letzte Änderung am 23. Mai 2003

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Trotz gewerkschaftlicher Probleme: Der grösste Streik seit über einem Jahrzehnt

Von José Rios y Otalbo, Lima

Die Lehrergewerkschaft SUTEP (Einheitsgewerkschaft der Beschäftigten des Erziehungswesens) ist von heftigen inneren Auseinandersetzungen geprägt: Trotzdem ist der landesweite Streik im Laufe der letzten Woche immer stärker geworden und zum grössten überhaupt seit mehr als 10 Jahren geworden.

Der Grund: die langjährigen Sparprogramme haben das Schulsystem des Landes und seine Beschäftigten ruiniert und in die Armut getrieben. Die Kaufkraft des Lehrergehalts ist in der letzten Generation um rund zwei Drittel gesunken. 685 Soles oder etwa 210 Dollar verdienen sie durchschnittlich im Monat. Sieben Dollar am Tag und Peru ist keineswegs ein billiges Land. Präsident Toledo versprach in seinem Wahlkampf, das durchschnittliche Lehrergehalt bis Ende seiner Amtszeit zu verdoppeln - von damals 650 auf dann 1300 Soles. Das ist längst vergangen und vergessen und selbst seine Sprecher sagen, es wäre ja kein Vertrag gewesen, sondern lediglich eine Absichtserklärung. Konkret geht es jetzt um die Forderung nach einer Erhöhung um 210 Soles.

Aber auch das ganze Schulsystem ist inzwischen neoliberal marode saniert worden: Über die Hälfte aller Schulen haben nur noch 1-2 Stunden täglich Wasser, es fehlt an solch einfachen Dingen wie Kreide etc.

Besondere Erbitterung hat die neueste Gegenreformkampagne von Regierung und Medien ausgelöst: Auch in Peru soll das Rentensystem faktisch privatisiert werden. Die Lehrer fordern dagegen mit der SUTEP die Bezahlung der Rente in Höhe des letzten aktiven Gehalts. Dazu muss gewusst werden, dass das private "Angebot" bei etwa 60 Dollar im Monat liegt.

Und schliesslich geht es auch noch um die Übernahme der rund 50.000 per Zeitvertrag angestellten Lehrer, die noch weniger verdienen und um Beschäftigung von 130.000 erwerbslosen Lehrern und Lehrerinnen, deren Arbeit dringend benötigt würde, um die enorme Klassengrösse zu reduzieren.

Der ursprüngliche Koalitionsvertrag der Regierung Toledo sah vor, 6 Prozent der Staatsausgaben für das Erziehungswesen auszugeben. Das wäre bereits viel zu wenig gewesen, um das System wirklich zu verbessern - aber der Ansatz wurde unter Spardruck auf die Hälfte, gerade mal 3,3 Prozent verringert.

Von dieser katastrophalen Situation her überrascht es nicht, wenn bereits am ersten Streiktag, den 12.Mai in manchen Regionen 99 Prozent Streikbeteiligung gemeldet wurden. Es überrascht mehr von der inneren Situation der Lehrergewerkschaft SUTEP her. Die Gewerkschaft hat bereits in den Zeiten der Diktatur stark unter Vefolgung gelitten und wurde geschwächt. Jetzt ist sie in einem politischen Richtungskampf gefangen, in dem die nationale Leitung nicht anerkannt wird - und die Regionalkomitees, die diese Linie haben, weigerten sich zunächst, ebenfalls zum Streik aufzurufen. Aber am Mittwoch und Donnerstag wurde der Druck der Situation, der Mitgliedschaft und des gesamten Berufsstandes so gross, dass alle Bezirke landesweit zum Streik aufrufen mussten. Am Freitag, den 16.Mai betrug die Streikbeteiligung landesweit 97 Prozent.

Die Auseinandersetzungen innerhalb von SUTEP hatten sich seit langem angebahnt - und werden in der Öffentlichkeit als ein Streit zwischen KP nahen Funktionären wie Nilver Lopez, der Vorsitzende des Nationalen Exekutivkomitees, und "Senderisten", wie einige Provinzsekretäre der SUTE-Regionen dargestellt - und auch gesehen. Im März 2003 hatte die SUTEP einen ausserordentlichen Kongress, bei dem die Opposition behauptet, zwei Drittel aller Delegiertenstimmen gehabt zu haben, weswegen Lopez sich seine Funktion nur angemasst habe - dieser wiederum sagt, er habe 90 Prozent der Delegierten hinter sich gehabt. Die Opposition hat bereits angekündigt, sie werde keinen Abschluss des Lopezschen Exekutivkomitees anerkennen. Schwierige Bedingungen für einen Streik, der so kraftvoll begonnen hat und so wichtig für das Land ist. Aber wie andere Länder auch - etwa gerade in Frankreich: entscheidend ist, was die Nichtorganisierten machen...

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