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Updated: 18.12.2012 15:51
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DP World Constanta South Container Terminal: Der Streik ist beendet

Nach dreizehn Tagen Streik kommt es am Dienstag, den 29. Juli im DP World Container-Terminal im Hafen von Constanta zu einer Einigung zwischen Gewerkschaft und Management. Die Hafenarbeiter können der Geschäftsführung von DP World einige Zugeständnisse abringen: eine Lohnerhöhung von insgesamt 650 RON (180 Euro) in zwei Etappen (siehe Kasten weiter unten), einen Urlaubstag mehr, eine 30-prozentige Erhöhung des Oster- und Weihnachtsgeldes sowie die Zusicherung, dass die gesetzlich vorgegebenen Arbeits- und Ruhezeiten respektiert werden. Das Management ist hingegen nicht bereit, den Streikenden die im Arbeitsgesetz vorgeschriebene Alterszulage zuzugestehen. Dieser Punkt soll nun vom Aufsichtsamt für Arbeitsfragen (inspectia munci) geprüft werden.

Obwohl damit nicht alle Forderungen der Streikenden erfüllt sind, beschließt die Mehrheit, das Angebot anzunehmen und den Streik zu beenden. Einige Arbeiter sind jedoch unzufrieden.

“Hätten wir noch ein, zwei Tage weitergestreikt, wären sie am Ende eingeknickt und hätten unsere Forderungen vollständig erfüllt. Aber was willst du machen, es waren nur noch um die fünfzig von uns, die durchhalten wollten. Die anderen haben Schiss bekommen oder einfach nicht mehr daran geglaubt, dass wir uns durchsetzen können.” Sagt einer der Streikenden, ein LKW-Fahrer, nach der Entscheidung, die Arbeit wieder aufzunehmen. Er ist sauer: “Es wäre mehr drin gewesen. Aber der Zusammenhalt fehlte in den letzten Tagen. Zuviele, die mit dem Ergebnis zufrieden waren.”

Bereits am vergangenen Samstag gab es eine weitere, siebenstündige Verhandlungsrunde. Dreimal erneuerte die Geschäftsführung ihr Angebot. Dreimal lehnten die Tarifkommission (hauptsächlich Arbeiter aus dem Terminal) und die Streikenden, die sich vor Ort eingefunden hatten, ab. Die Hafenarbeiter hatten sich zunächst auf eine Lohnerhöhung in zwei Etappen eingelassen (die erste ab 1. Juli 2008 und die zweite ab 1. Januar 2009, kurz bevor erneut Tarifverhandlungen anstehen). Viele hielten das allerdings für einen Trick des Managements, dem es darum ginge, langfristig Lohnsteigerungen hinauszuzögern. Es gab erhitzte Diskussionen unter den Streikenden, Enttäuschung, dass etliche ihrer Kollegen nicht erschienen, obwohl sie alle über die laufenden Verhandlungen informiert worden waren. Zu einer Einigung kam es an jenem Samstag nicht. In ihrem letzten Angebot reduzierte die Geschäftsführung die vorher vorgeschlagene tarifliche Lohnerhöhung um 50 RON und bot stattdessen 100 RON monatlich mehr in Form von Geschenkgutscheinen an. Letztere gelten nicht als Lohnerhöhung – ein Schachzug, der den Unmut der Streikenden erneut hochkochen ließ. Sie beschlossen, den Streik fortzusetzen.

Entwicklung der Löhne

Der neue Tarifvertrag sieht eine Lohnerhöhung in zwei Etappen vor: ab 1. Juli 475 RON (132 Euro) und ab 1. Januar 2009 weitere 175 RON (48 Euro) – insgesamt 650 RON (180 Euro). Gefordert hatten sie 700 RON Lohnerhöhung ab sofort. Verglichen mit den Löhnen vor dem Streik bedeutet das eine Lohnsteigerung von 30-45 Prozent, je nach Qualifizierung der Arbeiter und dementsprechender Lohnstaffelung. Die Löhne im DP World Container-Terminal lagen bisher bei 350 Euro für Facharbeiter wie Schlosser, Dreher oder Elektriker, 400-500 Euro für LKW-Fahrer und 600-650 Euro für Kranfahrer. Mit der ersten Lohnerhöhung ab Juli 2008 erhält die niedrigste Lohngruppe nun 500 Euro, die höchste 800 Euro.

Die AutomobilarbeiterInnen im Werk von Dacia-Renault hatten im Frühjahr mit ihrem Streik eine Lohnsteigerung von 30-50 Prozent durchsetzen können und verdienen seitdem 300-400 Euro monatlich. Textilarbeiterinnen und Verkäuferinnen haben je nach Region einen monatlichen Verdienst von 150-200 Euro.

Der in Rumänien gesetzlich festgelegte Mindestlohn wurde vergangene Woche von 139 Euro auf 150 Euro angehoben.

(Alle Lohnangaben beziehen sich auf Bruttolöhne).

Ein Streik gegen die Flexibilisierung der Arbeitszeit

Trotz der Zugeständnisse bleibt ein wichtiger Punkt offen: Der Arbeitsstress und die Verfügbarkeit der Hafenarbeiter zu jeder Zeit. Die Streikenden hatten wiederholt erzählt, dass sie in ihrer freien Zeit per Handy zur Arbeit gerufen werden und innerhalb einer Stunde am Arbeitsplatz sein sollen. Umgekehrt wird ihnen bei schwacher Auftragslage kurzfristig abgesagt und der Arbeitsausfall nicht entlohnt. Ihre Forderung war dementsprechend, die gesetzlich festgelegten Ruhezeiten von 24 bzw. 48 Stunden einzuhalten und im Falle eines kurzfristigen Arbeitseinsatzes – über den die Arbeiter entscheiden wollen – diesen mit 100 Prozent Zuschlag zu vergüten. Zudem soll die Firma bei Arbeitsausfall 75 Prozent des Gehaltes zahlen.

Mit dieser Forderung haben sich die Streikenden letztendlich nicht durchgesetzt. Es wurde lediglich festgehalten, dass das Schichtsystem 12/24 und 12/48 (zwölf Stunden Arbeit, 24 Stunden Pause, 12 Stunden Arbeit, 48 Stunden Pause) eingehalten werden soll. Außerdem wird jetzt eine Liste erstellt, in der alle Arbeiter aufgeführt werden, die sich generell für Überstunden bereit erklären und damit dem Unternehmen auch in Zukunft jederzeit zur Verfügung stehen. Die Verweigerung von Überstunden soll nicht sanktioniert werden. Zuschläge für Überstunden wurden nicht vereinbart. Und auch Arbeitsausfälle bei schwacher Auftragslage werden weiterhin nicht vergütet.

Zermürbender Streikalltag

Die Strategie der Geschäftsführung, den Streik (offiziell) zu ignorieren und damit die Arbeiter einzuschüchtern, ging zum Teil auf. Mit jedem Streiktag wuchs die Unsicherheit der Arbeiter. Sie wussten nicht, ob sie durch ihre Arbeitsniederlegung etwas erreichen würden. Hinzu kam, dass die Medien kaum über den Streik berichteten. Die Streikenden fühlten sich isoliert. Der Streikalltag bestand vor allem aus einem zermürbenden Warten. In Internet-Blogs wurden die Streikenden wegen ihrer vergleichsweise hohen Löhne angegriffen. Zahlreiche LKW-Fahrer, die landesweit für Speditionen arbeiten, verloren durch den Streik das Einkommen von fast zwei Wochen, da die Ware, die sie fahren sollten, solange im Hafen blockiert war. In den Familien der Streikenden gab es Auseinandersetzungen wegen des vom Streik verursachten Lohnausfalls.

Die Streikenden waren sich aber bewusst, dass sie in einem modernen und hochproduktiven Bereich des Hafens arbeiten, den sie Tag und Nacht, 365 Tage im Jahr, am Laufen halten. Der Container-Transport im Hafen von Constanta boomt. Zwischen 2001 und 2007 hat sich das Containeraufkommen mehr als verzehnfacht, was vor allem auf den ausgebauten Terminal von DP World zurückgeht, auf dem 85 Prozent des gesamten Containeraufkommens umgeschlagen oder gelöscht wird. Was der Streik hier an Gütern blockierte, blieb auch blockiert. Der Einsatz von Streikbrechern war unmöglich, weil in der Region ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften herrscht.

“Es wäre mehr drin gewesen”

Die Streikenden haben Zähne gezeigt und konnten einen Teil ihrer Forderungen durchsetzen. Doch die errungenen Zugeständnisse beziehen sich vor allem auf Lohnerhöhungen. Sie haben nur eine vage Zusage in Bezug auf die Einhaltung der gesetzlich bestimmten Arbeitszeiten und der Verfügbarkeit rund um die Uhr erhalten. Am Arbeitstress, dem Druck, dem die Hafenarbeiter aufgrund der hohen Arbeitsintensität ständig ausgesetzt sind, den wenigen Pausen (pro 12-Stunden-Schicht nur eine Pause von 30 Minuten) und den gesteigerten Unfallrisiken durch Erschöpfung, konnten sie nichts ändern.

Oder wie ein Hafenarbeiter während des Streiks treffend sagte: “Was habe ich von einem höheren Lohn, wenn ich dafür das Pensum von zwei Leuten abarbeite und am Ende noch bei einem Unfall draufgehe?”

Bericht von Ana Cosel vom 02.08.2008


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