafrika als rotierendes Mitglied dieser Institution – der Resolution zugestimmt. Unter diesen Bedingungen wird kaum wahrgenommen, dass der UN-Sicherheitsrat auch in der neuen Resolution nicht mit Maßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta – was heißt: mit militärischen Maßnahmen – droht. Das Beispiel des Kriegs gegen Jugoslawien (1999) zeigt allerdings, dass in diesem Sinn eindeutige Resolutionen des Sicherheitsrats nicht erforderlich sind, um einen Angriffskrieg in der Öffentlichkeit als „gerechtfertigt“ zu „verkaufen“.

Argument 2: Das iranische Atomprogramm stellt eine reale Gefährdung des Weltfriedens dar und rechtfertigt ein internationales eingreifen.

Energiepolitisch und wirtschaftspolitisch ist das iranische Atomprogramm unsinnig; aus politischer Sicht ist es vor allem gegenüber der eigenen Bevölkerung verantwortungslos. Die Beteuerungen der Regierung in Teheran, die Entwicklung und der Besitz atomarer Waffen würden nicht angestrebt, können zutreffen. Sie können sich aber auch als falsch erweisen. Doch das ist nicht die entscheidende Fragestellung.

Atomwaffen besitzt der Iran bisher nicht, wohl aber ist das US-Militär atomar hochgerüstet. Und es rüstet – zusammen mit den Atommächten Frankreich und Großbritannien – ständig weiter atomar auf – bei klarer Verletzung des Atomwaffensperrvertrags, der atomare Abrüstung verlangt. Die US-Regierung hat innerhalb von 16 Jahren mit drei Kriegen (1991 im Irak, 2001 in Afghanistan und 2003 erneut im Irak) verdeutlicht, dass sie mit ihrem militärischen Potential einzelne Länder in den energiereichen Regionen bedroht. Die westlichen Regierungen haben zugelassen, dass Israel, das in der gesamten Region die modernsten konventionellen Waffen besitzt, sich ein umfassendes atomares Potential zulegte. Die Regierung in Tel Aviv hat mehrfach auf kaum verhüllte Art und Weise deutlich gemacht, dass sie gegen den Iran gegebenenfalls atomare Waffen in einem Erstschlag einsetzen wird. Der Westen hat auch zugelassen, dass sich Pakistan und Indien Atomwaffen zulegten. 2006 hat der US-Präsident Bush in Indien erklärt, dass die USA zukünftig Indien bei der Weiterentwicklung des („zivilen“) Atomprogramms unterstützen. Damit wird verdeutlicht: Der Westen legt in den Fällen Iran einerseits und Israel/Indien/Pakistan andererseits zweierlei Maßstab an.

Die iranische Regierung hat mehrfach ihr berechtigtes Interesse an einem internationalen Schutzabkommen – etwa vor einem atomaren Angriff aus Israel – erklärt. Die Regierungen in Washington, London, Paris und Berlin sind darauf nie eingegangen. Am 24. März schlugen die Länder Katar und Indonesien im Sicherheitsrat als dessen als rotierendes Mitglieder vor, in die Resolution den folgenden Passus einzufügen: „Die Einrichtung einer von Massenvernichtungswaffen freien Zone im Nahen Osten würde den Frieden und die internationale Sicherheit stark begünstigen.“ Dies Aufnahme dieser Passage in die Resolution, die eine Anspielung auf Israels Atomwaffen enthält, wurde aufgrund des Vetos der US-Regierung verhindert. Damit ist klar, dass die US-Regierung gegenüber dem Iran eine Politik der atomaren Erpressung betreibt und dass sie sich dabei des Juniorpartners Israel bedient.

Argument 3: Die iranische Regierung bedroht Israel, das aufgrund der Geschichte der jüdischen Bevölkerung eine traumatische Angst vor einem neuen Völkermord hat.

Die Drohungen aus Teheran sind in erster Linie verbaler Art. Dabei handelt es sich um verantwortungslose und kriminelle Drohungen – so im Fall der Leugnung des Holocaust durch den iranischen Präsidenten (siehe auch S. 8 (??)). Doch die Drohungen der israelische Regierung sind praktischer und militärischer Art. Der illegale Krieg gegen den Libanon, den die israelische Regierung im Sommer 2006 führte, war in erster Linie ein Krieg gegen die mit dem Iran verbündete Hisbollah. Dieser Krieg wurde mit erbarmungsloser Härte geführt. Die damals seitens der israelischen Armee eingesetzten Streubomben wirken heute noch als Minen und fordern weitere Opfer. Die These des Politikwissenschaftleer Mohssen Massarrat, wonach die israelische Armee die Hisbollah dazu provozieren wollte, Mittelstreckenraketen auf Tel Aviv zu feuern, um dann den Krieg in Richtung Teheran auszuweiten, ist ernst zu nehmen (vgl ZgK 23, S.12).

Israels Regierung eskaliert seither die Situation weiter. Sie weigert sich, die neue palästinensische Regierung, gebildet aus Hamas und Al Fatah, anzuerkennen, obgleich diese erklärte, alle geschlossenen Verträge einzuhalten, was eine Garantie für das Existenzrecht Israels einschließt. Am 12. September 2006 beschloss die Regierung in Tel Aviv den größten Militäretat seit Gründung des Staates. In den kommenden drei Jahren sollen die israelischen Rüstungsausgaben nochmals massiv erhöht werden. Am 21. März 2007 gab es in Israel die größte Zivilschutzübung in der Geschichte des Landes. Dabei wurde ein syrischer Chemiewaffenangriff auf Tel Aviv simuliert. Die Politik der israelischen Regierung muß im gesamten arabischen Raum als Provokation aufgefasst werden.

Argument 4: Die EU im allgemeinen und die Bundesregierung in Berlin im besonderen setzen weiter auf die diplomatische Lösung.

Die EU-Politik und die Politik der Berliner Regierung unterscheiden sich nur marginal von derjenigen der USA. Im Februar 2007 legte der EU-Chefdiplomat Javier Solana dem EU-Ratssekretariat ein Papier vor, in dem davon ausgegangen wird, dass der Iran in Bälde über Atomwaffen verfügt. Das Papier dient seither den Befürwortern eines Militärschlags als Argument. Der deutsche Außenminister Steinmeier schließt eine militärische Intervention als „letzte Möglichkeit“ nicht mehr aus. Erklärungen, wie es sie im Vorfeld des Irak-Krieges 2002/2003 seitens der Schröder-Regierung, die verbal auf offene Distanz zum US-Kriegskurs ging, immerhin gab, sucht man heute vergebens. Vor allem aber befindet sich die deutsche Marine vor dem Libanon – und damit nur unweit entfernt von der syrischen Küste. Im Fall eines Krieges gegen den Iran würde sie fast automatisch zum Teil der westlichen Kriegsmaschinerie – mit der Aufgabe, Teherans Verbündeten Syrien in Schach zu halten.

Die hierzulande herrschende politische Klasse hat wiederholt deutlich gemacht, dass Deutschland bzw. dass die deutschen Konzerne und Banken bei ihrem dritten Anlauf nach ganz oben nur Erfolg haben werden, wenn sich das Land auch militärisch „engagiert“ – auch in Kriegen. Nach dem Irak-Krieg 2003 wurde im Leitartikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in allgemeiner Form für einen Einsatz deutscher Soldaten in Kriegen – auch im Irak – plädiert. Dort wurde die wahre Funktion solcher Einsätze in Kriegen unverblümt und wie folgt erläutert: „Deutsche Soldaten sind Türöffner für politischen Einfluss und Geschäftsbeziehungen. Solch nüchterne Erwägungen mögen der hiesigen politischen Kultur derzeit noch fremd sein. Der Gang der Weltpolitik, der selten Rücksicht auf moralische Kategorien nimmt, wird sie aber auch von unserem Land immer wieder fordern.“ (FAZ vom 24.10.2003).

Artikel exklusiv aus der Zeitung gegen den Krieg Nr. 25


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