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Updated: 18.12.2012 15:51
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Zwei Gewerkschaftskongresse - zwei Welten?

In der letzten Woche fand der Kongress des AfL-CIO statt: Inklusive der Wahl des einzigen Kandidaten zum neuen Vorsitzenden, eines Besuchs von Präsident Obama und viel Selbstbeweihräucherung. Und natürlich: Recht viel Medienpräsenz, zumindest im Gefolge Obamas. Weniger Prominenz, aber auch ein nationaler Kongreß: Der unabhängigen Basisgewerkschaft UE. Einen Vergleich soll die kleine Materialsammlung "Zwei Kongresse" vom 22.September 2009 ziehen...

Zwei Kongresse - zwei Welten?

Der AfL-CIO Kongress in Pittsburgh hatte vor allem ein politisches Thema: Krankenversicherung für alle. In einem Land, wo Tausende wegen mangelnder oder fehlender Versicherung sterben (natürlich unter anderem auch, weil privat geführte Krankenhäuser eben Geld verdienen sollen und nicht etwa der Gesundheit dienen) und die politische Rechte eine Kampagne gegen die sozialistische Reform Obamas führt - und in den Kommerzmedien eine tägliche Plattform dafür hat - ist dies nicht überraschend. Der Kongress hatte ausserdem ein zentrales Gewerkschaftspolitisches Thema: die freie Gewerkschaftswahl. In einem Land, wo alle 23 Minuten jemand entlassen wird, weil er oder sie gewerkschaftliche Aktivität ausübte, ebenfalls keine Überraschung - und in der Kampagne gegen die Gewerkschaftsreform findet die Rechte ihre Alliierten viel offener...

Von diesen Themen her - und von der politischen Grundposition des Gewerkschaftsbundes - war es ebenfalls keine Überraschung, dass das Topthema die Rede des Präsidenten auf dem Gewerkschaftskongress war, sowohl für die Medien, als auch für die Delegierten. Im offiziellen Afl-CIO Blog wird in dem Bericht "Obama: We Need Strong Unions for a Strong Economy" externer Link Obamas Rede regelrecht gefeiert und ausführlich über die standing ovations der Delegierten für die Rede und den Auftritt des Präsidenten berichtet. Obama hatte nachdrücklich betont, er stehe für die Reformen bei Krankenversicherung und Gewerkschaftsgesetzgebung, denn das Land brauche zur Wiedergewinnung einer starken Wirtschaft auch starke Gewerkschaften als eine der Voraussetzungen. Bei soviel Begeisterung über die wiedergewonnene Salonfähigkeit blieben dann auch die Debatten über die Krisenpolitik der Regierung weitgehend aus - dass beispielsweise seit Krisenausbruch etwa 40.000 öffentlich Bedienstete aller Ebenen entlassen wurden wie in "Cut Loose: State and Local Layoffs of Public Employees in the Current Recession" externer Link Matt Sherman und Nathan Lane in Truthout vom 15. September 2009 berichten.

Dass es mehrere Resolutionen zur Krankenversicherung gab fiel dabei kaum weiter auf. Der neue Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes, der frühere Vorsitzender des Bergarbeiterverbandes und bisherige Stellvertreter des nicht mehr kandidierenden John Sweeney, Richard Trumka ging in seinem Beitrag immerhin noch darauf ein, dass eine Krankenversicherung für alle eigentlich eine öffentliche Krankenversicherung bedeuten müsste und nicht ein erweitertes Geschäftsfeld für Privatunternehmen. Aber die Gewerkschaften haben dies bereits darauf reduziert, es müsse wenigstens einen öffentlichen Teil geben, sagte Trumka - so wird in dem Bericht "New A.F.L.-C.I.O. Leader Calls for Public Option" externer Link von Steven Greenhouse am 16. September 2009 in der New York Times bemerkt. Die weiteren Meldungen von dem Kongress sind auf der AfL-Seite unter "Convention News" externer Link zu finden.

Bemerkenswert ansonsten - wieder einmal - die zwar nach wie vor laue, aber doch wachsende Kritik am Afghanistankrieg - auf jeden Fall wesentlich deutlicher als bei teutonischen Gewerkschaften, sowie die Anwesenheit eines irakischen Gewerkschafters, der die weiterhin gültigen Antigewerkschaftsgesetze Saddam Husseins zum Thema machte. Den Verlauf des einwöchigen Kongresses, der am 17. September 2009 endete, aus der Sicht eines (heute pensionierten) langjährigen Gewerkschaftssekretärs kann man in dem Blogbeitrag "Backstage, front stage, and off stage at the AFL-CIO Convention" externer Link von Carl Finamore vom 20. September 2009 nachlesen.

Die gewerkschaftspolitischen Themen

Was die amerikanische Gewerkschaftsbewegung betrifft, so standen bei dem Kongress zwei Themen im Vordergrund: Zum einen der Wiedereintritt von UNITE-Here in den AfL-CIO (die relativ kämpferische Gewerkschaft, die viel zur Entwicklung des Konzepts "Organizing" beigetragen hat, war mit anderen zusammen der SEIU 2005 gefolgt, als diese den Alternativgewerkschaftsbund Change to win begründet und abgespalten hatte - dieser Schritt wurde rückgängig gemacht, nachdem die nachgeradezu bonapartistische Modernisierungspolitik des SEIU-Vorsitzenden Stern immer mehr Kritik hervorgerufen hatte), siehe etwa "UNITE HERE Rejoins AFL-CIO" externer Link am 17. September 2009 im AfL-Blog.

Zum anderen die Wahl des neuen Vorsitzenden. Trumka war einst einer jener Bergarbeiter, die zu Rechtsanwälten wurden, weil sie Joseph Yablonskis Kampf um die Demokratisierung der Bergarbeitergewerkschaft unterstützten und ihn fortführten, als dieser mit seiner ganzen Familie 1969 ermordet wurde - der damalige Gewerkschaftsvorsitzende Tony Boyle wurde später als Auftraggeber zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Herman Benson schreibt am 17. September 2009 in seinem "Union democracy Blog": "When-hailing-Trumka-remember-Yablonski" externer Linkdarüber, dass diese ganze Geschichte in der offiziellen Darstellung von Trumkas Lebenslauf nicht enthalten ist...Zur Bilanz Trumkas als späterer Vorsitzender der Bergarbeitergewerkschaft gibt es eine ausgesprochen negative Bilanz in "Who is Richard Trumka?" externer Link von Jerry White am 17. September 2009 auf der "World Socialist Website". Kritische Anmerkungen zur Haltung des Gewerkschaftsbundes zu Obamas Krankenversicherungshaltung sind auch in " "Reform"? We'll take it!" externer Link von Jane Slaughter am 14. September 2009 im Labornotes-Blog enthalten.

Eine (ziemlich) andere Welt...

... wird ebenfalls im Labornotes-Blog von Mark Brenner in "Now For Something Completely Different: Dispatches from the UE Convention" externer Link am 14. September 2009 geschildert: Der Kongress der UE in New Haven. Wo in Pittsburgh 1.000 Delegierte rund 11 Millionen Mitglieder vertreten sollten, waren bei der kleinen unabhängigen UE gerade einmal 35.000 Mitglieder verzeichnet - wenn auch deutlich ansteigend. Einen Überblick über die Entwicklung gibt der Beitrag "Organizing Headlines" externer Link auf der UE-Seite vom 14. September 2009. Die UE hatte insbesondere nach dem allgemein bekannt gewordenen Kampf bei Republic, mit erfolgreicher Betriebsbesetzung, in verschiedenen Sektoren Zulauf bekommen und dort auch organisiert, so auch etwa öffentliche Bedienstete in solchen Bundesstaaten, die ihren Beschäftigten Gewerkschaftsrechte vorenthalten.

Vom selben Tag ist auch der Bericht "Delegates Rally for Healthcare; Labor Law Reform" externer Link in dem deutlich wird, dass die UE in ihrer Haltung für eine wirklich öffentliche und allgemeine Krankenversicherung durchaus Unterstützung weit über ihre Reihen hinaus findet. Und selbstverständlich waren auch die langjährigen Verbündeten der UE, etwa verschiedene oppositionelle mexikanische Gewerkschaften nicht nur als Gäste anwesend, sondern diskutierten auch mit. Weitaus weniger professionell organisiert als der AfL-Kongress: Das wird zwischen den Zeilen deutlich. Aber auch mit dem guten Recht der von der Mitgliedschaft direkt gewählten Delegierten, von der Tagesordnung bis zu den Inhalten zu ändern, was sie wollen. Und beispielsweise mit Debatten weniger über die Wirtschaft im Allgemeinen, sondern mehr und direkt etwa gegen die Vertreibungen in Zahlungsnot geratener Werktätiger aus ihren Häusern durch die Banken und ihre Sheriffs...einiges davon auf der UE-Nachrichtenseite "UE News" externer Link zu finden...

Eine durchaus ziemlich andere Welt...

Zusammengestellt von hrw


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