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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Der Gewerkschaftskongress, der Sozialpakt und die Perspektiven Ende Dezember 2011 fand der 22. Gewerkschaftstag der UGTT statt. Der Gewerkschaftsbund, dessen Spitzen (und nicht nur diese, aber eben längst nicht alle) lange Jahre verläßliche Mitstreiter der Ali-Diktatur waren hatte eine wesentliche Rolle in den Umwälzungen gespielt - und tut dies noch. Über Verlauf, Ergebnisse, Bedingungen und Perspektiven unsere kurze Materialsammlung "22. Gewerkschaftskongress der UGTT" vom 12. Januar 2012. Der 22. Gewerkschaftskongress der UGTT - getrieben oder treibend? Der Beitrag "Tunisian Labor Union’s Congress Begins: What Shape Will Tunisia’s New Labor Movement Take?" von Ahmend Ellali erschien zu Kongressbeginn am 25. Dezember 2011 bei Tunisia Live. Der Autor befasst sich dabei - neben dem Überblick über die anstehende Tagesordnung - vor allem mit der Bedeutung der Gewerkschaftsföderation in Tunesien nach Ben Alis Sturz. Neben der generell wichtigen politischen Rolle, die der Gewerkschaftsbund bei der Erhebung im letzten Jahr hatte - ausgesprochen nicht wegen seiner extrem kompromittierten Führungsriege, sondern wegen zahlreicher kämpferischer BasisaktivistInnen, wird dabei auch auf die konkreten aktuellen auseinandersetzungen eingegangen: Dass die UGTT es beispielsweise erreicht hat, das Wirken von Subunternehmen im Bereich des öffentlichen Dienstes zu beenden - und daselbe Ziel nun auch in der Privatwirtschaft anstrebt. Wobei die Rolle dieser bis zu Alis Sturz einziger zugelassener, heute größter von drei Gewerkschaftsföderationen, auch aktuell keinesfalls eindeutig ist: Bei den kurz vor dem Kongress aufgeflammten Debatten um "Beiträge zum Wiederaufbau Tunesiens" (sprich konkret: Lohnverzicht für vier Arbeitstage) war die UGTT der einzige Verband, der grundsätzlich Zustimmung signalisierte, ergänzt durch die übliche Forderung nach sozialer Gerechtigkeit beim opfern, wird in dem Beitrag "Tunisie : l’UTT contre le prélèvement d’une seule journée de travail" von MKH am 20. Dezember 2011 bei investir en Tunisie deutlich: Die im März neu formierte UTT sprach sich direkt gegen jedes opfer bringen aus... Die komplexe Lage der UGTT wird auch in dem Kommentar zum Kongress "Tunisie : quelques commentaires sur le 22e congrès de l’UGTT" die die französische Union syndicale Solidaires am 03. Januar 2012 veröffentlicht hat deutlich: Vor allem anhand der Neuwahlen des Exekutivbüros. Dort sind neu vertreten nun beide Lehrergewerkschaften, die eine ganz herausragende Rolle beim Sturz Ben Alis gespielt haben, statt bisher nur einer, und es sind auch Gewerkschafter aus den Phosphatminen bei Gafsa vertreten, die seit 2008 im Zentrum des sozialen Widerstands gegen Ben Ali standen - und auch gegen die damalige UGTT Führung. Auf der anderen Seite gehört dem EB auch der bisherige Vorsitzende Abdelassem Jerad an, dessen Rolle von 2000 bis 2011 mit unrühmlich ausgesprochen beschönigend beschrieben wäre. In dem "Interview de Sami Tahri - UGTT" von Dominique Mezzi bereits im Mai 2011 bei contretemps (hier gespiegelt bei europe solidaire) kommt der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft zur Word, der seit dem Kongress im Dezember 2011 eben auch Mitglied des Exekutivbüros ist. Tahri hebt dabei vor allem darauf ab, dass es die - in einer Grauzone organisierte - Zusammenarbeit der Gewerkschaftslinken war, die ab 2002 der Anpassungspolitik Jerads und seiner Leute allmählich ein Ende setzte, oder sie zumindest zurückdrängte, denn die Gewerkschaften würden seiner Sicht nach immer umkämpft bleiben. Das neue Exekutivbüro wählte dann auch einen neuen Vorsitzenden - den Listenführer der Liste "Gewerkschaftlicher Konsens", die die meisten Stimmen bekam. "Hussein Abassi" von Hanen Keskes am 02. Januar 2012 bei Tunisia Live stellt ihn kurz vor. In dem Beitrag "22e congrès de l'Ugtt - Clôture des travaux - Murmures et indiscrétions" von Kamel Ferchich am 29. Dezember 2011 bei La Presse wird deutlich, dass es zahlreiche Kongressteilnehmer gab, die die Listen und die Art ihres Zustandekommens nicht eben begeisternd fanden... Dort wird aber auch unterstrichen, dass am letzten Kongresstag in völliger Einstimmigkeit ein Dokument ans Parlament verabschiedet wurde, in dem jeder Angriff auf die gewerkshchaftliche Freiheit in Tunesien verurteilt wird "komme er, von wem er komme". Der Kongress fand statt vor dem Hintergrund erneut wachsender sozialer Proteste und Unzufriedenheit. Ein Beispiel dafür ist der redaktionelle Artikel "Tension sociale à son comble dans le bassin minier de Gafsa en Tunisie" am 06. Januar 2012 bei Le Monde, in dem die Situation eben vor allem in den Regionen des Landesinneren zum Anlaß von Unruhe genommen wird. hrw |