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Updated: 18.12.2012 15:51
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Polnische Gewerkschaften am Ende?

Von 1982 bis 2002 ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad der polnischen Arbeiter von exakt 80 auf nur noch rund 14% gefallen. Von der Gesamtbevölkerung (über 18 Jahre) sind gerade noch 6% gewerkschaftlich organisiert. Dieser geradezu dramatische Rückgang hat dazu geführt, dass heute Polen in der EU eines der Länder mit dem geringsten gewerkschaftlichen Organisationsgrad ist. Auch wenn die 80% damals auch aufgrund der sozialen Funktionen der Gewerkschaften zusammenkamen und die 14% durchaus nicht alle sind, die organisationsbereit wären (wie benutzte Umfragen zeigen) bleibt dies dramatisch.

Das ist Ergebnis und Ausgangspunkt der (englischen) Studie "Declining trade union density examined" externer Link von Juliusz Gardawski für das Warschauer "Foundation Institute of Public Affairs" von 2002, publiziert im "Eiro-Portal" (European Industrial Relations Observatory on-line).

(Im folgenden werden wesentliche Ergebnisse dieser Studie gekürzt zusammengefasst - hrw)

Der wesentliche Unterschied der polnischen zu den anderen osteuropäischen Gewerkschaftsbewegungen war die Entstehung der NSZZ Solidarnosc im Gefolge der Gdansker Werftenstreiks 1980. Erstmals gab es in einem als sozialistisch proklamierten Land eine unabhängige Gewerkschaftszentrale, die etwa 7 Millionen Mitglieder (rund 60% der Beschäftigten) zählte. Daneben gab es den "staatstragenden" ebenfalls neu gegründeten Verband der Branchengewerkschaften, der etwa 1 Million Mitglieder zählte, im Kern Menschen, die entweder Mitglieder der PVAP waren oder Leitungsfunktionen im Betrieb hatten. Daneben gab es noch eine Reihe kleinerer unabhängiger Gewerkschaften mit mehreren zehntausend Mitgliedern. Alle diese Organisationen wurden mit der Verhängung des Kriegsrechts illegalisiert, 1984 der OPZZ (Allpolnischer Gewerkschaftsbund) gegründet, mit etwa 5,6 Millionen Mitgliedern oder rund 45% der Beschäftigten.

Seitdem 1989 erstmals eine promarkwtirtschaftliche Regierung aus Kreisen der Untergrund-Solidarnosc Strömung gebildet wurde, ist der Rückgang der Gewerkschaftsmitgliederzahlen kontinuierlich.

In der Studie werden dafür im wesentlichen folgende Gründe genannt:

1. Die Schrumpfung der traditionellen Branchen und Bereiche

a) Staatliche Betriebe

Gewerkschaften sind in nahezu allen staatlichen Betrieben über 250 Beschäftigte existent, in 75% der staatlichen Betriebe zwischen 50 und 250 Beschäftigten und in 50% der staatlichen Betriebe unter 50 Beschäftigten.

b) Privatisierte Betriebe

Hier ist es so, dass in den grossen Firmen (über 250) nach wie vor in den allermeisten Gewerkschaften existieren, in den mittleren Betrieben etwa ein Drittel und in den kleinen fast gar keine Gewerkschaften präsent sind.

c) Privat gegründete Betriebe

Von den grossen Betrieben sind Arbeiter aus zwischen 5% (polnisches Kapital) und 33%(ausländisches Kapital) gewerkschaftlich organisiert, in den mittleren und kleinen Betrieben gibt es so gut wie keine Gewerkschaften.

Hinzu kommt, dass wie bei anderen Gewerkschaften auch, die 14% Gewerkschaftsmitglieder unter den Arbeitern sehr ungleich verteilt sind: 15,9 % bei Vollzeitbeschäftigten, 6,3% bei Teilzeitbeschäftigten und 1,3% bei Jobbern.

2. Unternehmensfront gegen Gewerkschaften

In der Studie wird ausdrücklich differenziert zwischen solchen neuen Betrieben, die von ihrer Materie und Struktur her "gewerkschaftsfern" sind (IT Bereich etwa) und jene privaten Betriebe in denen Kapitaleigner bzw Manager eine direkt antigewerkschaftliche Linie fahren, wobei letzteres fast durchgehend der Fall ist, ersteres nur in Ausnahmefällen.

3. Unzufriedenheit der Mitgliedschaft, Abstand

Eine Erhebung des Umfrageinstitutes OBOP vom Juli 2002 wird in der Studie zitiert, nachdem 18% der polnischen Erwachsenen die Gewerkschaften für eine postive Kraft halten. Viel wichtiger noch: Bei den Solidarnosc Mitgliedern hielten nur 15% ihre eigene Gewerkschaft für eine positive Erscheinung... Im Jahre 2001 hatte daselbe Institut eine Umfrage unter Gewerkschaftsmitgliedern gemacht, wie weit sie sich durch die Aktivitäten ihrer Gewerkschaft vertreten fühlten: von der OPZZ fühlten sich 49% gut vertreten, 28% überhaupt nicht, bei Solidarnosc waren die Zahlen noch eindeutiger - 39% fanden sich gut vertreten, 57% überhaupt nicht.

Während die Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder (51,7%) Frauen sind (va im Erziehungsbereich und öffentlichen Dienst - und noch 35% der Mitglieder der Bergarbeitergewerkschaften), sind von den unter 25 jährigen ArbeiterInnen gerade mal 2,4% Gewerkschaftsmitglied.

Erste Gegenmaßnahmen

Seit Mitte der 90er Jahre haben die beiden grossen Verbände - die heute noch je ca 1,2 Millionen Mitglieder haben - Anstrengungen unternommen, sich neuen Entwicklungen anzupassen. Vor allem Solidarnosc erhielt dabei massive Hilfe sowohl des AfL-CIO, als auch der westeuropäischen Gewerkschaften: Gewerkschaftliche Entwicklungseinheit heisst das Projekt, über das es in den letzten Jahren gelang, vor allem in Supermarktketten einige Erfolge zu erzielen - etwa 40 Supermärkte grosser internationaler Ketten haben heute eine gewerkschaftliche Organisation. Auch die Werke von GM und Opel haben beachtliche gewerkschaftliche Organisation - der Solidarnosc.

Weniger Auslandsförderung bekam die OPZZ für ihre diversen Projekte, von denen die Studie vor allem die erfolgreiche Kampagne in den Filialen einer grossen ausländischen Bank hervorhebt.

(Auf alle Bestrebungen sowohl die unabhängigen Gewerkschaften zusammenzuschliessen, als auch auf einzelne Neugründungen in "kritischen Sektoren" geht die Studie nicht weiter ein, obwohl hier insgesamt circa eine weitere Million gewerkschaftlich organisierter Menschen zusammenkommen).


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