letzte Änderung am 10. Juli 2002 | |
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In den venezolanischen Grenzregionen zu Kolumbien Táchira, Apure und Zulia sollen nach eigenen Angaben paramilitärische Gruppen der "Vereinigten Selbstverteidigungskräfte Venezuelas", AUV, aktiv sein. In einem Ende Juli in den venezolanischen Medien verbreiteten Video verkündete ein vermummter "Comandante Antonio" 2.200 Bewaffnete stünden bereit um Venezuela vor der kolumbianischen Guerilla und dem Kommunismus zu "schützen". Die Organisation bestehe zum Großteil aus Militärs und Ex-Militärs, deren Intention es sei das politische Panorama Venezuelas zu verändern wo heute "die Narco-Guerilla-Regierung von Chavez" die Macht innehabe. Daher wurde auch Chavez zum "militärischen Ziel erklärt". Indes versicherte Carlos Castaño, Führer der rechtsradikalen kolumbianischen Paramilitärs, die etwa 70% des dortigen Drogenhandels kontrollieren, in einem Interview es bestünden gute Beziehungen zu den venezolanischen Paramilitärs.
Der Oberkommandierende der Armee General Julio García Montoya und Präsident Chavez stritten jedoch die Existenz von Paramilitärs in Venezuela ab, die Angelegenheit werde jedoch ernsthaft untersucht.
Das Auftreten der Paramilitärs erfolgte nur wenige Wochen nachdem eine Gruppe Vermummter vermeintlicher Militärs, die in Anspruch nehmen "große Teile der Streitkräfte und das Volk" zu vertreten, in Videos und Medien drohten alle Angehörigen der Bolivarianischen Komitees zu töten.
Die venezolanische Regierung scheint dies indes eher gelassen zu sehen und verkündete Mitte Juni die Kürzung des Militäretats um 40% an. Das eingesparte Geld soll laut Planungsminister Felipe Pérez in Sozialprogramme zur Armutsbekämpfung fließen.
Damit nimmt die Regierung Chavez der Opposition, die ihm stets eine Militarisierung der Gesellschaft vorwirft, den Wind aus den Segeln. So nahmen auch einer groß angekündigten Oppositions-Demonstration für Chavez Rücktritt vor drei Wochen keine 5.000 Personen teil. Oberst a.D. Hidalgo Valero, einer der Organisatoren, zeigt sich dennoch überzeugt: "Wir können nicht den Kommunismus im Land erlauben. Venezuela wird immer demokratisch, frei und unabhängig sein und wir werden die Existenz des Kommunismus niemals zulassen."
Mittlerweile konzentrieren sich die Bemühungen der Opposition darauf, zu versuchen den Generalstaatsanwalt Isaías Rodríguez von seinem Posten zu kippen. Dieser hatte nach dem Putsch eine im Fernsehen übertragene Pressekonferenz einberufen auf der er seinen Rücktritt ankündigen sollte. Vor laufenden Fernsehkameras war von Rücktritt keine Rede mehr und er erklärte Chavez sei keinesfalls, wie von den Putschisten verkündet, zurückgetreten. Isaías Rodríguez, so der Wille der Opposition, soll durch einen neuen Generalstaatsanwalt ersetzt werden, der bereit ist ein Verfahren gegen Chavez in die Wege zu leiten. Dieses würde dann dem Obersten Gerichtshof unterbreitet werden, wo elf der 20 Richter Oppositionelle sind. Das zu einer Verurteilung notwendige Quorum liegt jedoch bei 16, so dass es wohl eher darum geht das eingeleitete Verfahren propagandistisch auszuschlachten. Chavez zeigt sich davon nicht sonderlich beeindruckt. In seiner wöchentlichen TV- und Radioübertragung "Aló Presidente" verkündete er Ende Juni "Wer kann glauben, dass Millionen von Venezolanern die Arme kreuzen und still zu Hause bleiben, wenn sie sehen das Chavez angeklagt und festgenommen wird?". Tatsächlich ging Chavez bisher gestärkt aus der politischen Krise hervor und verschiedene Meinungsumfragen sehen seine Unterstützung in der Bevölkerung zwischen 59 und 70 Prozent.
Dies scheinen auch die Ergebnisse einer von Basisorganisationen initiierten Boykottkampagne gegen Medien und Unternehmen, die den Putsch unterstützten, zu bestätigen. Die Auflage der großen Tageszeitungen El Nacional und El Universal befindet sich im freien Fall. Erstere, vor dem Putsch noch bei mehreren Hunderttausend verkauften Exemplaren druckt nur noch knapp 60.000 Zeitungen täglich. Beide sind nun dazu übergegangen die Zeitung gratis zu verteilen. Auch die Quoten der großen Privatsender sanken merklich, während sich Werbekunden aus Furcht vor einem Boykott, zunehmend zurück ziehen.
Ökonomisch scheint derweil eine Stabilisierung zu erfolgen. Nachdem im Februar der Wechselkurs des venezolanischen Bolivar frei gegeben wurde, verlor dieser bis heute rund 65 Prozent seines Wertes, konnte sich jetzt aber zwischen 1300 und 1400 Bolivar pro Dollar einpendeln. Nach einem Rückgang des BIP im ersten Halbjahr, der durch massive Kapitalflucht und Investitionsstopps künstlich forciert wurde, zeichnet sich für die zweite Hälfte des Jahres ein mögliches Wachstum ab. Im vergangen Jahr verzeichnete Venezuela, allen Unkenrufen zum trotz ein Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent, ohne den Erdölsektor gar um 4 Prozent. Präsident Chavez erteilte auch Gerüchten um ein Ende der Erdöllieferungen zu Sonderkonditionen für Kuba eine Absage und erklärte alle Erdöllieferabkommen mit der Karibikinsel würden eingehalten werden.
Unbeeindruckt davon rollt eine massive Propagandakampagne in meinungsmachenden internationalen Medien der ibero-amerikanischen Welt, wie etwa im spanischsprachigen CNN oder den Madrider Tageszeitungen "El Pais" und "El Mundo", die versuchen Venezuela in einer ähnlichen wirtschaftlichen Lage wie Argentinien zu verorten oder wie "El Mundo" Chavez von "venezolanischen Psychiatern" für verrückt erklären lassen.
Währenddessen rücken die Untersuchungen rund um den Putsch vom 11.4. die Opposition in ein immer ungünstigeres Licht. Ballistische Untersuchungen an den Waffen der Stadtpolizei von Caracas, die dem in Opposition zu Chavez stehenden Bürgermeister unterstehen, ergaben dass 34 von ihnen während der Ereignisse um den Präsidentenpalast ihre Pistolen einsetzten. Aus welchen Waffen welche Schüsse abgegeben wurden, lässt sich jedoch nicht mehr feststellen, da die tödlichen Kugeln zuvor angeschliffen worden waren , um so eine ballistische Untersuchung zu verhindern. Eine Technik, die laut verschiedener Menschenrechtsorganisationen, auch in der Vergangenheit von der Polizei eingesetzt wurde. Zugleich zeigt sie aber auch, dass die Zwischenfälle geplant waren.
Am vergangenen Wochenende landete auch der Ex-US-Präsident Jimmy Carter in Caracas und traf sich zu Gesprächen mit Präsident Chávez, Vizepräsident Rangel, Medienunternehmern und Kirchenrepräsentanten. Carter befindet sich mitsamt einer Begleitkommission auf Einladung der Regierung in Venezuela, um als Mittler in Gesprächen Möglichkeiten eines Dialogs zwischen Regierung und Opposition zu sondieren. Am 9. Juli will er schließlich auf einer Pressekonferenz einen Verfahrensvorschlag oder eine bereits erzielte Übereinkunft darüber ankündigen.
Die Opposition begrüßte zwar die Carter-Kommission, rief dennoch für den 11. Juli zu einer weiteren Demonstration auf und zeitgleich zu Carters Ankunft zog sich die Nationale Viehzüchtervereinigung FNG vom "Runden Tisch des Nationalen Dialogs" zurück, den die Regierung Chavez nach dem Putsch einberufen hatte. Die FNG gehört zum harten Kern der rechten Oligarchie und wurde bereits öfter mit dem möglichen Aufbau bewaffneter Gruppen im Westen des Landes in Verbindung gebracht.
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