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Updated: 18.12.2012 15:51
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SEIU-Gewerkschaftstag: Auf dem Weg zur größten Gewerkschaft der Welt? Schön. Wozu?

In zwölf Jahren die Mitgliederzahl verdoppelt: 2 Millionen. Mit mehreren erfolgreichen aktuellen Organisationskampagnen, die längst noch nicht abgeschlossen sind, wäre eine nicht gänzlich unbekannte deutsche Dienstleistungsgewerkschaft überholt, der Versuch die Lehrergewerkschaft von Puerto Rico zu "übernehmen" (etwa nach dem GHK-Muster), sowie die Gespräche über eine Fusion mit Unite Here - das wären dann endgültig mehr auch als die IG Metall. Formuliert hat das Ziel niemand - und was Andrew Stern und Bruce Raynor beim Bier oder on the rocks oder sonstwie besprochen haben, weiss höchstens die Telekom. Im Vorfeld des Gewerkschaftstages der SEIU diese Woche in San Juan waren aber Debatten zu registrieren, die immer heftiger werden: Zum einen, das Modell der von der Zentrale angestellten Gewerkschaftssekretäre stößt auf erbitterten Widerstand (das gibts noch). Aber während oft genug deutsche Gewerkschaftssekretäre in Verteidigung ihres Jobs und Arbeitgebers zu geistigen und politischen Bankrotterklärungen Zuflucht nehmen (etwa in der Art "Wahlen durch die Mitgliedschaft würden Populismus hervorbringen"), ist der SEIU-Vorsitzende Andrew Stern in seiner Begründung für nötige Veränderungen schon klüger. Die große inhaltliche Debatte aber sind die "modernen Abkommen" von denen auch SEIU bereits einige abgeschlossen hat: Grob gesagt Organisationsfreiheit gegen Stillhalteabkommen. Es geht aber auch um Auseinandersetzungen im Pflegebereich - und um eine weltweite Kampagne gegen private equity Unternehmen...Eine Material- und Meinungssammlung "Zum Gewerkschaftstag der SEIU" vom 4. Juni 2008 soll Einblick in die wesentliche aktuelle Gewerkschaftsbewegung der USA geben.

Zum Gewerkschaftstag der SEIU

Der Gewerkschaftstag der SEIU entspricht nicht unbedingt dem Erwarteten: Die Mainstream-Medien der USA berichten ausführlich, alle landesweiten Zeitungen, inklusive Fernsehnachrichten. Und auch die alternativen Medien berichten - und es gibt jede Menge Diskussionen.

So gab es beispielsweise in dem populären Blog "Daily Kos", der täglich rund 600.000 LeserInnen hat, den Beitrag "Union Strategy, Union Democracy" externer Link von Miss Laura am 27. April 2008 - der immerhin rund 140 Kommentare nach sich zog: ein lesenswerter Stoff, weil hier im Vorfeld des Gewerkschaftstages alle denkbaren Positionen zu Wort kommen. Der Beitrag selbst wirft ein Licht auf verschiedene gewerkschaftsinterne Auseinandersetzungen, insbesondere die "doppelte kalifornische" Auseinandersetzung mit der dortigen eigenen Opposition im Gesundheitsbereich und der konkurrierenden Schwesterngewerkschaft CNA. In den Kommentaren gibt es beinahe alles: Nicht zuletzt aber harsche Kritik aus Colorado, wo die SEIU ein Abkommen unterzeichnet hat, das das Streikrecht der Landesangestellten einschränkt.

Ebenfalls im Vorfeld des Gewerkschaftstages entstand der Beitrag "Attacks on Reformers Have Long History in Labor Movement" externer Link von Steve Early in der Maiausgabe 2008 der Labornotes. Er ordnet die SEIU-Opposition um den United Healthcare Workers-West (UHW) Vorsitzenden Sal Rosselli in die Geschichte der diversen gewerkschaftlichen Oppositionsbewegungen ein und unterstreicht, dass diese Bewegung es immerhin jetzt bereits geschafft habe, die Debatten öffentlich zu machen und das monolithische Bild der SEIU in Frage zu stellen. Auf der Homepage der kalifornischen Sektion ist auch der Resolutionsvorschlag für den Kongress: "UHW Proposed Constitutional Amendments for SEIU Convention" externer Link pdf-Datei der seit Januar 2008 zur Debatte steht.

Eben dieses monolithische Bild - wenn auch nicht mehr so heftig wie bei früheren Anlässen - will der offizielle SEIU-Blog zum Gewerkschaftstag 2008 externer Link wieder beleben...dabei kommt hin und wieder aber auch das eine oder andere, was kritisiert wurde zum Vorschein: dass das Kongresszentrum einer "High Security Area" gleiche und manches andere mehr. In der Berichterstattung über Abstimmungen fällt auf, dass nur mitgeteilt wird, was verabschiedet wurde, aber keine Stimmanteile genannt. Der Schwerpunkt der dortigen Berichterstattung sind die Kampagne "Justice for all" mit der - nicht zuletzt durch die Unterstützung der Kandidatur Barack Obamas - Krankenversicherung für alle Wirklichkeit werden soll sowie die "einzigartige" weltweite Kampagne gegen private equity Unternehmen - etwa die berüchtigte KBR. Die Abschlussrede Andrew Sterns war im letzten Teil ausschliesslich der "Healthcare" Kampagne gewidmet und ist mit Sätzen wie "es kann nicht darum gehen, was Dir passiert - es geht darum, was Du passieren machst" sicherlich repräsentativ für seinen Politik und Führungsstil: "Andy Stern's Healthcare Pledge" externer Link vom 4. Juni 2008 bei YouTube. (Und die Frage erhebt sich, warum der Satz nicht auch innerhalb der Gewerkschaft gelten sollte...)

Blogs von (oppositionellen) Delegierten und (kritischen) Gewerkschaftsjournalisten über den Verlauf des Kongresses gibt es bei den SEIU Member Activists for Reform Today (SMART) externer Link, von Mark Brenner bei Labornotes externer Link der auch über den Protest der puertorikanischen Lehrergewerkschaft FMPR auf dem SEIU-Kongress externer Link berichtet, sowie natürlich eine ganze Reihe von Berichten die beim LabourNet USA gesammelt sind - so etwa "Labor's Growing Pains" externer Link von Esther Kaplan bei "The Nation" vom 29. Mai 2008 wo noch einmal sehr ausführlich die Geschichte der Auseinandersetzung im Gesundheitssektor analysiert wird. Das tun auch, ausgehend von dem Modell-Abkommen der Seiu mit den Catholic Healthcare Partners (CHP) in Ohio die beiden Delegierten Brian Cruz und Larry Bradshaw in ihrem Beitrag "Roots of the crisis in the SEIU" externer Link vom 25. April 2008 beim "Socialist Worker". Jede Menge kritische Beiträge auch auf der Mailingliste "Fight for 347" externer Link der entsprechenden regionalen Organisation. Die Debatten auf all diesen Sites drehen sich logischerweise stets und vor allem um die Frage, wozu es gut ist, zu wachsen, wenn dies mit (zumindest partiellen) Stillhalteabkommen verbunden ist, was die ArbeiterInnen davon haben, solch einer Gewerkschaft anzugehören. Diese Auseinandersetzung hat eben erst begonnen...

(Zusammengestellt von hrw)


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