Alle Jahre wieder: Streikbewegung?
Die alljährlichen Streikbewegungen in Vietnam seit 2006 sind Anlaß zum Versuch, diese Entwicklungen einzuordnen in dem Beitrag "Class Struggle in Vietnam: From the Colonial Yoke to Wage Slavery for Global Capital" von HS bei insurgent notes am 03. Juni 2012 - wo dies aus anarchistischer sicht geschieht.
Siehe dazu auch:"Socialist Party of Malaysia: Vietnam's dilemma" von S. Arutchelvan am 12. Mai 2012 bei Links, worin der Vorsitzende der SPM eine Einordnung der Entwicklung Vietnams aus der sicht einer befreundeten Partei unternimmt.
Reagiert Adidas?
Der Streik von rund 90.000 ArbeiterInnen bei Pou Yuen in der letzten Juniwoche hat Folgerungen: Jetzt hat als erster der Großkunden Adidas ein Versprechen abgegeben - dass man die Verhältnisse untersuchen lassen wolle...siehe dazu die Meldung "Pou Yuen June 2011 strike: Adidas, New Balance, Nike, Puma asked to investigate" vom 28. Juli 2011 beim Committe to protect Vietnamese Workers.
Vietnamesen üben den Arbeitskampf
"Rasende Inflation und steigende Lebensmittelpreise zwingen vietnamesische Firmen, beim Essen für ihre Arbeiter zu sparen. Die gehen jetzt auf die Barrikaden. Sie verlangen höhere Löhne und besseres Essen. Le Thi Huyen streikt. Wie viele Fabrikarbeiter in Vietnam bekommt sie ihr Mittagessen am Arbeitsplatz. Doch die Qualität der Mahlzeiten hat sich derart verschlechtert, dass sie jetzt protestiert. "Ich kann bei der Arbeit kaum noch essen. Das Zeug ist ungenießbar. Wir bekommen nur Tofu, etwas Gemüse und vielleicht ein bisschen Fisch", erzählt sie. Früher gab es zumindest noch eine Portion Schweinefleisch mit Reis, genug, um die zwölf Stunden lange Schicht zu schaffen. Le Thi Hyuen und ihre Kollegen verlangen eine Erhöhung des Essensbudgets pro Arbeiter - von 10 000 auf 15 000 Dong, also von 34 Cent auf 52 Cent..." Artikel in der Südwestpresse vom 23.07.2011
90.000 im Streik. Wetten, dass Adidas von nichts weiss?
Zwischen dem 24. und 29. Juni 2011 streikten nicht weniger als 93.000 Beschäftigte der Pou Yuen Vietnam Company für bessere Arbeitsbedingungen. Pou Yuen ist eine Tochterfirma des weltgrößten Schuhproduzenten Pou Chen und einer ihrer größten Kunden ist Adidas - weder die Mutterfirma noch Adidas haben sich dazu geäüßert - wohl aber die Staatsmacht, die etwa 20 Streikorganisatoren verhaftete. Bereits im letzten Jahr hatte es bei Pou Yen einen größeren Streik gegeben - und drei Arbeiter wurden deswegen zu langen Haftstrafen verurteilt. Das Hongkonger SACOM - Students & Scholars Against Corporate Misbehavior - stellt die Forderungen, nach Lohnerhöhung und Straffreiheit, auch an Adidas, wird in der Stellungnahme "Support the Massive Strike at Adidas Supplier in Vietnam" vom 12. Juli 2011 unterstrichen, in der auch zur Solidarität aufgerufen wird und betont, dass auch in Zeiten in denen jeder "global player" einen code of conduct oder ähnliche Papiere vor sich herträgt, Papier geduldig bleibt...
Neue Streikwelle?
Bereits im Januar und Februar hatte es abermals mehrere, teilweise sehr erfolgreiche Streikaktionen in Vietnam gegeben - nun haben Anfang März die 3.000 Beschäftigten von Yamaha ebenfalls einen Streik für Lohnerhöhung durchgeführt - angesichts einer Teuerungsrate von über 12% sicher kein Luxus. Deswegen und wegen der hohen Beteiligungszahl blieb bisher auch die erwartete Repression aus. Allerdings ist der neueste Bericht "Thousands strike at Vietnam Yamaha plant" der AFP auch bereits vom 08. März 2011.
Ohne Papiere? Raus!
Wer in Vietnam ohne Papiere arbeitet - und keine besondere Qualifikation hat - wird ausgewiesen. Diese einfachste aller Lösungen verkündete die Regierung Ende Januar laut "Vietnam to crack down on undocumented foreign workers", einer redaktionellen Meldung bei Vietnam Business vom 27. Januar 2011. Zielen soll diese Maßnahme vor allem gegen afrikanische und chinesische Arbeiter.
Konflikte mit Konflikten bekämpfen - Arbeiterunruhe und gewerkschaftliche Harmonie in Vietnam
"Zwischen 2005 und 2008 explodierte in Vietnam die Zahl der Streiks. Diese fanden ohne Ausnahme illegal statt, d.h. ohne Beteiligung der sozialistischen Einheitsgewerkschaft. Die wachsende Arbeiterunruhe erregt Besorgnis, Unwillen, teilweise auch deklamatorische Reformbereitschaft bei staatlichen und gewerkschaftlichen Funktionsträgern. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick und eine Problemskizze zu den Arbeitsbedingungen und industriellen Beziehungen in Vietnam. Die Frage nach der Autonomie von Arbeitskämpfen ist nicht nur im Vergleich mit China, sondern auch im Lichte der DDR-Erfahrungen interessant." Artikel von Ingrid Artus, erschienen in express - Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit - Ausgabe 09-10/2009
Repression gegen unabhängige Gewerkschafter dokumentiert
Kein Arbeiterparadies sei Vietnam, so hat jetzt Human rights watch seinen zusammenfassenden Bericht über die Repression gegen Bestrebungen, unabhängige Gewerkschaften zu organisieren betitelt: Müsste es ja auch nicht sein. Wenn aber diverse Bestandteile der laut Verfassung herrschenden Klasse eine andere Organisation wollen als einen Transmissionsriemen, wäre es eigentlich normal, wenn dies ohne Aufheben passieren würde. Ist es aber nicht. Die Dokumentation "Not Yet a Workers' Paradise" , die hrw am 4. Mai 2009 veröffentlicht hat. Siehe dazu auch:
Den Versuch, das ganze wesentlich differenziert darzustellen - inklusive des Verweises darauf, dass in Vietnam (ganz im Gegensatz zu China) kein einziger der zahlreichen selbstorganisierten Streiks von staatlichen Repressionskräften beendet worden sei - unternimmt in "Vietnam in the last two years: More drastic ascendancy of "the market"" der Autor Michael Karadjis in seinem Blog Vietnam from the left. Der Beitrag ist zwar schon vom August 2008, aber lesenswert und mit Verweisen auf andere Beiträge versehen.
»Es geht um Schutz gegen Verelendung«
Interview von Dr. Pham Nguyen mit dem Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler über die soziale Situation, Arbeitskämpfe und die Rolle der Gewerkschaften in Vietnam. Wolfgang Däubler ist emeritierter Professor für deutsches und europäisches Arbeitsrecht, bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht an der Universität Bremen. Das Interview in der jungen Welt vom 08.11.2008
Tumulte nach Streikende bei Nike - "Wiederaufnahme der Arbeit" verzögert
Am Montag waren die 15.000 Beschäftigten - meist Frauen - des NIKE-Subunternehmens Vietnam Ching Luh Shoes aus Taiwan in den Streik getreten um, angesichts der zunehmenden Teuerung eine Lohnerhöhung von rund 8 Euro im Monat durchzusetzen. Die offizielle Gewerkschaft hatte noch am selben Tag eine Erhöhung von etwa 4 Euros ausgehandelt und den Streik für erfolgreich beendet erklärt und auch Nike, das etwa ein Drittel seiner weltweiten Produktion in rund 50 vietnambasierten Subunternehmen herstellen lässt, betonte Verständnis angesichts der Lage. Am Dienstag aber äusserten sich viele Arbeiterinnen unzufrieden mit der Vereinbarung - so viele und so vehement, dass die Wiederaufnahme der Arbeit, die für diesen Tag angekündigt war, um einen Tag verschoben werden musste. Der Bericht "Nike : Affrontements lors de la reprise" der Zeitung Romandie, gespiegelt am 4. April bei "Solidarité Ouvrière".
Vietnam: Streik in Spielzeugfabrik
"Rund 10000 Arbeiter einer vietnamesischen Spielzeugfabrik sind aus Protest gegen schlechte Bezahlung in einen Streik getreten. Die Arbeiter der Hongkonger Firma Keyhinge Toy in Da Nang im Zentrum des Landes verlangten eine Erhöhung ihres Jahresbonus' und längere Ferien zu den Neujahrsfeiern in der kommenden Woche, wie die staatliche Presse am Donnerstag berichtete. Auch in anderen Firmen legten in den vergangenen Wochen Beschäftigte die Arbeit nieder. In Vietnam haben zahlreiche ausländische Firmen Produktionsstätten, weil eine Arbeitskraft mit 540000 Dong (knapp 23 Euro im Monat) billig ist. Für viele Arbeiter reicht dieser Lohn aber nicht mehr zum Leben, auch weil die Inflation zweistellige Zahlen erreicht hat. 2007 lag sie bei knapp 13 Prozent..." AFP-Meldung in der jungen Welt vom 01.02.2008 . Siehe dazu auch:
- 10,000 Workers On Strike In Vietnam Toy Factory
Die ausführlichere englische Meldung
- Committee to Protect Vietnamese Workers
Die (englische) Seite des CPVN - Committee to Protect Vietnamese Workers - mit weiteren aktuellen Informationen zum Konflikt
Bestraft, weil sie unabhängige Gewerkschaften organisierten
Kommt das wem bekannt vor? Ein vietnamesisches Gericht hat jetzt vier Aktivisten verurteilt, weil sie an dem Versuch der Bildung einer unabhängigen Gewerkschaft beteiligt waren, weswegen sie seit einigen Monaten in Haft waren. Die Urteile: zwischen anderthalb und viereinhalb Jahre. Ihr Vergehen: sie hätten verfälschte Informationen verbreitet, um den Staat zu untergraben. Und dies in Zusammenarbeit mit einer reaktionären Netzseite aus den USA. Ein nahezu klassisches Muster - und dann wird ein Geschäftspartner denn schnell auch mal wieder zum Hort der Reaktion. Was allerdings immer noch nicht erklärt, was an unabhängigen Gewerkschaften denn nun schlecht sein soll...außer natürlich, daß sie, wie anderswo auch, den Investitionen schaden könnten... Der AFP-Bericht "Vietnam Reportedly Jails Four Labor Activists" vom 11. Dezember 2007 beim Committe to protect Vietnamese Workers.
Streik bei Nike mit Teilerfolg beendet
Der Streik wurde nach fünf Tagen beendet, mit einer Lohnerhöhung von 4,5% für gestiegene Transportkosten, sowie Zusagen zur Verbesserung des Kantinenessens. Das wird in dem AP-Bericht "Strike over at Nike Vietnam plant" vom 3. Dezember 2007 bei den cnn-news geschildert.
Über 10.000 Beschäftigte streiken bei Nike
Die erste Firma ohne Fabrik wird bestreikt - in Vietnam. Eine der Firmen, die für Nike dort produzieren ist Tae Kwang aus Südkorea, die rund 14.000 Menschen für Nike produzieren läßt. (Die etwa 10% der 75 Millionen Paar Schuhe produzieren, die jährlich in Vietnam hergestellt werden). Dass die überteuerten Treter unter schäbigen Bedingungen in Asien produziert werden, weiss fast jedermensch, auch die, die sie kaufen. Jetzt haben über 10.000 Menschen, die sich nicht abswooshen lassen wollen, begonnen, sich zur Wehr zu setzen. In der Fabrik in den nördlichen Aussenbezirken von Hanoi wollten sich die Empfänger von 62 Dollar im Monat (über dem Mindeslohn liegend) im Angesicht einer Preissteigerungsrate von runden 10 Prozent im Jahr 2007 nicht länger damit begnügen - die Erhöhung der Mindestlöhne um etwa 25% in diesem Jahr (erkämpft von einer Streikbewegung zur Jahreswende) ist von den Preissteigerungen der beiden letzten Jahre zunichte gemacht worden. Das ist, kurz zusammengefasst, die (englische) Meldung "Vietnamese strike at Nike plant" bei Infoshop.org vom 1. Dezember 2007
Vietnam als Alternative zu China - Investoren zieht es nach Süden. Zunehmende Streiks und Proteste gegen Dumpinglöhne in ausländischen Unternehmen
Der folgende Artikel erschien in der "jungen Welt" vom 26.10.2007 unter dem Titel "Auf nach Vietnam?" aus Platzmangel in einer um ein Drittel gekürzten Version. Hier der vollständige Text zur Entwicklung Vietnams und seiner Rolle in der neuesten Runde kapitalistischer Globalisierung, die - wie so Vieles - in der hiesigen Linken bislang kaum zur Kenntnis genommen wird. Artikel von Rosso Vincenzo
Regierungsdekret
erlaubt Kommunalverwaltungen Streikbekämpfung
Nachdem bereits Mitte April ein Regierungsdekret mit
einer Art Schadensersatzpflicht für "wilde Streiks"
bzw Streikende erlassen worden war, kam Anfang Mai ein neues, das
kommunalen Verwaltungen die Handhabe gibt, Streiks zu beenden. Der
Rechtsexperte des offiziellen Allvietnamesischen Gewerkschaftsbundes
Le Thanh Khuong, sagte dazu, es sei ein normales Recht der Arbeiter,
die Arbeitskraft zeitweise zu verweigern. Das Committee to Protect
Vietnamese Workers fragt in seiner (englischen) redaktionellen Meldung
"Labour
Ministry prepares law enabling local authorities to force strikers
back to work"
vom 10. Mai 2007 ob diese Aussage irgendwelche Konsequenzen haben
werde...
Gegen
niedrige Löhne: 30.000 Vietnamesen in wilden Streiks
"Massenstreiks haben in Vietnam die Produktion mehrerer ausländischer Firmen vorübergehend lahm gelegt. Mehr als 30.000 Menschen hätten in zwölf Fabriken in Dong Nai unweit von Ho-Chi-Minh-Stadt im Süden des Landes die Arbeit aus Protest gegen zu magere Lohnerhöhungen niedergelegt, sagte Huynh Tan Kiet, Sprecher des regierungsnahen Gewerkschaftsbundes, am Dienstag." Artikel im faz.net vom 13.03.2007 . Siehe dazu auch:
- Four foreign firms hit by wildcat strike in southern Vietnam
Etwas ausführlicherer (englischer) Artikel, in dem die einzelnen bestreikten Firmen und die Forderungen der Arbeiter dargestellt werden. Artikel in den Thanh Nien News vom 13.03.2007
Unabhängige
Landarbeitergewerkschaft - siebte Festnahme
Die United Workers and Farmers’ Association
(UWFA) wurde im Oktober 2006 gegründet - in wenigen Tagen Abstand
zur Gründung der VIU (Vietnamese Independent Union). Tran Quoc
Hien soll am 12. Januar festgenommen worden sein - als siebenter
Aktivist der neugegründeten Gewerkschaft. Gründe seien
dafür nicht genannt worden, wird in der (englischen) Meldung
"Vietnamese
authorities jail another farm union leader"
vom 19. Januar 2007 des Committee to Protect Vietnamese Workers.
Debatte um Streikrecht
In dem ständigen Komitee der Nationalversammlung, das den Entwurf eines neuen Arbeitsgesetzes diskutieren soll herrschte Einigkeit darüber, dass einige Passagen des Entwurfs verändert werden müssten, um keiner Einschränkung des Streikrechts Vorschub zu leisten. Im Entwurf werden Arbeitskämpfe unterteilt nach solchen um "Rechte" und solchen um "Leistungen" (sprich: Einkommen) - und nur im zweiten Fall soll gestreikt werden dürfen, im ersten werden Schlichtungs- bzw. Arbeitsrechtmaßnahmen vorgesehen. Das Komitee befand, dass solche Veränderungen der Lage im Land nicht angemessen seien. Hingegen sei es wichtig, dass auch in Betrieben, in denen es keine Gewerkschaftsorganisation gäbe - wie es in 85 Prozent aller Privatunternehmen und 65 Prozent der Unternehmen ausländischen Kapitals der Fall ist - legal gestreikt werden könne, wofür das Recht nötig sei, eine betriebliche Delegation zu wählen, die in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft die Belegschaft in Auseinandersetzungen vertreten könne, sagte der Abgeordnete Cu Thi Hau, der Vorsitzende des Allvietnamesischen Gewerkschaftsbundes. Der redaktionelle (englische, hiermit kurz zusammengefasste) Bericht "Murky regulations may hamper workers ability to strike" vom 27. September 2006 bei der Nachrichtenagentur Thanh Nien Daily.
Nach der Streikwelle...
...neue Streiks: in den Exportbetrieben um Ho Chi
Minh Stadt kam es in den letzten Wochen erneut zu Streiks. Ein Grund:
Verschiedene Firmen hatten nach der Erhöhung der Mindestlöhne
zum 1. April damit begonnen, diese Erhöhungen durch Kürzungen
bei Zulagen auszugleichen. Was heisst, dass die ArbeiterInnen der
konstanten Teuerung ausgesetzt sind. Das Vorgehen der Firmen, um
die Erhöhungen zu unterlaufen ist ungesetzlich - eigentlich.
Aber noch nie wurde eine ausländische Firma des Landes verwiesen,
weil sie gegen die Arbeitsgesetze verstossen hatte - Gesetze, die
auf dem Papier einigen Schutz bieten - die aber angesichts der Exportsteigerungen
des Landes auf 30 Milliarden US-Dollar im Jahre 2004 (das Dreissigfache
von 1988, als die "neue Politik" praktisch wurde) eher
als sekundär betrachtet werden. Andrerseits: beim Konkurrenten
China sei die Regierung wesentlich schneller bereit, Proteste zu
unterdrücken, während die vietnamesische Regierung versuche,
Interessen auszubalancieren. Anhand der Erfahrungen der Belegschaft
eines Hongkonger Zulieferers von Mc Donalds (schon vor der Streikwelle)
werden diese Entwicklungen in dem (englischen, hiermit kurz zusammengefassten)
Beitrag "Vietnam's
labor strife worsens"
von Aaron Glantz und Ngoc Nguyen im "San Francisco Chronicle"
vom 30. Mai 2006 berichtet.
Streikwelle ungebrochen - jetzt ist auch die EU
"besorgt"...
Auch Mitte März geht die Streikwelle in Vietnams
Auslandsbetrieben weiter: jetzt sind 8.000 Beschäftigte einer
taiwanesischen Schuhfabrik in den Streik getreten. Der Sprecher
des vietnamesischen Arbeitsministeriums Pham Minh Huan sagte, die
Streiks müssten eingedämmt werden, da sie das Klima für
ausländische Investitionen verschlechterten. Womit er recht
hat, den jetzt schrieb auch die Vertretung der Europäischen
Union einen Brief an die vietnamesische Regierung, in dem sie ihre
Sorge äusserte die Streiks könnten auf europäische
Firmen übergreifen (die demnach wohl genauso übel bezahlen,
wie die asiatischen Unternehmen). Und die EU "verweist"
darauf, dass ein Argument für Investitionen in Vietnam es sei,
dass die Arbeitskräfte wenig zu Arbeitskämpfen "neigten".
Alles dies in dem (englischen) afp-Bericht "Taiwanese-owned
factory hit by Vietnamese strikers"
bei der "Taipeh Times" vom 15. März 2006.
Die Streikwelle 2006 - eine Dokumentation
Zunächst waren es vor allem taiwanesische Unternehmen,
dann auch japanische - die seit der Jahreswende bis zur Gegenwart
andauernde Streikwelle in vietnamesischen Weltmarktfirmen ist eine
Erscheinung, die zeigt, dass die Begeisterung über kapitalistische
Öffnungen sich auch in diesem Land in engen Grenzen hält.
Unter dem Titel "Die
Party ist vorbei - jetzt auch in Vietnam"
hat die Spezialseite "Asien aktuell" am 3. März 2006
eine ausführliche Dokumentation über die Streiks und einige
Hintergründe erstellt.
Streiks jetzt auch in japanischen und vietnamesischen
Unternehmen
Nach der jüngsten Streikwelle zur Jahreswende/Jahresbeginn,
die vor allem in taiwanesischen Unternehmen stattgefunden hatte,
beklagen sich jetzt die "japanischen Investoren" (die
gerade in grösserem Ausmaß dabei sind, ihre Billigfirmen
von China unter anderem nach Vietnam zu transferieren) bei vietnamesischen
Behörden, sie müssten den ArbeiterInnen beibringen, sich
an die Gesetze zu halten, und nicht einfach zu streiken - allein,
diese interessiert das wenig, sie streiken einfach weiter und immer
mehr: etwa 2.000 Streikende bei Mabuchi Motors und rund 3.000 bei
Fujitsu Computers sind die grössten der beteiligten Belegschaften.
Nach wie vor geht es um Mindestlöhne (nachdem Versprechen nicht
realisiert wurden) - nun erstmals auch in einem vietnamesischen
Unternehmen. Der redaktionelle (englische) Bericht "Vietnam
strikes hit Japan firms"
vom 2. März 2006 in der japanischen Zeitung "The Asahi
Shimbun".
"Wilde" Streikwelle erfolgreich - Mindestlohn
erhöht
Nachdem die Regierung sechs Jahre den Mindestlohn
nicht erhöht hatte, wurde sie jetzt dazu gezwungen: die Streikwelle
in den "Export Processing Zones" (EPZ) war erfolgreich.
Wochenlang streikten mehr als 40.000 ArbeiterInnen immer wieder,
in über einem Dutzend Streiks- jetzt bekommen sie beinahe 40
Prozent mehr als bisher, zwischen 45 und 55 Dollar im Monat, je
nach Grösse der Stadt (und entsprechender Preisgestaltung)
in der sie leben. In diesen sechs Jahren hatte die Inflation 28
Prozent der Einkommen aufgefressen. Der Vietnamesische Gewerkschaftsbund
hatte in all den Jahren nichts unternommen, und war jetzt nicht
mehr in der Lage, die "Sache" im Griff zu behalten. Der
Durchbruch der spontanen Streikbewegung geschah, als die 18.000
ArbeiterInnen bei Freetrend - einem taiwanesischen Unternehmen,
das die schmutzige Arbeit für Nike und Adidas organisiert -
in den Streik traten, obwohl sie in der Regel mehr als den Mindestlohn
erhalten, aber eben immer noch erbärmlich wenig. Der taiwanesische
Unternehmerverband hat schon damit gedroht, Teile der etwa 1.400
Betriebe, in denen sie in Vietnam investiert haben, nach anderswo
zu verlagern - aber in China etwa liegt der Mindestlohn bei 63 Dollar.
Der (englische, hiermit kurz zusammengefasste) Bericht "Wildcat
Strikes Pay Off"
von Aaron Glantz und Ngoc Nguyen bei der alternativen Presseagentur
IPS vom 17. Januar 2006.
Taiwanesische Kapitalisten fordern "Sicherheit"
angesichts einer Streikwelle
Seit Ende Dezember letzten Jahres streiken ArbeiterInnen
in Vietnam für Lohnerhöhungen - konzentriert in Betrieben
ausländischer Investoren. Taiwan - eines der "vier grossen"
Herkunftsländer des Auslandskapitals - ist besonders betroffen:
25 taiwanesische Betriebe werden bestreikt. Das Aussenministerium
Taiwans lud daraufhin Vertreter der vietnamesischen Botschaft zum
Gespräch und unterstrich, dass es negative Auswirkungen auf
künftige Investitionsbereitschaft haben werde, wenn die vietnamesische
Regierung nicht "schnell und angemessen" auf die Streikwelle
reagiere. Die redaktionelle (englische) Meldung "Mofa
Asks Vietnam To Protect Taiwan Investors"
von "Asia Pulse" vom 10. Januar 2006 bei "Yahoo Australia".
Streikrecht? "Schadensersatz" bei Nichtankündigung
15 Tage Vorankündigung - das ist in Vietnam Bedingung
für einen legalen Streik, einem neuen Regierungsbeschluss zufolge
- im seit 1995 geltenden Arbeitsgesetz waren es "nur"
drei Tage. Bei Nichterfüllung dieser Vorschrift: Schadensersatz.
Führende vietnamesische Gewerkschafter sehen darin eine Behinderung
ihrer Arbeit - und eine Quelle der wachsenden Zahl "wilder"
Streiks, die stattfinden obwohl die Grundeinschränkung des
Streikrechts dieses nur den Gewerkschaften reserviert. Auf einem
Seminar in Ho Chi Minh Stadt, organisiert vom Gewerkschaftsbund
Viet Nams und der Friedrich Ebert-Stiftung, sagte Cu Thi Hau, Vorsitzende
der Viet Nam Confederation of Labour, die Arbeiter hätten Streikrecht,
aber Streiks sollten legal und "ordentlich" organisiert
werden... Viele TeilnehmerInnen sprachen sich für ein neues
Streikrecht innerhalb der Arbeitsgesetzgebung aus. Der (englische)
Seminarbericht "New
strike law vital for settling labour disputes"
vom 18. Juli 2005 bei "Viet Nam News".
Wachsende Zahl von Streiks in einer "wirklichen
Marktwirtschaft"
Die Forderungen sind in der Regel sehr naheliegende:
mehr Lohn, weniger Arbeit, bessere Arbeitsbedingungen. 900 Streiks
wurden in den letzten 10 Jahren in Vietnam "gezählt".
Im Verlauf dieses Jahres sind es mehr geworden und grössere:
So haben im Mai alle 10.000 Beschäftigten eines McDonalds Zulieferers
gestreikt - der grösste Einzelstreik der jüngeren Geschichte.
Amerikanische "Experten" loben unterdessen Vietnam dafür,
dass die Reformen eine "wirkliche Marktwirtschaft" geschaffen
hätten. Was hat das eine mit dem anderen und beides mit Sozialismus
zu tun?
- Mehr Arbeiter streiken für mehr Rechte
Der (englische) Bericht "More
workers striking to fight for better rights"
von Nhu Lich und Thien Long (übersetzt von Xuan Lan) im vietnamesischen
Nachrichtenportal "Thanh Nien" vom 3. Juli 2005
- Lob vom "Experten"
In einem (englischen) Interview mit der Vietnam News
Agency lobt der US Professor Brian Arkadie die vietnamesische Regierung
für die einführung einer "wirklichen Marktwirtschaft".
Die Interview-Auszüge "Vietnam
has real market economy"
vom 1. Juli 2005 bei "Thanh Nien".
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