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Updated: 18.12.2012 15:51
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Venepal – Eine Papierfabrik in Arbeiterhand

Venezolanische Regierung enteignet vom Eigentümer aufgegebene Fabrik

Von Dario Azzellini

Per Dekret enteignete der venezolanische Präsident Hugo Chávez vergangenen Mittwoch, den 19. Januar den gesamten Besitz des Papierunternehmens Venepal. Die Firma hatte Anfang Dezember Konkurs angemeldet. Vor zehn Jahren war Venepal noch die größte Papierfabrik Lateinamerikas. Damals hatte das Unternehmen 1.800 Beschäftigte. Dann begann der Eigner die Fabrik nach und nach zu demontieren, denn er ist auch Teilhaber an dem transnationalen US-Papierkonzern Smurfit, Venepals Konkurrenz in Venezuela.

Die Fabrik in Morón, im Bundesstaat Carabobo, vier Autostunden westlich der venezolanischen Hauptstadt Caracas, soll nun gemeinsam vom venezolanischen Staat und den Arbeitern betrieben werden. Dafür hatten bis zuletzt 350 Arbeiter und ihre Familien gekämpft. Einige von ihnen berichteten auf dem Akt zur Unterzeichnung des Dekrets, dass sie seit vier Monaten keinen Lohn mehr erhalten haben.

Der Arbeitskonflikt entbrannte Anfang 2003. „Als wir gemerkt haben, dass die Leitung das Unternehmen gezielt in den Konkurs führt, haben wir intern die Kontrolle über die Produktion übernommen“, berichtet Edgar Peña, Generalsekretär der Werkseigenen Papierindustriegewerkschaft Sutip, „daraufhin entschied die Leitung am 4. Juli 2003 das Unternehmen zu schließen und wir besetzten es, um so Druck auszuüben.“

Bilder von Christian DitschNach 80 Tagen kam es zu einer Einigung. Der Staat erklärte sich bereit, die Modernisierung mit fünf Millionen Dollar zu unterstützen. Dafür sollte eine Kooperative mit 400 Arbeitern eingerichtet und direkt am Unternehmen beteiligt werden. Ein Gerichtsurteil verpflichtete den Besitzer auch zur Wiedereinstellung der Entlassenen und Zahlung der ausgefallenen Löhne. Die Arbeit wurde wieder aufgenommen, Rohstofflieferungen, Produktion und Vertrieb von den Arbeitern organisiert. „Doch der Besitzer hielt sich nicht an die Vereinbarung und schloss das Werk am 7. September,“ so Peña. Seitdem stehen bei Venepal alle Maschinen still, außer dem Stromwerk, das auch eine kleine Siedlung versorgt.

Die Arbeiter besetzten daraufhin den Betrieb und forderten die Nationalisierung unter ihrer Kontrolle. „Bei den Gesprächen mit Firmenleitung und Ministerien wurde uns klar, dass die Leitung weniger Überblick hat, als wir Arbeiter, und wir genug Erfahrungen gesammelt haben, um das Werk zu betreiben“, so Peña. Nachdem Venepal Anfang Dezember 2004 Konkurs anmeldete forderte die venezolanische Nationalversammlung am 13. Januar die Exekutive auf, gemäß der geltenden Gesetzgebung aufgrund öffentlichen Interesses ein Dekret zur Enteignung der Güter und Immobilien des in Konkurs gegangenen Unternehmens Venepal und seiner Filialen zu erlassen. Es wurde auch eine Untersuchungskommission gebildet, da der Verdacht auf betrügerischen Konkurs besteht.

Mit einem Sofortkredit für den Kauf von Zellulose soll unter Leitung der Arbeiter nun möglichst schnell die Produktion wieder anlaufen. Zu aller erst würden diverse Sozialprogramme der Regierung mit Arbeitsmaterialien beliefert werden, so der Generalsekretär der Gewerkschaft. Edgar Peña bat auch um die Unterstützung der Nationalgarde zur Sicherung des Unternehmens, da Sabotageakte seitens Personen, die sich der Kontrolle des Betriebs durch die Arbeiter widersetzen, befürchtet würden. Zu schützen gibt es neben der Fabrik und einer werkseigenen Wohnsiedlung viel.

Das Gelände von Venepal umfasst insgesamt 5.000 ha. Auf dem Gelände stehen noch eine Schule, ein Baseballstadion, ein Hotel mit Schwimmbad, ein Klärwerk, Anlagen zur Aufbereitung von Trinkwasser und Industriewasser, ein Stromwerk und ein kleiner Flughafen, den die Besitzer nutzten um zur Fabrik zu gelangen. Alles verlassen und ungenutzt. Auch große brachliegende Ländereien gehören zum Firmengelände. Als landlose Bauern diese besetzten, ließ der Besitzer sie von der Polizei räumen.

Bilder von Christian DitschIm Hinblick auf Kritiken, Venezuela würde dem “kubanischen Modell folgen”, erklärte Chávez: „Wir importieren kein Modell nach Venezuela, wir erfinden hier unser eigenes“. Der Präsident geißelte den Konsumismus als „pervers“ und erklärte Venezuela könne seine Lebensweise nicht der des Nordens der Welt anpassen, denn diese beruhe auf dem „Imperialismus und der Plünderung der ärmeren Länder“. Der Kapitalismus sei ein versklavendes Modell, von dem Venezuela sich befreien wolle, so der Präsident weiter, daher die Verärgerung der US-Regierung: „Sie will nicht, dass wir das Papier hier selbst produzieren, sondern möchte, das wir es dort kaufen“. Und während der Kapitalismus „die Arbeiter und damit die Volksmacht zerstören wolle, geht es hier um die Befreiung der Arbeiter“. Dafür sei die Veränderung der Produktionsverhältnisse fundamental.

Chávez wies aber auch darauf hin, die Enteignung sei eine Ausnahme, niemand müsse um seinen Besitz fürchten, solange dieser genutzt werde, doch die Regierung werde weiterhin geschlossene und verlassene Unternehmen übernehmen und wieder aufbauen. Dies ist auch die Hoffung vieler Arbeiter und Gewerkschafter, denn weitere Fabriken, darunter die Nationale Ventilfabrik (CNV) oder die Parfümproduktion Cristine Carol, wurden ebenfalls von den Eigentümern aufgegeben und von den Arbeitern besetzt.

Venezuela importiert einen Großteil des im Land benötigten Kartons und Papiers. Der 1999 eingeleitete gesellschaftliche Transformationsprozess hat sich zum Ziel gesetzt im Land eine diversifizierte Wirtschaftsstruktur aufzubauen und so eine eigenständige nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. Bisher basierte die Ökonomie des viertgrößten Erdölproduzenten weltweit auf einem Rentiersmodell, in dem über 70 Prozent der Lebensmittel und nahezu alle Güter des täglichen Gebrauchs importiert wurden.

Bildnachweis: Bilder von Christian Ditsch

(siehe weitere Bilder von ihm zu Venezuela bei der Fotoagentur version externer Link)


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