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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Türkische Gewerkschafter in Freiheit - Erfolg einer internationalen Solidaritätskampagne Mit der Freilassung aller Angeklagten endete Freitag Abend ein vielbeachteter Prozess gegen die türkische Transportarbeitergewerkschaft TÜMTIS. Hunderte Gewerkschafter und Anhänger linker Parteien, darunter auch der Parlamentsabgeordnete der Freiheits- und Solidaritätspartei ÖDP Ufuk Uras, hatten zur Unterstützung der angeklagten Tümtis-Funktionäre den ganzen Tag vor dem Gericht in Ankara ausgeharrt. Der Vorsitzende der klassenkämpferischen Transportarbeitergewerkschaft TÜMTIS, Nurettin Kilicdogan, war zusammen mit sechs weitere Funktionäre seit dem 20.November 2007 in Haft. Aufgrund zweiter gewerkschaftlicher Organisationskampagnen wurden sie der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" beschuldigt. Darauf drohen Haftstrafen zwischen 15 und 60 Jahren und ein Verbot der Gewerkschaft. Zwar soll der Prozess im Oktober fortgesetzt werden, doch Beobachter rechnen dann mit einer Verfahrenseinstellung. "Der Versuch des türkischen Staates, Gewerkschaften als kriminelle Vereinigungen zu illegalisieren, ist gescheitert", meint Selahattin Yildirim von der Gewerkschaft NGG in Dortmund zu junge Welt. "Das ist ein riesiger Erfolg der internationalen Solidarität." Yildirim hatte eine deutschlandweite Solidaritätskampagne für die Kollegen in der Türkei organisiert und hunderte Betriebsräte, Vertrauensleute und Gewerkschaftsfunktionäre sowie zahlreiche Landtags-, Bundestags- und Europaabgeordnete für einen Solidaritätsufruf gewinnen können. Aus Deutschland war eine Delegation nach Ankara zum Prozess geflogen. Eine Beobachterdelegation hatte auch die in London ansässige Internationale Transportarbeiterföderation ITF geschickt, der die TÜMTIS angeschlossen ist. Solidarität mit seinen verfolgten Kollegen zeigte in Ankara selbst ein Vertreter der im Iran selber staatlicher Verfolgung ausgesetzten Teheraner Busfahrergewerkschaft Vahed. Weiterhin befinden sich in der Türkei Mitglieder der Telekommunikationsgewerkschaft Haber-Is wegen ihrer Beteiligung an einem Streik von 30.000 Telekom-Beschäftigten im November 2007 in Haft. Aufgrund des Vorwurfs auf "Bildung einer kriminellen Vereinigung" wurden sie zu fünf Jahren Haft verurteilt. Auch Meryem Özsögüt, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft der Beschäftigten im Gesundheitswesen SES, wurde wegen ihres Protestes gegen eine Polizeirazzia, in deren Verlauf es zur Erschießung einer Frau kam, festgenommen und ist seit 3 Monaten inhaftiert. Unterdessen kündigte der zweitgrößte Gewerkschaftsverband der Türkei, die Konföderation der Revolutionären Arbeitergewerkschaften DISK, ihren Austritt aus der Internationalen Arbeitsorganisation ILO an. Damit protestierte der linksgerichtete Verband gegen die fehlende Umsetzung von ILO-Richtlinien über gewerkschaftliche Freiheiten durch die türkische Regierung. Nachdem Ende Mai die Beratung über die Änderung des Gewerkschaftsgesetzes im Parlamentsausschuss für Arbeit und Soziales begonnen hatten, kritisierte der DISK-Vorsitzende Süleyman Celebi die von der Regierung vorgesehenen Änderungen als unzureichend, um den Anforderungen der ILO-Normen gerecht zu werden. Celebi erklärte, dass das Gesetz weiterhin dem Geist des Militärputsches von 1980 folge. "Die türkischen Arbeiter werden wieder einmal mit antidemokratischen, restriktiven Gesetzen allein gelassen, die es ihnen nahezu unmöglich machen, ihre gewerkschaftlichen Rechte zu nutzen", heißt es in einer am Freitag 6.Juni verbreiteten Erklärung. Einige wenige Verbesserungen enthält der Gesetzentwurf dennoch. So soll die bislang notwendige notarielle Bestätigung beim Gewerkschaftsbeitritt aufgehoben und senkt das Mindestalter für die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft von 16 auf 15 Jahre abgesenkt werden. Gewerkschaften dürfen zukünftig eine Niederlassung im Ausland eröffnen und sich an internationalen Projekten beteiligen. Artikel von Nick Brauns, zuerst erschienen in der jungen Welt vom 08.06.2008 |