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Updated: 18.12.2012 15:51
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Tunesien - Nachtrag zu gestern:

Tunesien, Teil VI: Übergangsregierung vor dem Aus - oder doch nicht? vom 27.01.2011

Am Abend erfolgte die Umbildung der provisorischen Regierung. Die Mehrzahl der Minister aus der Zeiten des alten Regimes folgen raus - nicht jedoch Premierminister Ghannouchi. Die UGTT (tunesischer Einheits-Gewerkschaftsdachverband) bleibt außerhalb der Regierung, unterstützt sie jedoch bei dem Vorhaben, innerhalb von sechs Monaten Neuwahlen durchzuführen. Ansonsten möchte sie „Gegenmacht“ bleiben

Wir kündigten es unseren Leser/inne/n gestern (als überfällig) an, am Abend erfolgte es dann unter dem Druck von seit Tagen nicht abreißenden Demonstrationen: Die tunesische Übergangsregierung, die - in ihrer bisherigen Zusammensetzung - am 17. Januar aufgestellt worden war, wurde umgebildet. Die dem RCD, also der früheren Staatspartei unter dem gestürzten und am 14. Januar geflohenen Präsidenten Ben ’Ali, angehörenden Minister flogen dabei nun überwiegend ’raus. Dies war eine der Hauptforderungen, die auf Tagen immer wieder auf Demonstrationen sowie durch die Oppositionsparteien erhoben worden war.

Allerdings blieben der bisherige Premierminister Mohamed Ghannouchi, der Expräsident Ben ’Ali bereits seit dem 17. November 1999 als Regierungschef gedient hatte, und zwei Minister aus der „alten Ära“ in ihren Ämtern bestätigt worden. Es handelt sich bei ihnen um Industrieminister Mohamed Afif Chelbi und um den Minister „für Wirtschaftsplanung und internationale Zusammenarbeit“, Mohamed Nouri Jouini. Ihre Beibehaltung wurde dadurch gerechtfertigt, dass sie nur „technische Ressorts“ besetzten; und jener des alten Premierministers wurde durch die „Kontinuität des Staates“ begründet. Sicherlich sollte die Aufrechterhaltung der Präsenz der beiden Minister mit wirtschaftlichen Aufgaben auch der (nationalen u. internationalen) Bourgeoisie ein beruhigendes Signal aussenden. Ansonsten findet sich die Kabinettsliste u.a. hier: http://www.aloufok.net/spip.php?article3135 externer Link

Am Donnerstag dauerten die Beratungen im Exekutivbüro (der Führungsspitze) des Gewerkschafts-Dachverbands UGTT fort, denen ein entscheidender Einfluss auf die Regierungsumbildung zugemessen wurde. Denn es schien den Regierenden unabdingbar, ein Mindestmaß an Akzeptanz seitens der UGTT zu finden. Bei dem Gewerkschafts-Dachverband selbst herrscht ein heftiger Linienstreit zwischen dem linken Flügel (der bisher in konsequenter Opposition zum alten Regime und zur mafiösen Bourgeoisie stand), den Zentrumsfraktionen - die eine „weniger politische“, gewerkschaftliche Interessenvertretungspolitik anstreben - und den mit dem alten Regime kollaborierenden Rechten. Aus den Reihen der Letztgenannten stammt zwar der amtierende Generalsekretär Abdessalem Jrad (auch „Jerad“ geschrieben, es handelt sich in beiden Fällen um eine Transkription aus dem Arabischen). Er muss sich seine Politik derzeit jedoch weitgehend durch die Basis bzw. den mittleren Apparat der UGTT diktieren lassen. Einzelne Stimmen fordern derzeit zwar mehr oder minder laut den Rücktritt Jrads. Überwiegend hält die Gewerkschaftslinke sich jedoch mit der Forderungen nach unmittelbaren Konsequenzen an der Spitze zurück, da sie es für strategisch klüger hält, inhaltlich Einfluss auf die Politik der UGTT zu nehmen - statt eine Personaldebatte und damit einen Machtkampf mitsamt Hauen & Stachen zu eröffnen, bei dem die Inhalte zweitrangig würden oder zu werden drohten.

Im Namen der UGTT erklärte am gestrigen Tage eines der Mitglieder in ihrem Exekutivbüro, Mohamed Saad, die Organisation werde „nicht in der neuen Übergangsregierung vertreten sein.“ Und er fügte hinzu: „Wir wollen als Gewerkschaft weiterhin eine Art Gegenmacht (une sorte de contre-pouvoir) bilden“, doch die UGTT werde die provisorische Regierung in dem Vorhaben der Durchführung von Neuwahlen innerhalb von sechs Monaten unterstützen.

Am gestrigen Donnerstag demonstrierten im zentraltunesischen Sidi Bouzid mehrere tausend Menschen. Am Vortag hatten in Sfax - der zweitgrößten Stadt des Landes, wo am Mittwoch zum Generalstreik aufgerufen wurde - laut Angaben der Opposition rund 100.000 Menschen demonstriert.

Bernard Schmid, Paris, 28.01.2011


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