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Updated: 18.12.2012 15:51 |
EU-Binnenmarkt als Zivilisator Hasan Arslan * zur Änderung der Arbeitsgesetzgebung in der Türkei vor dem EU-Beitritt Die nationalistisch und rassistisch aufgeladene Diskussion über den möglichen EU-Beitritt der Türkei, von namhaften Verfassungsrechtlern, Philosophen und Gesellschaftswissenschaftlern mit dem kruden Vorurteil einer angeblichen Unverträglichkeit zwischen freiheitlich-christlich-abendländischer und despotisch-fundamentalistisch-morgenländischer Kultur unterfüttert (man denke nur an die zivilisatorischen Segnungen unserer Kreuzzugs- oder Inquisitionskultur!), musste bekanntlich anderen Schlagzeilen mit nicht minder aufklärerischem Gehalt weichen. Gegen solchen Zeitgeist hat Hasan Arslan, langjähriger Mitarbeiter des tie-Bildungswerks und Gewerkschaftssekretär in der Türkei, für uns recherchiert, worin die Anpassungsleistungen an die zivilisatorische Kraft des EU-Binnen-marktes hinsichtlich der rechtlichen Situation insbesondere für die Lohnabhängigen und die gewerkschaftliche Interessenvertretung bestehen. Es deutet alles darauf hin, dass u.a. deutsche Unternehmen (wie Metro, s. express, Nr. 1/2004) auch weiterhin die arbeits- und menschenrechtlich sowie gewerkschaftlich ungeschützte Lage der Lohnabhängigen dort für sich nutzen können. Bei 70 Mio. EinwohnerInnen, geschätzten 12 Mio. Jobs (davon 5,6 Mio. offiziell registriert und sozialversicherungspflichtig) und geschätzten 1,2 Mio. »echten« Gewerkschaftsmitgliedern ein weites und freies Feld der Ausbeute. Durch den Druck von Gewerkschaften auf nationaler und internationaler Ebene, der ILO und insbesondere in Folge der Beitrittsverhandlungen zur EU mussten türkische Regierungen wiederholt versprechen, Gesetze nachzubessern bzw. den EU-Richtlinien und ILO-Normen anzupassen. So auch die Arbeitsgesetze und die Gesetzgebung zu Tarifverträgen und Gewerkschaften. Verschiedene türkische Regierungen haben zudem versprochen, dass sie international anerkannte Rechte, die auch vom türkischen Staat ratifiziert sind, in nationale Gesetze umsetzen würden. Dass daran kein ernsthaftes Interesse besteht, zeigte sich spätestens im Mai 2003, als das neue Arbeitsgesetz vom Parlament verabschiedet wurde, aber auch an den mittlerweile vorliegenden Gesetzentwürfen zu den Rechten der Gewerkschaften, zu Streik, Aussperrung und Tarifverträgen. Arbeitsgesetz: kosmetische Korrekturen Im neuen Arbeitsgesetz sollte eine »Arbeitsplatzgarantie« im Sinne eines verbesserten Kündigungsschutzes enthalten sein, Entlassungen sollten damit nicht mehr so einfach wie früher möglich sein. Quintessenz des seit Mai 2003 geltenden Arbeitsgesetzes: Zwar haben sowohl die einzelnen Beschäftigten als auch die Gewerkschaften im Falle von Entlassungen nun bei Arbeitsgerichtsprozessen bessere Karten in Bezug auf die Wiedereinstellung, doch Kündigungen werden damit nicht behindert. Nach wie vor können die Beschäftigten von den Unternehmern einfach auf die Straße gesetzt werden. Nach dem neuen Gesetz müssen die Arbeitgeber zwar vor einem Arbeitsgericht nachweisen, dass sie den betroffenen Beschäftigten zu Recht gekündigt haben - was einer Umkehr der Beweislast entspricht, denn nach dem alten Gesetz (Nr. 1457) mussten die Betroffenen beweisen, dass sie zu Unrecht gekündigt worden sind. Faktisch macht es aber nicht viel aus, wenn die Arbeitgeber dies nicht beweisen: In einem solchen Fall wird der Arbeitsrichter zwar auf Wiedereinstellung entscheiden (müssen). Weigert sich der Arbeitgeber dann aber immer noch, den betroffenen Arbeiter wieder einzustellen, kann der Richter höchstens von ihm verlangen, dass er eine zusätzliche Abfindung in der Höhe von rund einem Jahreseinkommen an den Arbeiter zahlen muss. Seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes hat sich entsprechend gezeigt, dass Tausende von ArbeiterInnen zwar zu Unrecht gekündigt, aber nur wenige von ihnen wieder eingestellt worden sind - und das nur, weil manche Arbeitgeber die zusätzlichen Abfindungen für zu hoch halten. Alle anderen Kollegen sind ihren Job los. In der Praxis gibt es also keinen funktionierenden Kündigungsschutz. Gerade wenn Beschäftigte sich entschließen, sich gewerkschaftlich zu organisieren, müssen sie nicht nur damit rechnen, dass sie ohne weiteres auf die Straße gesetzt werden können, sondern in der Folge auch - aufgrund ihrer Stigmatisierung als Gewerkschaftsmitglieder - eine längere Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen müssen. Zwar gibt es hierzu keine offiziellen Angaben seitens der Arbeitgeber, doch es ist davon auszugehen, dass nur etwa jeder sechste betriebliche Organisierungsversuch gelingt. Fehlanzeige auch bei den Informationsrechten im Betrieb. Die Unternehmensvertreter müssen den Beschäftigten und ihren Vertretern weder über die Entwicklung der Unternehmensfinanzen, die Auftragslage etc. noch über Zukunftsplanungen des Unternehmens Angaben machen. Zur Arbeitssicherheit und zum Arbeitsschutz im Betrieb existiert zwar ein gutes Gesetz - doch für die Umsetzung fehlt jede begleitende Maßnahme. Das heißt, dass die Unternehmer nicht gezwungen werden können, Forderungen und Vorlagen des Ausschusses für Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz umzusetzen. Einziges Sanktionsinstrument sind Geldstrafen, doch diese sind so geringfügig, dass sie leicht zu bezahlen sind. Noch einfacher ist es, die Behörden zu bestechen, wovon durchaus Gebrauch gemacht wird. Selbst wenn sich der Ausschuss für Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz, in dem die Arbeitnehmer-Vertreter ohnehin in der Minderheit sind [1], für eine Maßnahme entscheidet, heißt das also noch lange nicht, dass diese auch umgesetzt wird. Wenn den Unternehmen die Kosten für die Maßnahmen zu hoch erscheinen, dann setzen sie diese nicht um. Solange die Arbeitgeber nicht per Gesetz verpflichtet werden, Beschlüsse dieses Gremiums umzusetzen, wird sich an dieser Praxis auch nichts ändern. Nichts Neues für die Gewerkschaften Außerdem hat die neue Regierung Entwürfe für ein Gewerkschaftsgesetz (Nr. 2821) sowie für ein Gesetz über Streik, Aussperrung und Tarifverträge (Nr. 2822) vorgelegt. Hier werden international geltende Maßstäbe nicht erreicht - was freilich auch gar nicht die Absicht war. Internationale Normen wie z.B. die Freiheit der gewerkschaftlichen Organisierung werden mit Füßen getreten. Denn nicht alle Beschäftigten dürfen sich in Gewerkschaften organisieren. So darf ein Teil der Beamten und öffentlichen Angestellten, nämlich diejenigen, die bei der Polizei beschäftigt sind, sich noch nicht einmal gewerkschaftlich organisieren. Ein anderer Teil ist zwar mittlerweile gewerkschaftlich organisiert, hat aber nach wie vor kein Tarifrecht, also auch kein Streikrecht, wie z.B. die Lehrer. Die Gewerkschafts-Konföderation KESK (der Dachverband der Angestelltengewerkschaften im Öffentlichen Dienst; Anm. d. Red.) kämpft seit Jahren um diese Rechte. Wenn man sich in einer Gewerkschaft organisieren will, ist es immer noch so, dass man vorher zum Notar fahren und dort unter notarieller Aufsicht in eine Gewerkschaft eintreten muss; das gleiche gilt für den Austritt. Dies dient, wie leicht erkennbar ist, lediglich der Einschüchterung der Beschäftigten - zumal der Ein- und Austritt auch noch während der Arbeitszeit erfolgen sollen. Damit möchte der Gesetzgeber die gewerkschaftliche Organisierung möglichst verhindern. Auch die freie Wahl einer Gewerkschaft ist gesetzlich nicht geschützt. Immer noch ist es damit möglich, dass die Beschäftigten massenhaft vom Arbeitgeber zum Notar gefahren und dort zum Eintritt in eine Gewerkschaft, die dem Arbeitgeber >lieb< ist, gezwungen werden. Damit verhindern die Arbeitgeber, dass solche Gewerkschaften die Arbeiter im Betrieb organisieren, die dem Arbeitgeber auf die Finger sehen und denen gegenüber der Arbeitgeber nicht einfach machen kann, was er will. In dieser Frage wird von einem Teil der Gewerkschaften, mehrheitlich von der DISK und ihren Einzelgewerkschaften, ein Referendum gefordert. Danach sollen die Beschäftigten eines Betriebes selber in geheimer Wahl und bei offener Auszählung vor den Beschäftigten entscheiden, in welcher Gewerkschaft sie Mitglied werden möchten. Die Gewerkschaften reagieren damit auf die genannten Missstände und auf die bisherige Regelung in der türkischen Gesetzgebung. Demnach ist pro Betrieb oder Unternehmen nur eine Gewerkschaft befugt, die Belegschaft zu vertreten und einen Tarifvertrag auszuhandeln. Nach wie vor haben die Gewerkschaften also große Schwierigkeiten bei der betrieblichen Interessenvertretung und bekommen gesetzlich nicht genügend Rückendeckung, insbesondere wenn sie von der Geschäftsführung unerwünscht sind. Quoten und Justiz gegen Organisierung Ein zentrales Problem gewerkschaftlicher Organisierung stellt auch der branchenorientierte Organisierungszwang dar, der dazu dient, die gewerkschaftliche Organisierung zu schwächen bzw. teilweise sogar zu verhindern. Wenn eine Gewerkschaft in einem Betrieb oder Unternehmen einen Tarifvertrag aushandeln will, dann muss sie erst die bisher geltende vom Gesetz vorgeschriebene Hürde von mindestens zehn Prozent Organisationsgrad in der Branche überspringen. Das heißt, wenn z.B. die in der Metallbranche beim türkischen Arbeits- und Sozialministerium angemeldete Zahl der Beschäftigten insgesamt 600000 ist, dann muss die Gewerkschaft 60000 notariell bestätigte Mitgliedschaften nachweisen. Erst dann kann sie in einem Betrieb mit dem Arbeitgeber einen Tarifvertrag rechtlich aushandeln. Aber es ist nicht die zehn Prozent-Hürde allein, die es den Gewerkschaften bislang schwer macht. Die Gewerkschaft muss zusätzlich noch die Mehrheit in einem Betrieb bzw. - bei mehreren Produktionsstätten eines Unternehmens - in einem Unternehmen nachweisen. Das heißt, sie muss einen betrieblich vorgeschriebenen Organisationsgrad von 50 Prozent plus 1 erreicht haben; und auch das muss sie nachweisen. Wenn sie dies nicht kann, kann sie auch keinen Tarifvertrag aushandeln. Ein Beispiel: Nehmen wir an, eine Gewerkschaft hat in einem Betrieb eines Unternehmens 60 Prozent Organisationsgrad erreicht und möchte mit dem Arbeitgeber einen Tarifvertrag aushandeln. Das geht nicht, weil das Gesetz 50 Prozent plus 1 im gesamten Unternehmen verlangt. So sind die Spielregeln eines Staats, der gewerkschaftliche Organisierung möglichst verhindern will. Auch der neue Entwurf der türkischen Regierung bringt hier nicht viel Neues. Es bleibt eigentlich bei der alten undemokratischen Gesetzgebung. So wurden zwar die erforderlichen Organisationsgrade in einer Branche von zehn auf fünf Prozent heruntergesetzt, doch eine faktische Erleichterung stellt dies nicht dar. Denn zugleich wurde festgelegt, dass es künftig nur noch 17 Branchen geben soll. Indem also viele Branchen zusammengelegt wurden, wurde auch die Gesamtbeschäftigtenzahl in der Branche erhöht. Wenn es, um im Beispiel zu bleiben, vorher 600000 Beschäftigte insgesamt waren, erhöht sich die Zahl durch die Zusammenlegung von zwei oder drei Branchen entsprechend nach oben, so dass die Gewerkschaften jetzt noch mehr Mitglieder nachweisen müssen. Auch an der 51-Prozent-Quote wurde in dem neuen Gesetzentwurf nichts geändert. Es gibt darüber hinaus noch ein weiteres Problem, das der gewerkschaftlichen Organisierung große Schwierigkeiten bereitet, wenn nicht diese sogar ganz verhindert. Das sind die sehr langen Fristen, die die türkischen Ämter für die Bestätigung der Tariffähigkeit der Gewerkschaften haben. Es braucht derzeit zwei bis sechs Jahre, bis die Gewerkschaften über Arbeitsgerichte und dann schließlich über das Arbeits- und Sozialministerium das Recht (in Form eines Bestätigungsschreibens) bekommen, dass sie in einem Betrieb oder Unternehmen einen Tarifvertrag aushandeln dürfen. Diese zeitaufwändigen juristisch vorgeschriebenen Schritte verhindern die Organisierung. Eine Geschäftsführung in einem gewerkschaftlich organisierten Betrieb muss bloß Klage erheben, dass die gesetzliche Quote der Gewerkschaft nicht erfüllt ist, auch wenn dies nicht stimmen würde. Dann brauchen die Gewerkschaften eine sehr lange Zeit, bis sie beim Arbeitsgericht bewiesen haben, dass die Gewerkschaft zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Tariffähigkeit doch die Mehrheit hatte. Aber das nützt weder uns noch den Kollegen etwas, weil sie während dieses Zeitraums vielleicht entlassen worden sind. Und wenn es uns trotz aller Schwierigkeiten schließlich doch gelingt, das Bestätigungspapier in die Hände zu bekommen, kann der Unternehmer immer noch sagen: »Ich verhandele nicht mit Euch«, weil er weiß, dass von den >alten< Mitgliedern nur noch wenige im Betrieb sind und die neu Eingestellten Angst haben, sich zu organisieren... Keine Mitglieder, kein Streik! Wenn es trotz allem dazu kommen sollte, dass eine Gewerkschaft in den Streik tritt, dann gibt es da immer noch eine Regierung, die dem Kapital den Rücken frei hält: Der Ministerrat kann auf Grundlage der geltenden Gesetzeslage fast jeden Streik für 60 Tage aussetzen. So hat er vor Kurzem den Streik der Beschäftigten der Müllabfuhr aussetzen lassen, was nichts anderes hieß, als diesen zu beenden - ebenso den Streik der Beschäftigten in der Glas- und Scheibenherstellung. Mit EU-Standards hat das alles wenig zu tun. Zu befürchten ist allerdings, dass die EU vielleicht gar nicht zum Ziel hat, die Standards in Ländern wie der Türkei nach oben zu schrauben, sondern eher die hohen Standards in den EU-Ländern nach unten zu drücken. Wir können das in Bezug auf die Arbeitslosigkeit, bei Entlassungen, beim Abbau von Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung in den EU-Ländern feststellen. Entsprechend hatten die EU-Kommissare all dies auch nicht zur Bedingung gemacht für eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU. Die Rolle der Dachverbände Es gibt - neben dem Angestelltenverband KESK - drei Dachverbände bei den gewerblichen ArbeiterInnen: Türk-Is, DISK und HAK-IS. HAK-IS ist der pro-islamistische Dachverband, der der Regierung sehr nahe steht. Der Vorsitzende des HAK-IS ist auch Berater des Ministerpräsidenten. Von HAK-IS kann nicht erwartet werden, dass der Dachverband gegen die Interessen des Kapitals und die eigene Regierung handelt und auf Änderungen drängen wird. Die Türk-Is als die größte Konföderation hatte seit ihrer Gründung nie das Ziel, ernsthaft für die Interessen der Beschäftigten einzutreten und gegen Kapital und Regierungen etwas zu unternehmen. Sie hatte gleich nach dem faschistischen Militärputsch am 12. September 1980 ihren Generalsekretär Sadik Side als Arbeitsminister in die Putschisten-Regierung entsandt. Von dieser Linie ist der Dachverband nie auch nur einen kleinen Schritt abgewichen, seiner pro-kapitalistischen Linie ist er ebenfalls treu geblieben. Türk-Is profitiert derzeit von den nicht-demokratischen Gesetzen und würde bisherige Machtposition verlieren, wenn die Gesetzgebung demokratischer und die gewerkschaftliche Organisierung auch für die Mitgliedsgewerkschaften der anderen Gewerkschaftsdachverbände vereinfacht würde. Es gibt bei der Türk-Is allerdings auch Ausnahmen wie die Einzel-Gewerkschaften Petrol-Is, Hava Is, Tez Koop Is, Deri Is und TÜMTIS, die teilweise gegen diese Gesetze aktiv werden. Doch bislang zumindest hat dies nicht gereicht; gegen die politische Linie von Türk-Is können die Untergliederungen als Minderheit derzeit nichts machen. Hinsichtlich ihrer Haltung zum EU-Beitritt unterscheiden sich die bislang aufgeführten Dachverbände nicht wesentlich. Sie sind alle dafür, dass die Türkei Mitgliedsstaat der EU werden soll. Differenzen liegen eher im Detail. So möchte die Türk-Is, dass die Interessen des türkischen Staats besser geschützt werden sollen als wie bisher. Innerhalb der Türk-Is gibt es einzelne Verbände wie Türk Metal, die sogar eher dafür sind, dass die Türkei enger mit den Islamisch-Türkischen Republiken zusammenarbeiten soll als mit der EU. Die Gewerkschaftskonfederation Hak-Is ist nach offiziellen Aussagen zwar für den EU-Beitritt, lässt in ihren Veröffentlichungen jedoch zugleich verlautbaren, dass es besser für die islamistische Türkei sei, wenn sie ihre Kooperation mit den Ländern des Islams ausbauen würde. Eine pro-islamistische und pro-türkische Politik lässt sich sowohl im praktischen Verhalten, als zum Teil in den Publikationen beider Dachverbände feststellen. Die dritte Gewerkschaftskonföderation, die DISK, vertritt dagegen im großen und Ganzen (bis auf wenige Mitgliedsgewerkschaften, die sich gegen einen EU-Beitritt aussprechen und ein sozialistisches Europa fordern) die Linie »Ja zum EU-Beitritt«, wobei sie darunter ein soziales Europa versteht - ähnlich wie etwa deutsche Gewerkschaften wie die IGM oder ver.di. Sie ist zugleich die einzige Konföderation, die gegen die nach wie vor undemokratische Gesetzgebung größere Aktionen gestartet hat. Gegen die Kontinuitäten des Putschismus Die DISK war von den Putschisten zwölf Jahre lang verboten. Erst nach 1992, nach dem Freispruch durch den obersten Gerichtshof in der Türkei, hat sie mit der Organisierung neu beginnen können. Heute ist sie ist der zweitgrößte Dachverband nach Türk-IS. DISK versucht mit ihren Einzel-Gewerkschaften nicht nur gegen diesen nicht-demokratischen Staat und seine Gesetze vorzugehen, sondern auch Aufklärungsarbeit über die damit zusammenhängen Probleme bei der ILO und bei den Internationalen Gewerkschaftsverbänden zu leisten. Seit Juni 2004 hat sie Aktionen geplant und durchgeführt mit dem Ziel, dass diese Gesetze so abgeändert werden, dass die EU-Richtlinien, aber auch ILO-Bestimmungen erfüllt werden. Die Losung für die langfristig angelegten Aktionen ist: »Wir werden die Ketten vom 12. September 1980 zerschlagen!« Obwohl der Organisationsgrad der Beschäftigten in der Türkei dafür eigentlich noch nicht hoch genug ist, haben wir begonnen, zu Aktionen aufzurufen - das braucht Mut, heute mehr als je! Die Kampagne zielt insgesamt darauf, die zum großen Teil immer noch gültigen Gesetze der Putschisten aufzuheben. Das beinhaltet das Grundgesetz, die Gesetze über Gewerkschaften, das Gesetz über Streik, Aussperrung und Tarifverträge etc. Es werden Kundgebungen im ganzen Land durchgeführt, um Druck für eine Änderung der putschistischen Gesetzgebung aufzubauen. Wir fordern außerdem, dass der Schutz, unter dem die Militärgeneräle von damals juristisch stehen, aufgehoben wird und dass diese Generäle vor Gericht gestellt werden. Alle politischen Häftlinge von damals müssen entschädigt werden und ihre Rechte zurück erhalten. Einige unserer Kundgebungen, die zum Teil auch vor Militärgefängnissen stattfanden, sowie unserer Konferenzen zu diesem Thema wurden sogar im Fernsehen übertragen - ein wichtiger Schritt in der Kampagne. * Hasan Arslan lebt in der Türkei und arbeitet dort als Gewerkschaftssekretär der DISK Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 4/05 (1) Es gibt keine getrennten und unabhängigen Ausschüsse für Unternehmens- und Belegschaftsvertreter.
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