Home > Internationales > Türkei > emep | |
Updated: 18.12.2012 15:51 |
Istanbul: Faschisten entführen und foltern Jugendliche Erhan Batga und Hüseyin Kiyak, zwei Mitglieder der EMEP-Genclik (Jugendorganisation der Partei der Arbeit), wurden am vergangenen Freitag Mitten in Istanbul von Faschisten verschleppt und gefoltert. Polizei und Regierung schauen dem faschistischen Terror tatenlos zu. Im Barbaros Hayrettin Pasa Park hatten sich Erhan und Hüseyin mit Schülervertretern getroffen, um über eine bevorstehende Schülerversammlung zu sprechen. Beim Verlassen des Parks wurden sie von 10-15 Personen überrascht, die sie zwangen, in ein Auto zu steigen. Ein gewisser „Reis“ (Führer) möchte mit ihnen sprechen, habe man ihnen gesagt, erzählt Batga. Dann seien sie zum Idealistenverein (Vereine der faschistischen „Partei der Nationalistischen Bewegung“ MHP) im Stadtteil Günesli gebracht worden, wo eine Meute von 15 Personen sie empfangen habe. Zunächst versuchte man, Informationen aus den beiden Jugendlichen heraus zu kriegen. Welcher Organisation sie angehören und warum sie Flugblätter verteilt haben, wollte man von ihnen wissen. Batga und Kiyak erzählten ihnen von der Schülerversammlung. Nachdem man ihnen die Handys, Brieftaschen und Ausweise abgenommen hatte, mussten sie auf den Vorsitzenden „Reis“ warten. „Als er eintraf, verließen alle bis auf vier Personen den Raum. „Sie fragten mich, woher ich komme. Als ich antwortete, dass ich aus Bingöl (Stadt im Osten der Türkei) stamme, begannen sie mich mit einem Knüppel zu schlagen“, schildert Batga die Misshandlungen. „Sie beschimpften uns und brüllten 'Kommunisten', 'Terroristen'. Danach brachten sie Hüseyin in ein anderes Zimmer. Mit einem Feuerzeug hatten sie ihm den Bart angezündet. Ich musste eine lauwarme Flüssigkeit trinken. Sie brachten leere Colaflaschen und zogen mich bis auf die Unterhose aus. Sie zwangen mich Haltung anzunehmen und die Nationalhymne zu singen. Ich kniete auf dem Boden und sie schlugen erneut auf mich ein. Als sie merkten, dass die Polizei eingetroffen war, versuchten sie mich schnell anzuziehen. Ich bewegte mich aber nur ganz langsam. Sie brachten mich auf die Terrasse. Dort sah ich Hüseyin wieder. Kniend mussten wir warten. Tritte und Faustschläge hagelten erneut auf uns nieder. Ich lag am Boden und merkte, wie ein uniformierter Polizist um mich herum ging. Obwohl er sah, was los war, unternahm er nichts. Erst ein zweiter Polizist, der dazu kam, griff ins Geschehen ein und nahm die Personalien der Täter auf. Anschließend brachten die Polizisten uns zur Wache.“ Hüseyin, der in ein anderes Zimmer gebracht worden war, hatte man gezwungen, einen Marsch zu singen. Dann hat man ihn auf die Terrasse gebracht, wo er von „Reis“ bedroht wurde: „Ist das Leben nicht schön? Wenn wir dich von der Terrasse runterschmeißen, kräht kein Hahn danach. Wir sagen, du wärst beim Putzen runtergefallen.“ Die Täter werden gedeckt Erhan Batga und Hüseyin Kiyak brachten den Vorfall zur Anzeige. Es stellte sich heraus, dass vier von den sieben Anwesenden unter 18 Jahren waren. Batga und Kiyak konnten zwei der Täter identifizieren, die anderen fünf aber waren nicht an der Tat beteiligt. Die Tatsache, dass überwiegend Minderjährige zur Wache gebracht wurden, lässt erahnen, dass die Polizei die Täter zu decken versucht. Polizei schaut zu Auch am Samstag Abend machten Mitglieder des Idealistenvereins jagt auf Andersdenkende. Im Istanbuler Stadtteil Bagcilar demonstrierte eine mit Einsenstangen und Messern bewaffnete Gruppe. Anschließend verprügelten sie einen Ladenbesitzer wegen seiner kurdischen Abstammung. Die Polizei griff während der Vorfälle kein einziges Mal ein. Schließt die Idealistenvereine Ein Bündnis von Menschenrechtsvereinen und politischen Parteien protestierte am Samstag gegen die faschistischen Übergriffe. In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten sie die Serie von Übergriffen. „Die Hintermänner dieser Angriffe wollen eine Links-Rechts-Ausschreitung provozieren. Sie wollen die Bestrebungen des Volkes nach Freiheit und Demokratie mit den Übergriffen in eine andere Bahn lenken. Doch das werden wir zu verhindern wissen“, hieß es dazu. Bis auf eine halbherzige Erklärung des Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan 10 Tage nach den ersten Übergriffen, sei die Regierung tatenlos geblieben. Sie hätte bisherige Vorfälle heruntergespielt und durch ihre Passivität die Täter motiviert. Die Vorfälle in Samsun, Trabzon, Sakarya und zuletzt in Istanbul Bagcilar hätten erneut gezeigt, dass die Idealistenvereine „Horte des Terrors“ sind. „Diese Vereine müssen geschlossen und ihre Vorstände verhaftet werden“, fordert das Bündnis. Artikel der Zeitung "Evrensel" vom 18. April 2005 |