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Updated: 18.12.2012 15:51
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Sicherheitskonferenz Demonstration Polizeieinsatz

Pressemitteilung der Beobachtergruppe zur Sicherheitskonferenz vom 11.2.07

Wie in den Vorjahren beobachtete auch in diesem Jahr eine Gruppe von ÄrztInnen, JuristInnen, JournalistInnen, TheologInnen und Angehörigen von Menschenrechtsgruppen, wie die DemonstrantInnen gegen die "Münchner Sicherheitskonferenz" ihr Grundrecht auf Versammlungsrecht wahrnahmen, und wie die Polizei es garantierte. Unseren ersten Bericht hierzu (er enthält mehrere Augenzeugenberichte gravierender Vorfälle im Wortlaut) können wir Ihnen auf Wunsch gerne zuleiten, gerne auch Fotos oder Videos. In den nächsten Tagen werden wir ihn den Abgeordneten im Innenausschuß des Bayerischen Landtages zusenden.

Unsere Bilanz schlägt zugunsten der DemonstrantInnen aus: der von der Polizei berichtete Wurf einer Glasflasche gegen einen behelmten Polizisten konnte von uns nicht beobachtet werden: es gab nur Plastikflaschen, und die Polizisten trugen ihre Helme am Gürtel. Die Provokationen gingen eindeutig und vielfach dokumentiert von der Polizei aus; daraufhin wurden, in der Tat, von Demonstranten abwehrend Plastikflaschen geworfen, die jedoch (darin stimmen wir mit der Polizei überein) niemanden verletzten.

Der verlorengegangene Helm wurde von einem Ordner der Polizei zurückgegeben; bereits in einem der Vorjahre hatten Polizisten sich geäußert, es sei eigene Schuld des Beamten gewesen, als schon damals einer seinen Helm verlor.

Humorvolle Polizisten gab es auch in diesem Jahr: im letzten Teil der Demonstration liefen etwa zehn Clowninnen mit, die auf drollige Art die Polizei nachahmten: wichtig im Gänsemarsch marschierten, bedeutsam die Hände in die Hüfte stützten und streng guckten. Sie suchten nach Kräften, sich den echten Polizisten anzuschließen und diese in ihre Mitte zu nehmen, um sich die ganz echten Gesten von ihnen abzuschauen - was diePolizistinnen und Polizisten auch mit einem mehr oder weniger gequälten Lächeln zuließen.

Neben zahlreichen, wohl auf Befehl an Autos entlang schrammenden Polizisten gab es auch verständige, die sich nur dort aufhielten, wo auch Platz war. Wenn die Polizei in einer heutigen Pressemitteilung unterstellt, Sachbeschädigungen an Autos seien von Demonstranten verursacht, raten wir in jedem Fall zur genauen Nachprüfung: anhand von Lackspuren o.ä. müßte sich nachweisen lassen, daß es höchstwahrscheinlich die Ausrüstung und das Verhalten der Polizei waren (die sogar direkt über Autos kletterte), die Kratzer und Dellen verursachten; schadenersatzpflichtig wäre also die Bayerische Polizei, bzw. das Innenministerium. Ggf. können wir Fotos zur Verfügung stellen, bzw. bei der Suche nach Augenzeugen behilflich sein. (Es war ein Auto mit Hamburger Kennzeichen, an dem Augenzeugen einen Zettel befestigt hatten: "Polizisten haben dieses Auto beschädigt." Andere Augenzeugen berichten, daß Polizisten diesen Zettel wieder entfernt haben.) Berichtet wird auch, daß PressevertreterInnen ausdrücklich zum Sendlinger Torplatz bestellt wurden, um ihnen dort Bilder von Gewalt (anstatt von den Clowinnnen) bieten zu können. In welcher Weise dabei jemand so zu Schaden kam, daß ein Rettungswagen gerufen werden mußte, ist uns noch nicht bekannt. Erheblich ist unseres Erachtens, daß die Polizei in dieser Situation von ihr bewußt und absichtlich herbeigeführter Enge und Bedrängtheit das Gespräch mit der Versammlungsleiterin verweigerte und also die Versammlungsleiterin in ihrer Funktion völlig mißachtete.

Nach Beendigung der Versammlung wurden vor dem Justizpalast circa zehn völlig harmlose Personen auf sehr rüde Weise festgenommen. Teils wurden sie dabei auch verletzt. Ein Beobachter: "Ein Polizist sagte "Wer jetzt noch rumsteht, den greifen wir uns", und entsprechend ohne irgendwelche von mir zu beobachtenden Anlässe wurden junge Menschen gegriffen." Ein anderer: "Hier machten grüne und schwarze Einsatzkommandos in brutalster Weise Hasenjagd auf Jugendliche, die um ihr Leben rannten, und, wenn sie eingefangen wurden, brutal niedergeworfen und gefesselt wurden." Einige von ihnen (auch ältere Personen, die vermitteln wollten) wurden Rücken an Rücken aneinandergefesselt und sollten so - egal, ob verletzt oder nicht - den Fußweg zum Polizeipräsidium in der Ettstraße antreten. Ein türkischer Journalist fand hier alles übertroffen, was er bislang in Richtung "Polizeistaat" erlebt hatte oder sich vorstellen konnte.

Der österreichische "Standard" hatte sich bereits gestern verwundert gezeigt, daß in Bayern eine Nietenjacke ausreicht, um wegen des "gefährlichen Gegenstandes" bereits während der Anreise zu einer friedlichen Friedensdemonstration aus dem Verkehr gezogen zu werden. Neu war auch für uns BeobachterInnen die sexualisierte Gewalt gegenüber jungen Männern, die bei Kontrollen körperlich auf eine Weise abgetastet wurden, zu der keine Veranlassung bestand. Wir werden also nicht nur den Bayerischen Datenschutzbeauftragten bitten, dem rechtswidrigen flächendeckenden Abfilmen und der beobachteten Speicherung von persönlichen Daten 14- oder 15jähriger Minderjähriger nachzugehen, sondern neu auch die Projektstelle für antischwule Gewalt bitten, sich mit den neuartigen Vorkommnissen zu befassen.

Für unbedingt erforderlich halten wir, daß Polizeibeamte durch ihren Namenszug auf der Uniform oder eine sonstige individuelle Kennzeichnung unterscheidbar werden, so daß eventuelles Fehlverhalten anschließend überprüft werden kann. Daß diese nun Jahrzehnte alte Forderung von Bürgerrechtlern nachhaltig verweigert wird, ist eines Rechtsstaats unwürdig.

Für Rückfragen (gerne per mail), für die Beobachtergruppe: Luise Rauschmayer

LRauschmayer@gmx.de


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